Unter den Orang-Utan-Kindern gibt es ganz unterschiedliche Charaktere, genau wie bei uns Menschen: Es gibt schüchterne und kontaktfreudige, ängstliche und mutige, manche tun sich leicht mit Veränderungen und andere brauchen viel Unterstützung. Das konnten wir gerade wieder miterleben, als vier kleine Orang-Utans vom Waldkindergarten in die erste Klasse der Waldschule wechseln durften. War das eine Aufregung!
Ende 2024 war für Baimah und Feruza der große Tag gekommen: Ihre Entwicklung im Waldkindergarten zeigte deutlich, dass die beiden Vierjährigen bereit waren für den nächsten Schritt – die Waldschule. Hier lernen die jungen Orang-Utans in vielen spielerischen Lektionen all die Dinge, die sie für ihr künftiges Leben in Freiheit brauchen, von der Futtersuche über Gefahren im Regenwald wie etwa Schlangen bis hin zur hohen Kunst des Schlafnestbaus.
Für Baimah waren die ersten Schultage sehr, sehr aufregend. Zum Wechsel in die Waldschule gehört zunächst der Umzug in eine neue Unterkunft. Bei ihrer Ankunft wirkte die Vierjährige verängstigt und zitterte, erzählt ihre Ersatzmutter. Weinend klammerte sich Baimah an ihre Ersatzmama, die sie liebevoll festhielt und ihr die Sicherheit gab, die sie in dem Moment brauchte.
Orang-Utan-Mädchen Feruza hilft ihrer Freundin Baimah
Und noch jemand war an Baimahs Seite: Freundin Feruza! Trotz ihrer traumatischen Vorgeschichte – als Baby musste sie den Tod ihrer Mutter durch eine Wildererfalle miterleben – hat sich Feruza zu einer echten Überfliegerin in der BOS-Babygruppe entwickelt. Sie ist sehr klug und schaut sich Neues und Unbekanntes ganz ohne Berührungsängste an. So hat sich Feruza bereits im Waldkindergarten zu einem eigenständigen und aktiven Individuum entwickelt und war ihren Altersgenossen bald ein Stück voraus.

Auch beim Wechsel in die Waldschule zeigte sich Feruza gelassen, selbstbewusst und neugierig. Schnell sozialisierte sie sich mit Ruby, mit der die beiden Neuankömmlinge die Unterkunft teilen, und ermutigte Freundin Baimah, sich ihnen anzuschließen. Nach einer Weile wagte sich Baimah vom Arm ihrer Ersatzmutter herunter und hatte am dritten Tag ihre Angst so weit abgelegt, dass sie nicht mehr weinte, wenn sich ihre Ersatzmama für einen Moment entfernte.
Die Eingewöhnung ist geschafft, der Unterricht kann beginnen
Jetzt konnte Baimah anfangen, zusammen mit Feruza die neuen Möglichkeiten zu genießen, die das Waldschulgelände bietet: mehr Platz und viele neue Lern-Spiele!
Anfang 2025 durften auch Galaksi und Otan in die erste Klasse der Waldschule wechseln. Für die beiden war der Wechsel einfacher, denn ihre Kindergarten-Freunde Baimah und Feruza waren ja schon da und inzwischen eingewöhnt. Und so dauerte es auch nicht lange, da waren die beiden in der neuen Umgebung angekommen. Während Otan sofort wieder ins Spiel mit Baimah und Feruza eintauchte, freundete sich Galaksi mit den etwas älteren Waldschülern Ecky und Frank an. Auch Ruby blüht neben ihren neuen Klassenkameradinnen auf: Die Babysitterinnen berichten, dass sie viel selbstbewusster geworden ist und sich im Spiel und bei den Waldschullektionen mehr zutraut.

Die Entwicklung der Waldschüler wird vom BOS-Team ganz genau beobachtet und protokolliert. Das Monitoring umfasst acht Kategorien, die für das spätere Leben der jungen Orang-Utans in freier Wildbahn essentiell sind – darunter die fein- und grobmotorischen Fähigkeiten, ihre körperliche Aktivität, Vielseitigkeit der Ernährung, Nestbau und Sozialverhalten. Anhand der Protokolle wird entschieden, wann ein Orang-Utan so viel gelernt hat, dass er oder sie in die nächste Waldschulklasse versetzt werden kann.
Genaues Monitoring: Was lernen die Orang-Utans in der Waldschule?
Beispiel Ernährung: Welche Früchte, Blätter, Wurzeln und Insekten sind essbar und welche gefährlich oder sogar giftig? Wo findet und woran erkennt man sie? Und wie fängt, pflückt, schält oder macht man sie sich anderweitig zugänglich? All diese Dinge würden die Orang-Utan-Kinder normalerweise von ihren Müttern lernen. Jetzt übernehmen die BOS-Babysitterinnen diese Aufgabe.
Soziales Lernen bei Orang-Utans: Ruby, Ecky, Baimah und Feruza
Sie protokollierten in den vergangenen Wochen, dass Ruby, die im Kindergarten drei bis vier verschiedene Obstsorten aß (ergänzt um ihre regelmäßige Portion Babymilch) in der Waldschule bereits acht Futtersorten kennengelernt hat. Die deutlich ältere Ecky, die schon seit 2020 in die Waldschule geht, ist bei 17 verschiedenen Nahrungsquellen angekommen. Und Baimah und Feruza, die erst seit wenigen Monaten in die Waldschule gehen, erkennen ebenfalls schon 13 bis 14 verschiedene Futtersorten. Ein phantastischer Fortschritt!
Wir sind ganz schön stolz auf die neuen Erstklässlerinnen und Erstklässler. Sie sind gut angekommen in der Waldschule. Tag für Tag lernen die jungen Orang-Utans neue Dinge, die sie ein Stück näher bringen an das große Ziel, das wir bei BOS uns gesetzt haben: ihre Auswilderung in geschützte Regenwälder, um die vom Aussterben bedrohte Art zu erhalten.
Möchten Sie unsere Arbeit unterstützen? Als Orang-Utan-Pate bekommen Sie regelmäßig ganz persönliche Einblicke in die Fortschritte ihres Patenkindes in der Waldschule!