Weil ihn das Schicksal der Orang-Utans so sehr berührt, will der achtjährige Eric nicht nur tatenlos zusehen. Er will helfen. Seine Idee, um Spenden zu sammeln: Kleine Straßenkonzerte auf seiner Blockflöte. Und damit konnte der Grundschüler schon viel bewirken.
Seit 13 Monaten steht der achtjährige Eric Lutz jeden Samstag in der Mannheimer Fußgängerzone vor seinem Elternhaus und gibt ein kleines Konzert auf seiner Blockflöte. Vor ihm liegt eine Mütze – der deutliche Hinweis, dass Eric sich über einen kleinen Geldbetrag der Passanten freuen würde. Doch Eric spielt nicht etwa, um sich sein Taschengeld aufzubessern. Er flötet, um damit Spenden für die Umwelt und die Natur zu sammeln. Vor allem für Orang-Utans und den Regenwald.
680 Euro hat er bereits gesammelt. Und alles gespendet. Dabei macht sich der Drittklässler auch ganz genau schlau, wem er sein Geld anvertraut und was damit geschieht. Denn vor allem möchte er etwas gegen die Zerstörung der Natur und das Aussterben der Tiere bewirken.
Aus erster Hand
Am liebsten schaut er sich im Fernsehen Naturdokus an. Dabei lernt er viel. Aber manchmal packt ihn auch die Verzweiflung, wenn er sieht, was der Mensch alles zerstört. Um ihm wieder Hoffnung zu schenken, meldete sich Erics Vater bei uns mit der Bitte, Eric einmal aus erster Hand von unserer Arbeit zu berichten. Das haben wir natürlich sehr gern getan. Und waren überwältigt, von den vielen schlauen Fragen und Gedanken, die den Achtjährigen beschäftigen.
Was fressen Orang-Utans? Wie viele gibt es noch? Wie viele Orang-Utans leben in den Rettungszentren? Was lernen sie in der Waldschule? Und vor allem: Warum sind sie bedroht? Als wir ihm erzählen, dass viele Menschen auf Borneo so arm sind, dass manche in ihrer Not auch Tiere wie Orang-Utans jagen, fragt er, ob man nicht Geld spenden kann, damit es den Menschen besser geht. Genau Eric! Denn wie der CEO der BOS Foundation immer wieder sagt: „Sprich nie mit hungrigen Menschen über Naturschutz!“ Also berichten wir ihm auch davon, wie BOS Menschen sichere Arbeit bietet oder in unseren Gemeindeentwicklungsprojekten neue Einkommensmöglichkeiten schafft.
Eric, Du hast uns wirklich sehr beeindruckt! Vielen Dank für Deinen Einsatz und Deinen Forschergeist. Du schenkst uns Hoffnung und Mut!
Als die Mitarbeiter eines Forstbetriebes in der Region Ost Kutai auf Borneo das Malaienbären-Mädchen fanden, war sie gerade erst einen Monat alt und ihre Augen waren noch geschlossen. Ein winziges, niedliches Bärenbaby, das jedoch schon Schreckliches erlebt hatte. Denn sie hatte ihre Mutter verloren. In den ersten drei Wochen nach ihrer Rettung wurde die Kleine durch die Naturschutzbehörde BKSDA gepflegt und aufgepäppelt, bis sie schließlich an unser Team in Samboja Lestari übergeben wurde.
Doch wohin mit dem Bärenbaby? In unserem Malaienbären-Refugium gibt es noch keine Einheit speziell für ganz kleine Bären. Bislang sind wir dort nur auf Bärenkinder ab zwei Jahren eingerichtet.
Noch gibt es kein Babyhaus für Malaienbären
Unser Team musste also improvisieren und hatte eine gute Idee: Baby Adele wurde in der Orang-Utan-Klinik untergebracht, wo sie besonders viel Zuwendung bekam. Tagsüber wurde sie von einer, nachts sogar von zwei Ersatz-Mamas begleitet und regelmäßig gefüttert. Zu Beginn nahm die traumatisierte Kleine bei jeder Fütterung nur wenige Schlucke Milch zu sich. Die meiste Zeit verbrachte sie mit Schlafen. Nachdem sich ihre Augen geöffnet hatten, stellten unsere Ärzte außerdem fest, dass sie nur eingeschränkt sehen konnte.
Stück für Stück fasste Adele Vertrauen. Ihre Wachzeiten wurden länger und sie begann, mit den angebotenen Beschäftigungsmaterialien zu spielen. Besonders mochte sie eine Pappschachtel und Handtücher. Nach einiger Zeit durfte Adele morgens und abends nach draußen gehen und im Gras unter den Bäumen spielen. Am liebsten spielte sie mit ihren Ersatz-Mamas Fangen und diese konnten dabei zusehen, wie die Kleine in der neuen Umgebung immer mutiger wurde.
