Genau wie bei Menschenkindern, so haben auch Orang-Utans ganz individuelle Charaktere und Eigenschaften. In unserer Waldschule gibt es mutige, schüchterne, besonders anhängliche und verschmuste, ängstliche, freche und neugierige Kinder. Und es gibt zwei Orang-Utans, die trotz ihres noch sehr jungen Alters bereits einen ausgeprägten Freiheitsdrang und große Unabhängigkeit beweisen: die dreijährige Temon und der vierjährige Lahei.
Ihre Babysitterinnen und Ersatzmütter wissen ganz genau: Die beiden verbringen ihre Zeit am liebsten weit oben in den Bäumen und tief im Wald, wo sie hangeln und klettern üben und nach wilden Früchten und Leckereien suchen. Manchmal dürfen die beiden sogar schon über Nacht im Wald bleiben, denn auch Schlafnester können die beiden schon richtig gut bauen, während ihre gleichaltrigen Klassenkameraden zurück in ihre Schlafgehege gebracht werden.

Am nächsten Morgen stoßen die beiden dann zur nächsten Waldschul-Lektion wieder zu ihren Artgenossen. Falls die beiden Frühaufsteher nicht schon total vertieft sind in ihre eigenen Entdeckungen und Geschicklichkeitsübungen.
Wenn Temon und Lahei am Abend gemeinsam mit den anderen Orang-Utan-Kindern den Wald verlassen und ins Gehege zurückkehren sollen, dann klappt das nur, wenn ihre Ersatzmütter sie mit Milch oder einer Extraportion Obst locken. Eigentlich möchten die beiden nämlich jede Nacht im Wald bleiben. Schließlich sind sie ja schon sooooooo groß! Und im Gehege ist es langweilig!
Eines Abends war Lahei nicht aufzufinden, als die Babysitterinnen ihre Schützlinge um sich versammelten, um zu den Gehegen zurückzukehren. Wirklich überrascht waren Laheis Ersatzmamas nicht. Wenn ein Orang-Utan aus der Klasse fehlen würde, dann wäre das Lahei oder Temon – ganz klar. Aber natürlich waren sie trotzdem besorgt. Schließlich ist der kleine Racker noch ein Kind!
Die Babysitter suchen verzweifelt Orang-Utan-Kind Lahei
Nachdem sie aufgeregt alles abgesucht, seinen Lieblings-Schlafbaum kontrolliert und Lahei immer wieder gerufen und mit Leckereien gelockt hatten, mussten sie aufgeben, um die restlichen Orang-Utan-Kinder vor Einbruch der Dunkelheit nach Hause zu bringen.

Auch am nächsten Morgen blieb Lahei verschwunden. Und am darauffolgenden Tag fehlte Temon ebenfalls, als die Waldschulgruppe am Abend zusammenkam.
Jetzt war die Panik natürlich richtig groß. Waren die beiden kleinen Abenteurer gemeinsam durchgebrannt? Wohin? Für wie lange würden sie sich ganz alleine im Wald behaupten können? Und würde unser Team sie rechtzeitig finden, ehe ihnen etwas zustieße?
Denn eines war klar: Im Alter von drei und vier Jahren sind Temon und Lahei noch lange nicht so weit, eigenständig im Regenwald zu überleben!
Zehn Tage lang blieben Temon und Lahei verschwunden
Selbst Orang-Utan-Kinder, die bei ihren Müttern in freier Wildbahn aufwachsen, beginnen erst im Alter von etwa sechs Jahren sich abzunabeln. Über einen Zeitraum von mehreren Jahren entwickeln sie eine immer größere Unabhängigkeit und entfernen sich stückweise immer länger und weiter von ihren Müttern. Erst im Alter von etwa acht Jahren ist der Nachwuchs bereit, tatsächlich eigenständig im Regenwald zurecht zu kommen. Dann trennen sich die Wege von Mutter und Kind.
Am Abend des zehnten Tages nach Laheis Verschwinden passierte das Wunder. Die Babysitterinnen versammelten gerade ihre Schützlinge um sich, da raschelte es in den Bäumen über ihnen. Wer konnte das sein? Ein schneller Blick über die Schar kleiner Orang-Utans. Schnell nochmal durchzählen. Nein, da fehlte niemand… außer: Temon und Lahei!
Und tatsächlich: Es waren die beiden Abenteurer. Doch noch konnten die Babysitterinnen nicht erleichtert aufatmen. Denn die beiden Orang-Utan-Kinder verhielten sich äußerst zögerlich, als überlegten sie noch, ob sie sich den anderen wieder anschließen wollten.
Zum Glück funktionierte der bewährte Trick: Die Babysitterinnen holten einige Stücke Obst hervor und lockten die beiden Kinder damit. Temon ließ sich nicht lange bitten und kaum hatte sie die Frucht gegriffen, nahm ihre Ersatzmama sie an die Hand. Lahei hingegen spielte noch ein bisschen Fang-mich-doch mit ihrer Ersatzmutter, bis diese ihn schließlich schnappen und auf den Arm nehmen konnte.

Am folgenden Tag durften Temon und Lahei nicht sofort wieder die Waldschule besuchen, sondern mussten in ihren Gehegen bleiben. So wollten die Babysitterinnen sicher stellen, dass die beiden nicht sofort wieder auf Wanderschaft gehen würden. Und natürlich mussten die beiden gründlich untersucht werden, ob sie denn gesund und ohne Blessuren wiedergekommen waren. Glücklicherweise war das große Abenteuer der beiden Kleinen glimpflich ausgegangen.
Als Temon und Lahei den ersten Tag zurück in die Waldschule durften und quietschvergnügt mit ihren Artgenossen durch die Bäume tobten, verspürte Ersatzmama Ibu Sri aber auch einen gewissen Stolz auf ihre Schützlinge, erzählt sie. Denn so groß der Schreck auch war, den die beiden ihr eingejagt hatten: Temon und Lahei haben auf ihrem Ausflug bewiesen, wie viel sie bereits in der Waldschule gelernt haben. Das macht Ibu Sri und das gesamte Team des Rettungszentrums sehr zuversichtlich, dass die beiden Orang-Utans in nicht allzu ferner Zukunft ausgewildert werden und dann tatsächlich frei und wild im Regenwald leben können. Vorher jedoch müssen sie noch ein bisschen älter und natürlich groß und stark werden!
Möchten Sie Temon und Lahei dabei unterstützen? Wie wäre es mit einer extra Portion Milch, einer Vitaminkur oder Lehrmaterialen für die Waldschule, die Sie in unserem Spendenkaufhaus erwerben können?