23. Oktober 2025
nicht-auswilderbares Orang-Utan Männchen Jeffrey

Es waren zwei Königskinder…im BOS-Rettungszentrum

Auf benach­barten Inseln haben zwei Orang-Utans, die zu unseren nicht-auswil­der­baren Schütz­lingen gehören, eine unge­wöhn­liche Bezie­hung zuein­ander entwi­ckelt. Eine lange Zeit konnten sich Jeffrey und Lesley nur über das Wasser hinweg sehen. Doch dann wird eine neue Insel bezugs­fertig und die beiden dürfen gemeinsam umziehen. Was dann geschieht, ist auch für die BOS-Pfleger etwas Besonderes.

Lesley ist ein Orang-Utan-Weib­chen, das wir im Januar 2012 in unserem Rettungs­zen­trum in Samboja Lestari aufge­nommen haben. Damals war sie etwa zwei oder drei Jahre alt. Leider konnte sie in der Wald­schule nicht die Fähig­keiten entwi­ckeln, die sie für ein selbst­stän­diges Leben im Regen­wald benö­tigt. Aber auf den dicht bewach­senen Inseln von Samboja Lestari kann sie ein freies und nahezu wildes Leben führen, wenn auch in einem begrenz­teren Revier als in freier Wild­bahn. Dafür mit der Fürsorge der BOS-Pfleger.

nicht-auswilderbares Orang-Utan Weibchen Lesley
Lesley hat schon auf verschie­denen Inseln gelebt

Eine ganze Zeit lang lebte Lesley auf Insel Nummer 3, die sie zuletzt mit dem Weib­chen Aludora und dem domi­nanten Männ­chen Rambo teilte. Die Insel-WG war aller­dings keine ideale Beset­zung: Die beiden Weib­chen hielten stets Abstand zu Rambo und während der Fütte­rungs­zeit versuchte Aludora Lesley aus dem Weg zu gehen. Denn Lesley hat zwar immer großen Hunger, mag aber kein Gemüse – Obst dafür umso lieber und das schnappte sie dann gerne Aludora weg.

Lesley darf auf Insel Nummer 0 umziehen – und damit verän­dert sich alles

Im Februar 2025 wurde die WG schließ­lich aufge­löst. Aludora und Rambo mussten für eine medi­zi­ni­sche Routi­ne­un­ter­su­chung in die Klinik des Rettungs­zen­trums gebracht werden. Bei dieser Gele­gen­heit durfte Lesley dann auf Insel Nummer 0 umziehen. Und damit verän­derte sich alles.

nicht-auswilderbares Orang-Utan Männchen Jeffrey
Jeffrey ist ein präch­tiges Männ­chen mit Back­wülsten und dichtem Haar

In Sicht­weite von Insel Nummer 0 liegt Nummer 12A, auf der der 27-jährige Jeffrey lebt: ein präch­tiges Männ­chen mit Backen­wülsten und dichtem, langem Haar. Auf den ersten Blick würde man nicht vermuten, dass Jeffrey zu unseren Sorgen­kin­dern gehört. Er wurde 1998 im BOS-Schutz­zen­trum Wana­riset – dem Vorgänger von Samboja Lestari – geboren und hatte sich bei seiner Mutter mit Hepa­titis B infi­ziert. Gemeinsam mit ihr musste er viele Jahre in einem Quaran­tä­ne­kom­plex leben. So hatte Jeffrey leider nie die Gele­gen­heit, wich­tige Über­le­bens­fä­hig­keiten zu erlernen.
Jahre später stellte sich dank neuer wissen­schaft­li­cher Erkennt­nisse heraus, dass Jeffreys Hepa­titis B zur harm­losen Vari­ante des Virus gehört. Im Jahr 2019 wurde bei ihm außerdem eine Hüft­dys­plasie fest­ge­stellt. Diese konnte jedoch mithilfe eines erfah­renen „Menschen-Ortho­päden“ operiert werden und verheilte gut.