Im Alter von zweieinhalb Monaten verließ Adele die Klinik und zog – erneut mangels einer Station für Babybären – in das Orang-Utan-Babyhaus um. Hier konnte sie mit der “Bärenschule” beginnen und es zeigte sich, dass Adele den Wald inzwischen (wieder) lieben gelernt hatte.
Ihr liebster Zeitvertreib: Unter den Bäumen nach Ameisen suchen, die sie genüsslich mit ihrer langen Zunge aufschleckte und verspeiste. Auf die Bäume wagt sie sich jedoch nur selten – dabei können Malaienbären eigentlich sehr gut klettern. Nur wenn ihre Babysitterin sie begleitet und am besten voraus klettert, traute sich auch Adele.
Malaienbären können gut klettern – aber Adele bleibt lieber noch auf dem Boden
Als sie sieben Monate alt geworden war, zog Adele abermals um: Diesmal in ein kleines Gehege innerhalb des Refugiums der Malaienbären, um dort mit der “Bärenschule” beginnen zu können.
Im Gehege lernte die kleine Bärin den zehn Monate alten Sulis kennen, mit dem sie sich rasch anfreundete. Die beiden konnten bald dabei beobachtet werden, wie sie zusammen spielten und sich bestens verstanden. Das Sicherheitstraining am Elektrozaun bestanden sie in Rekordzeit und konnten daraufhin ganz ohne Bewachung durch unser Team im Gehege toben und spielen. Inzwischen ist Adele elf Monate alt und liebt es, mit ihrem Freund Sulis in den Bäumen zu spielen. Ja, sie haben richtig gelesen: Auch ihre Scheu vor dem Klettern hat Adele nun abgelegt!
Kalimantan ist der indonesische Name für die Insel Borneo, der drittgrößten Insel der Welt nach Grönland und Neuguinea. Kalimantan ist auch Heimat der Borneo-Orang-Utans, die sie sich mit unzähligen anderen Tierarten teilen. Viele von ihnen sind nicht minder bedroht als unsere rothaarigen Verwandten. Wir stellen hier in loser Reihenfolge immer wieder einige dieser faszinierenden Geschöpfe vor.
Der Olivrückenspecht (Chloropicoides rafflesii, ehemals Dinopium rafflesii)
An einem sonnigen Morgen wurde unser Monitoring-Team im Auswilderungswald Kehje Sewen in Ost-Kalimantan von einem Vogelchor begrüßt, der den neuen Tag einläutete. Zwischen den verschiedenen Tönen von Zwitschern, Zirpen und Pfeifen war noch ein ganz anderes Geräusch zu hören, das die Aufmerksamkeit unserer Mitarbeiter auf sich zog und sie veranlasste, sich auf die Suche nach der Quelle zu machen.
„Tuk-tuk-tuk, tuk-tuk-tuk, tuk-tuk-tuk“, ertönte das rhythmische Klopfen. Das Geräusch stammte von einem Olivrückenspecht. Parallel zum Arbeitsbeginn unserer Mitarbeiter begann der Specht mit der Nahrungssuche. Er hackte im Holz, um Termiten, Käfer, Raupen oder Spinnen zu finden, die er verspeisen kann.
Der Künstler bei der Arbeit
Ein schöner Nebeneffekt ist, dass der Olivrückenspecht beim Hacken auf verrottetem oder verwittertem Holz unbeabsichtigt ein schönes Lochmuster erzeugt. Kein Wunder also, dass dieser Specht auch als „Schnitzer der Natur“ bezeichnet wird. Die Aktivitäten des Olivrückenspechts sind sehr interessant zu beobachten, insbesondere die Art und Weise, wie er sorgfältig Stämme auswählt, um darin zu fressen.
Hohe Ansprüche an den Lebensraum
Das Verbreitungsgebiet dieses Vogels ist sehr klein. Er ist nur in Indonesien auf Kalimantan, Sumatra und den beiden Inselgruppen Riau und Bangka-Belitung heimisch. Sein bevorzugter Lebensraum sind unberührte, tropische Primär- und Torfmoorwälder, die selten höher als 1.200 Meter liegen sollten, und Mangroven. Sekundärwälder und Rodungsflächen meidet er.
