Herzerwärmende Geschichten aus der größten Auffangstation für Orang-Utans der Welt: Hier tun die Tierpfleger alles, um die geretteten jungen Affen auf das Leben in der Wildnis vorzubereiten.
Die Welt erlebt derzeit das größte Artensterben seit dem Verschwinden der Dinosaurier. Jeden Tag gehen 150 Arten verloren. Was sind die Gründe, und kann man die Lawine des Aussterbens stoppen? Die Vernichtung von Wäldern und die Ausbreitung der Landwirtschaft sind die Hauptgründe. Dirk Steffens zeigt, wie Naturschützer weltweit im Kampf für den Artenschutz immer ausgefallenere Methoden entwickeln. Denn noch gibt es Möglichkeiten, dagegenzuhalten.
Vor einigen Jahren hatte Moderator Frank Elstner den Tierschützer Willie Smits in seiner Sendung „Menschen der Woche“ kennengelernt. Spontan hatte er versprochen, selbst nach Indonesien zu kommen, um die Situation der Orang-Utans vor Ort zu erleben. Es sollte eine der spannendsten, emotionalsten Reisen seines Lebens werden: Mehr als drei Wochen begleitete er den Tier- und Naturschützer durch Indonesien, immer auf der Spur der Orang-Utans.
Orang-Utans und Menschen teilen 97 Prozent der DNA und so überrascht es wenig, dass auch Orang-Utan-Kinder zunächst Milchzähne und dann bleibende Zähne bekommen. Und dazwischen supersüße Zahnlücken. Als Mema vor Kurzem vom Tierarzt durchgecheckt wurde, weil ihr regelmäßiger Check-Up fällig war, entdeckte dieser, dass der Siebenjährigen die komplette untere Zahnreihe fehlte. Mema sind die ersten Milchzähne ausgefallen! Von ihren Babysitterinnen blieb dieser Entwicklungsschub unbemerkt, da Mema trotz fehlender Zähne weiterhin mit großem Appetit Früchte und Gemüse futterte und sogar auf Holzstücken herumkaute. Weder der Tierarzt noch unsere Babysitterinnen waren daher besorgt über den rasanten Zahnwechsel. Und tatsächlich zeigten sich kurze Zeit später auch schon die Spitzen der bleibenden Zähne im Unterkiefer.
Auch Orang-Utan-Babys trinken Milch bis die ersten Zähnchen kommen
Genau wie wir Menschen, werden Orang-Utan-Babys zahnlos geboren und sind in der ersten Zeit völlig auf ihre Mütter und deren Milch angewiesen. Wenn wir noch junge Orang-Utans in den BOS-Rettungszentren aufnehmen, päppeln unsere Babysitterinnen sie mit Flaschenmilch auf bis sie schließlich ihre Milchzähnchen bekommen und langsam auf feste Nahrung umstellen. Das Zahnset der Orang-Utans besteht wie bei uns aus Schneidezähnen, Eck- und Backenzähnen und hat vergleichbare Aufgaben. Wie bei Menschen auch, fallen die Milchzähne im Kindesalter aus und werden durch die bleibenden Zähne ersetzt.
Der Zahnwechsel markiert bei Mema auch einen Entwicklungsschub: Im Alter von sieben Jahren wird sie langsam zur Jugendlichen und beginnt, sich für Orang-Utan-Jungs zu interessieren. Sie entfernt sich auch immer weiter von ihren Ersatzmüttern und holt sich nur Unterstützung, wenn es Schwierigkeiten gibt.
Mema wird immer selbständiger und kommt offensichtlich in die Pubertät
Sobald sie ihr Frühstück aus frischem Obst und Gemüse beendet hat, verschwindet Mema normalerweise in den Baumwipfeln. Gerne spielt sie dort mit Tuti, einem jungen, wild lebenden Orang-Utan, der ab und zu auf einen Besuch in unserer Waldschule vorbeischaut. Bislang gehörte Mema, zusammen mit Kristina, zu den Ältesten in der Waldschulgruppe drei. Aufgrund ihrer Entwicklung sind die beiden nun in Gruppe vier umgezogen, in der sich sechs ältere Orang-Utans befinden. Dort werden Mema und Kristina sicher bald Anschluss finden und viele weitere, neue Dinge lernen können. Herzlich willkommen!