Ein chro­nisch kranker Orang-Utan findet neuen Lebensmut

Heute geht es Jeffrey den Umständen entspre­chend gut. Wir werden ihn zwar nie auswil­dern können, doch auf den Inseln von Samboja Lestari kann er ein artge­rechtes Leben führen. Ein Lieb­lingsort von Jeffrey ist der Strand von Insel Nummer 12 A. Und dort entdeckte er Lesley, nachdem sie auf die Nach­bar­insel umge­zogen war. Und auch Lesley wurde auf Jeffrey aufmerksam – und suchte daraufhin immer wieder den Strand ihrer Insel auf.

Obwohl zwischen beiden Inseln ein breiter Streifen Wasser liegt, haben die Lebens­welten der beiden Orang-Utans sich ange­nä­hert.
In den stillen Stunden des Tages konnte man sie oft an den äußersten Rändern ihrer Inseln sehen, einander aus der Ferne zuge­wandt. Und wenn die Fütte­rungs­zeit kam, standen sie beide gut sichtbar da – als wollten sie sicher­stellen, dass der andere noch da war. Es war ein stilles Ritual, eine kleine Verbin­dung, die den Pfle­gern nicht entging.

Lesley und Jeffrey: Gegen­sätze ziehen sich an

Als Insel 1–2 bereit war für neue Bewohner, entschied das Team, dass es für die beiden Zeit für eine Verän­de­rung war. Am 2. Juni 2025 durfte zunächst Lesley in ihr neues Zuhause umziehen; Jeffrey folgte eine Woche später, am 10. Juni.

nicht-auswilderbares Orang-Utan Weibchen Lesley
Die aben­teu­er­lus­tige Lesley erkundet die Insel

Die Insel ist groß und in ihrem Inneren mit dichtem Wald bewachsen. Sie bietet ihren Bewoh­nern viele Rück­zugs­mög­lich­keiten. Doch Lesley und Jeffrey entschieden sich für die Gesell­schaft des jeweils anderen. Es fühlte sich wie ein stilles Wieder­sehen an.
Nun muss man wissen, dass Lesley und Jeffrey sich in ihrem Wesen deut­lich unter­scheiden. Das ist bei Orang-Utans wie bei uns Menschen: Es gibt ganz unter­schied­liche Persön­lich­keiten. Während Lesley ein eher aben­teu­er­lus­tiger Orang-Utan ist, braucht Jeffrey viel Ruhe.
Und so trieb Lesleys Neugierde sie nach einiger Zeit fort von Jeffrey. Sie wollte offen­kundig die Insel erkunden, streifte fast durch jede Ecke ihres neuen Zuhauses. Aktuell beob­achten die Pfleger sie häufig auf der gegen­über­lie­genden Seite der Insel, wo der Ausblick ein anderer ist, Insel 12B im Sichtfeld.

Zwei nicht-auswil­der­bare Orang-Utans finden Frieden auf der Insel

Zur Fütte­rungs­zeit jedoch kommt sie oft zu Jeffrey zurück. Gemeinsam fressen sie eine Weile, Lesley knab­berte zufrieden an der Seite ihres Gefährten, bevor sie wieder zu ihrem neuen Lieb­lings­platz zurückkehrte.

nicht-auswilderbares Orang-Utan Männchen Jeffrey
Jeffrey führt ein ruhiges Leben auf der Insel

Und Jeffrey? Ist zufrieden damit, auf einer Seite der Insel zu bleiben. Oft liegt er entspannt auf seiner Lieb­lings­platt­form und beob­achtet die Welt.
In vielerlei Hinsicht sind Jeffrey und Lesley Gegen­sätze – der eine ruhig und beständig, die andere neugierig und rastlos. Doch genau diese Unter­schiede scheinen ihnen gutzutun. Sie brau­chen keine stän­dige Nähe, um ihre Bindung zu teilen. Auf ihre ganz eigene, stille Weise haben Jeffrey und Lesley Frieden gefunden auf Insel 1–2. Zwei Leben, einst getrennt durch Wasser, die nun denselben Boden teilen, unter demselben Himmel.

Etwa 170 Orang-Utans in unseren beiden Rettungs­zen­tren sind nicht auswil­derbar. Mit Ihrer Spende helfen Sie uns, auch diesen Tieren ein würdiges Leben zu ermög­li­chen.