Aufgrund der Zerstörung seines begrenzten Lebensraums wird der Olivrückenspecht von der IUCN als potenziell gefährdet eingestuft. Genaue Angaben zu seinem Bestand gibt es allerdings nicht. In Kehje Sewen hören unsere PRM-Teams häufiger das Klopfen des Olivrückenspecht. Ein gutes Zeichen für die Qualität unseres Auswilderungswaldes. Zu Gesicht bekommen sie ihn selten. Dafür ist der nicht einmal 30 Zentimeter große Vogel vermutlich einfach zu gut getarnt.
Im ersten Teil unseres Reports haben wir vom Target Training der Malaienbären und vom Sicherheitstraining am Elektrozaun berichtet. Heute nehmen wir Sie erneut mit in unsere Bärenschule, die sich im BOS-Rettungszentrum Samboja Lestari befindet. Dort kümmern wir uns bereits seit 1998 auch um gerettete Malaienbären, die ebenfalls akut vom Aussterben bedroht sind. Aber leider – im Gegensatz zu Orang-Utans – nicht wieder ausgewildert werden können.
Lektion 3 in unserer Bärenschule: der Transportkäfig
Freiwillig in den Käfig? Ja, genau! Durch ein spezielles Training gelingt es unseren Pflegern, die Malaienbären an den Transportkäfig als etwas Normales, keinesfalls Bedrohliches zu gewöhnen. Dadurch können wir die Tiere bei Bedarf sicher und stressfrei von einem Ort zum anderen transportieren – ganz ohne den Einsatz von Betäubungsmitteln.
Und wie gelingt es unserem Team nun, den Bären Tiefenentspannung im Umgang mit dem Käfig mit auf den Weg zu geben?
Zunächst stellen wir den Käfig für drei Tage direkt neben das Gehege, in dem der Malaienbär lebt, um ihn an den Anblick des unbekannten Objektes zu gewöhnen. Als nächstes wird der Käfig ins Gehege gesetzt und seine Tür geöffnet, damit der Bär ihn sich von allen Seiten anschauen und dabei frei hinein- und wieder hinausbewegen kann.
Wenn die Pfleger beobachten, dass der Malaienbär rund um den Transportkäfig ruhig und entspannt bleibt, ermutigen sie ihn, sich für eine etwas länger Zeit darin aufzuhalten. Zunächst allein, dann in Begleitung von vier Pflegern, die ganz behutsam den Käfig bewegen oder kurz die Tür auf und zu machen. Wenn auch das toleriert wird, kann die Tür des Transportkäfigs für immer längere Zeit geschlossen und schließlich der Käfig mit dem Bären darin vorsichtig angehoben und bewegt werden. Mission erfüllt!
Positive Verstärkung und Belohnungen helfen den Malaienbären beim Lernen
Wie Sie sich vorstellen können, ist es sehr zeitaufwändig, das Vertrauen der Bären zu gewinnen und sie an den Transportkäfig zu gewöhnen. Zehn Trainingssessions, verteilt über einen Monat, dauerte unsere bislang schnellste Eingewöhnung.
Bei allen Lektionen in der “Bärenschule” arbeiten wir grundsätzlich nur mit Mitteln der positiven Verstärkung sowie mit Belohnungen, niemals mit Gewalt oder Strafen. Und natürlich trainieren wir die Bären nicht, damit sie anschließend in irgendeiner Form der menschlichen Unterhaltung dienen, sondern es geht ausschließlich darum, ihnen ein sicheres und artgerechtes Leben in unserem Refugium zu ermöglichen.
Auch wenn Malaienbären nicht mehr ausgewildert werden können, können sie in Gefangenschaft bis zu 30 Jahre alt werden! Wir haben es uns zur Aufgabe gemacht, ihr trauriges Schicksal, das sie durch Verfolgung, Verletzungen und manchmal den Verlust der Mutter bereits als Babys, abzumildern und ihnen ein bestmögliches Leben in unserem Rettungszentrum zu schenken. Aktuell kümmern wir uns in Samboja Lestari, Ost Kalimantan, um 72 Malaienbären.
Die BOS Foundation rettet und rehabilitiert nicht nur Orang-Utans: Bereits seit 1998 kümmern wir uns auch um Malaienbären, die die Naturschutzbehörden von Ost- und Zentral-Kalimantan in unsere Obhut übergibt. Die niedlichen Malaienbären (Helarctos malayanus) sind die kleinste Bärenspezies der Welt. Traurigerweise stehen auch sie auf der Roten Liste der vom Aussterben bedrohten Tiere.
Verlust des Lebensraums und illegaler Wildtierhandel bedrohen die Malaienbären
Denn Orang-Utans und Malaienbären teilen dasselbe Schicksal: Ihr Lebensraum schrumpft kontinuierlich durch die Abholzung des Regenwaldes. Zudem werden die kleinen Bären für den illegalen Wildtierhandel gejagt (es gibt eine große Nachfrage nach Babybären als Haustiere sowie auch nach Körperteilen der Tiere) und sie werden immer wieder als “Schädlinge” von Feldern und Plantagen verjagt und dabei verletzt oder getötet.
