Er war eine Ikone. Als ältester Orang-Utan in unserer Obhut, nahm er einen ganz besonderen Platz in unseren Herzen ein – und wird diesen auch weiterhin innehalten. Mit großer Trauer müssen wir dennoch verkünden, dass unser geliebter Romeo, im Alter von 38 Jahre, gestorben ist.
Dabei hatte sein richtiges Leben doch gefühlt gerade erst begonnen. 1993 wurde er aus einem taiwanesischen Zoo zu uns gebracht. Da war er bereits sechs bis sieben Jahre alt. Sein ganzes junges Leben hatte er nichts anderes gekannt als diesen Zoo.
Der große Schicksalsschlag
In unserer Rettungsstation kam dann der nächste große Schicksalsschlag. Wir diagnostizierten eine Hepatitis B‑Infektion: Unheilbar und hochgradig ansteckend.
Nach damaligem wissenschaftlichen Erkenntnisstand blieb uns nichts anderes übrig, als Romeo in einem Einzelgehege zu isolieren. Wir mussten einfach unsere anderen Schützlinge vor einer Hepatitis B‑Infektion beschützen. Und natürlich taten wir alles dafür, um Romeos Leben so angenehm wie möglich zu gestalten. Täglich vertrieben wir ihm die Langeweile, indem wir ihn mit Enrichment Tools (z.B. Eisbälle, in denen Früchte eingefroren wurden, mit Löchern präparierte Holzschachteln, in Bananenblätter verschnürte Leckereien u.ä.) auf Trab hielten.
Doch es machte unser Herz schwer, Romeo nach seinen Erfahrungen im Zoo, weiter hinter Gittern sehen zu müssen. Für Daniel Merdes, Geschäftsführer von BOS Deutschland, war die Begegnung mit Romeo prägend. 2015 besuchte er erstmalig das Schutzzentrum Samboja Lestari. Noch ganz entzückt vom Anblick der quirligen Orang-Utan-Schüler in der Waldschule lernte er im nächsten Schritt Romeo kennen. „Seine Augen waren ohne Glanz und voller Hoffnungslosigkeit. Von uns Menschen erwartete er außer seiner täglichen Nahrung nichts Gutes mehr.“
Romeo war ein Orang-Utan, der bereits alles erlebt hatte und an nichts mehr glaubte. Ein Schlüsselmoment für Daniel Merdes, der ihn über viele Jahre hinweg im Einsatz für die Orang-Utans trug.
Die große Wende
Kurze Zeit später kam dann die große Wende für diesen besonderen Orang-Utan. Wissenschaftler hatten herausgefunden, das Hepatitis B keine Gefahr für die Tiere darstellte, sondern im Gegenteil in der Natur sogar häufig vorkäme. Sofort setzten wir alles in Bewegung. Romeo verdiente nichts mehr, als endlich das Gras unter seinen Füßen und die Sonne auf seinem Fell zu spüren. In einem großen Kraftakt bauten wir eine eigene Insel für Romeo aus. Nach knapp 24 Jahren Gefangenschaft war es für Romeo zu spät, den Rehabilitationsprozess zu starten. Aber es sollte nicht zu spät für ihn sein, unter freiem Himmel aufzuwachen und einzuschlafen.
2017 schließlich zog Romeo in sein neues, extra für ihn geschaffenes, Reich auf der Insel Nr. 5 in Samboja Lestari um. Hier gab es Fütterungsplattformen, Seile, Kletterhilfen und alles, was ihm den Alltag zwar angenehm, aber nicht langweilig gestaltete. Und plötzlich war da Leben in seinen Augen.
Plötzlich gab es Hoffnung
Sieben Jahre lang durfte Romeo dieses viel zu späte Glück für sich genießen. Gerade erst im Juni konnten unsere Schutzpatrone auf einer Reise zu unseren Orang-Utans sich selbst davon überzeugen, wie sehr Romeo aufgeblüht war. Majestätisch und lautstark schwang sich dieser inzwischen 38-jährige Orang-Utan auf seiner Insel am Flussufer von Ast zu Ast. Es war ein ergreifendes Spektakel. Und es zeigte, dass der Orang-Utan, der einige Jahre zuvor noch teilnahmslos durch die Gitterstäbe seines Geheges geschaut hatte, nicht mehr da war. Das hier war ein neuer Romeo. Ein Romeo der endlich leben durfte. Viel zu kurz war ihm dieses Leben vergönnt gewesen. Plötzlich versagte sein Herz. Er war ein Urgestein unseres Rettungszentrum. Alle haben ihn gekannt und geliebt. Und er wird uns allen so sehr fehlen.
Mach es gut, Romeo. In unseren Herzen und Erinnerungen lebst Du weiter.