Auch Sie können Orang-Utans wie Mema und Kristina auf deren Weg in die Freiheit begleiten. Zum Beispiel mit einer Patenschaft.
Ein britisches Forschungsteam hat mithilfe von Orang-Utans herausgefunden, wie sich die Stimmbildung möglicherweise vor Millionen von Jahren entwickelt hat. Bislang war dies ein großes Rätsel der Wissenschaft. Ihre Erkenntnisse lassen neue Rückschlüsse zu auf die Entwicklung von Sprache, wie wir sie heute kennen.
Im Laufe der letzten 17 Millionen Jahren sind die dichten Wälder, die Eurasien und Afrika einst bedeckten, immer weiter zurückgegangen und haben Platz gemacht für weite, offene Ebenen. Wie sich die Bewohner dieser Landschaft miteinander verständigen, hat sich im Laufe dieser Zeit ebenfalls verändert: von überwiegend vokaler Kommunikation hin zu Lauten, die stärker durch Konsonanten geprägt waren. Bisher wusste man nur, dass es so ist: Doch aus welchen Gründen erfolgte diese Evolution?
Der Schlüssel waren Experimente mit Orang-Utans oder genauer gesagt, mit den Rufen von Orang-Utans, durch die diese miteinander kommunizieren. Denn die Menschenaffen sind uns und unseren Vorfahren so ähnlich, dass die Stimm- und Sprachexperimente valide Rückschlüsse erlauben.
Mit diesen, ganz unterschiedlichen, Lauten kommunizieren Orang-Utans
Die Sprache von Orang-Utans umfasst sowohl vokalbasierte Laute als auch solche, die Konsonanten beinhalten. Hier könnt ihr euch die typischen Lautäußerungen anhören, die von Grunzen und Prusten über Weinen und Schreien bis hin zu Kussgeräuschen und dem sogenannten Long Call reichen. Im Regenwald können Orang-Utans über eine Entfernung von bis zu 100 Meter miteinander kommunizieren.
Den Regeln der Akustik folgend, werden Töne in niedriger Frequenz weniger gut über die Entfernung getragen als Töne mit hoher Frequenz. Da die vokalbasierten Laute der Orang-Utans üblicherweise in einer tieferen Frequenz geäußert werden, nahm das Forscherteam an, dass die konsonanten-basierten Laute besser über weitere Entfernungen hörbar sein müssten.
Diese Annahme überprüften die Forscher mit einem Experiment in der südafrikanischen Savanne.
Sie verwendeten Aufnahmen der unterschiedlichen Orang-Utan-Laute, welche sie bei Individuen verschiedener Populationen sowohl auf Sumatra als auch Borneo aufgenommen hatten. Diese Laute wurden in 25-Meter-Schritten über eine wachsende Entfernung von bis zu 400 Metern abgespielt. Dabei wurde jeweils untersucht, wie gut sie (noch) hörbar sind.
Das Experiment bestätigte die Annahme des Forschungsteams: Tatsächlich waren die konsonanten-basierten Laute im offenen Gelände besser über größere Entfernungen zu verstehen! Die vokalbasierten Rufe waren bei Entfernungen von 125 Metern und mehr deutlich schlechter hörbar als die konsonantenbasierten. Diese verloren erst nach 250 Metern etwas von ihrer Hörbarkeit. Bei einer Entfernung von 400 Metern waren noch 80 Prozent der konsonantenbasierten Rufe hörbar, jedoch nur noch 20 Prozent der vokalbasierten.
Ein ziemlich eindeutiges Ergebnis – das weitere Sprachforschung ermöglichen wird
Die Erkenntnisse des Forschungsteams sind ein weiteres Puzzlestück in der Erforschung der Entstehung von Sprache, wie wir sie heute kennen. Bereits bekannt ist, dass Konsonanten Worte und Sätze strukturieren und sie dadurch verständlicher machen als die reine Aneinanderreihung von Vokalen. Bekannt ist außerdem, dass Konsonanten eine wichtige Rolle beim Erlernen von Sprache spielen: Das zeigen Beobachtungen von Babys, die neue Wörter dadurch wiedererkennen, dass sie sich auf die Konsonanten darin konzentrieren.
Wir finden es jedenfalls ziemlich cool, dass Orang-Utans gewissermaßen zu Assistenten der Wissenschaft geworden sind und bei der Erforschung eines Mysteriums mitgeholfen haben, das seit Millionen von Jahren ungelöst war.