Die Internationale Naturschutzorganisation IUCN hat die Alarmstufe Rot erkannt und einen Aktionsplan für die Jahre 2019–2028 entwickelt, durch den das Aussterben der Malaienbären verhindert werden soll. Die BOS Foundation ist Teil der Initiative. Wir tun alles in unserer Macht stehende, um diese Bärenart zu retten!
Nach Kontakt mit Menschen leider nicht mehr auswilderbar
Im Gegensatz zu Orang-Utans können Malaienbären nicht mehr ausgewildert werden, sobald sie einmal Kontakt mit Menschen hatten – was sich bei einer Rettung nicht vermeiden lässt. Es bedarf daher eines speziell auf die Bedürfnisse der Tiere zugeschnittenen Rettungszentrums, in dem diese gesund gepflegt werden und dann den Rest ihres Lebens artgerecht leben können.
In Samboja Lestari haben wir ein solches Refugium erbaut, in dem wir natürlich dieselben Tierschutzprinzipien wie auch bei “unseren” Orang-Utans anwenden. Bärenbabys können im Alter von etwa fünf Monaten sehen, laufen, riechen und hören, und in freier Wildbahn beginnt zu diesem Zeitpunkt das “Survival Training” bei ihren Bärenmüttern. Eine vergleichbare Ausbildung haben wir für die geretteten Tiere in unserem Schutzzentrum entwickelt.
Lektion 1 unseres Malaienbären-Programms
Für gerettete Bären jeden Alters ist die erste und wichtigste Lektion das sogenannte Target Training: Dabei lernen sie durch Konditionierung, einem Pfleger von A nach B zu folgen. Diese Kompetenz ist enorm wichtig, um mit den Tieren in Gefangenschaft sicher und stressfrei umgehen zu können, zum Beispiel um sie aus dem Gehege zu führen, wenn dieses gereinigt wird oder wenn ein Umzug an einen anderen Ort nötig wird.
Das Training erfolgt in mehreren Einheiten, die jeweils so lange andauern wie der Bär gerne und mit Neugierde kooperiert – in der Regel 10–20 Minuten lang an drei bis fünf Tagen pro Woche, bis das Gelernte sicher beherrscht wird. Sobald das Tier Stress oder Aggressivität zeigt, wird die Lektion unterbrochen.
Lektion 2: Sicherheit vor dem Elektrozaun
Unsere weitläufigen Gehege sind naturnah gestaltet, um den Bären ein artgerechtes Lebensumfeld zu bieten. Damit die Tiere nicht das Gehege verlassen und sich dadurch in Gefahr begeben, sind sie zusätzlich durch einen Elektrozaun gesichert. Durch ein speziell entwickeltes Training lernen die Malaienbären, den Zaun zu respektieren, ohne ihm zu nahe zu kommen.
Zunächst werden die Bären in ein kleines, von Wald umgebenem Gehege gebracht, in dem sie Futter vorfinden. Der elektrische Strom wird abgeschaltet, stattdessen bewachen drei Team-Mitglieder den Zaun. Sobald sich ein Bär dem Elektrozaun nähert, klatscht das in der Nähe postierte Team-Mitglied laut in die Hände, um eine Berührung zu verhindern. Mit Fortschreiten des Trainings wird der Elektrozaun angeschaltet, die Mitarbeiter bleiben jedoch postiert und klatschen weiterhin in die Hände, sobald sich ein Bär dem Zaun nähert.
Jede Trainingseinheit dauert etwa 15–30 Minuten. Sie endet sofort, wenn der Bär den Elektrozaun berührt. Manchmal passiert dies auch dann noch, wenn der Strom wieder angeschaltet wurde, weil das Training bereits weit fortgeschritten ist. Dann ist der Schreck natürlich groß. Wir haben diese Situation einmal erlebt und mussten eine längere Pause einlegen, in der sich der Bär beruhigen konnte, ehe er bereit war, das Gehege überhaupt noch einmal zu betreten.
Durch die Wiederholung der Klatsch-Lektion lernen die Tiere, dass der Zaun etwas ist, von dem sie unbedingt Abstand halten sollten. Sobald die Konditionierung sicher verankert ist, darf der Malaienbär in das große Gehege umziehen.
Wie das Sicherheitstraining “unserer” geretteten Malaienbären weitergeht, lesen Sie in den nächsten Tagen im zweiten Teil des Artikels.