Anfang Januar hatten wir bereits von einer weiteren Baby-Rettung berichtet: Die kleine Jenny war fünf Monate lang illegal als Haustier gehalten worden, ehe sie befreit werden konnte. Nun erreichen uns weitere Details aus dieser Zeit, die das Orang-Utan-Mädchen nach dem Verlust ihrer Mutter in Gefangenschaft verbrachte.
Es ist immer eine bittersüße Nachricht, wenn wir ein Orang-Utan-Waisenkind in unserem Rettungszentrum aufnehmen. Einerseits sind wir froh, dass ein Tier gerettet werden konnte und nun eine zweite Chance erhält, irgendwann als wilder Orang-Utan im Regenwald von Borneo zu leben. Andererseits hat jedes mutterlose Baby traumatische Erfahrungen gemacht, wurde vielleicht sogar verletzt oder ist krank. So wie die kleine Jenny, die fünf Monate lang illegal als Haustier gehalten wurde.
Erst jetzt erreichen uns Einzelheiten davon, unter welchen Bedingungen Jenny gerettet werden konnte. Denn als Erste vor Ort war die indonesische Naturschutzbehörde BKSDA Kalimantan Timur, die die Kleine am Tag darauf in unser Rettungszentrum Samboja Lestari brachte.

Ein Dorfbewohner hatte das Baby nach eigenen Angaben mutterlos auf seiner Ölpalmenplantage gefunden. Er hielt es für einen Makaken und nahm es mit zu sich nach Hause, weil er das hilflose Tier nicht sich selbst und damit dem sicheren Tod überlassen wollte.
Lieber Tee statt Milch
Die Familie fütterte das Baby zunächst mit Milch. Doch weil diese sehr teuer ist, wechselten sie bald zu Tee. Daraus entwickelte die kleine Jenny eine Angewohnheit, die unser Team im Rettungszentrum ihr nur sehr schwer wieder abgewöhnen kann. Denn das Orang-Utan-Baby fordert seinen Tee sehr nachdrücklich ein. Und bekommt schlechte Laune, wenn wir ihm stattdessen ein Fläschchen Milch anbieten – die übliche Nahrung für Babys ihres Alters.

Jennys Diät während ihrer Zeit in der Menschenfamilie bestand außerdem aus Reis, Brot und gelegentlich Bananen. Bis auf das Obst sind auch dies keine Lebensmittel, die auf dem natürlichen Speiseplan von Orang-Utans stehen.
Glücklicherweise hat Jenny keine Schäden durch ihre Fehl- und Mangelernährung davongetragen. In den erfahrenen Händen unseres Teams wird sie nun aufgepäppelt und Stück für Stück auf geeignetes Futter wie frische Knospen und Blätter sowie Obst und vor allem Milch umgewöhnt.
Lernen, ein Orang-Utan zu sein
Mehr Sorgen bereitet uns, dass das Orang-Utan-Mädchen fünf Monate lang sozusagen als Familienmitglied unter Menschen gelebt hat. Denn unser Ziel ist es, einen geretteten Orang-Utan so weit zu rehabilitieren, dass wir ihn irgendwann auswildern können. Dazu gehört eine natürliche Scheu vor Menschen. Auf keinen Fall sollten wilde Orang-Utans die Nähe von Menschen suchen.

Jenny wurde nun in einem Alter gefunden, in dem Orang-Utan-Kinder normalerweise unzertrennlich mit ihren Müttern zusammen sind und sich die meiste Zeit in ihr Fell kuscheln. Wenig überraschend also, dass die verängstigte Jenny Körperkontakt suchte. Sie zeigte keinerlei Aggressivität, berichtet der Dorfbewohner, der sie mit zu sich nach Hause genommen hatte. Daher durfte die Kleine sogar im Bett der Familie schlafen. Ab und zu durfte sie draußen spielen und versuchte seinen Angaben nach nicht etwa sich zu entfernen, sondern übte sich im Klettern und pflückte essbare Blätter. Diese Beobachtung macht uns Hoffnung: Offenbar hatte die Mutter der Kleinen schon das ein oder andere beibringen können!
Und warum wurde Jenny ganze fünf Monate gefangen gehalten?
Orang-Utans sind uns Menschen sehr ähnlich (wir teilen 97 Prozent DNA) und Orang-Utan-Babys wecken in uns Menschen ganz automatisch Mutterinstinkte. Die Versuchung ist daher groß, ein mutterlos aufgefundenes Tier zu behalten – zumindest, solange es klein und niedlich ist. Auch auf dem Schwarzmarkt des illegalen Wildtierhandels sind Orang-Utans außerordentlich begehrt.
Der Dorfbewohner erzählte der Naturschutzbehörde, er hätte Jenny für einen Makaken gehalten. Erst als ein Nachbar ihn darauf aufmerksam machte, dass es sich um einen Orang-Utan handelt – eine geschützte und vom Aussterben bedrohte Art – informierte der Mann die Behörde. Aber auch das nicht sofort, denn er wusste zunächst nicht, an wen er sich in einem solchen Fall wenden sollte.
Für uns steht fest: Wir sind dankbar über jedes Tier, das gerettet werden kann! Wir sind froh, dass der Mann schließlich Hilfe geholt hat. Und wir arbeiten weiterhin daran, über Orang-Utans aufzuklären und wie wir die letzten ihrer Art schützen können – hier in Deutschland ebenso wie in den entlegensten Dörfern auf Borneo.
Nachdem Jenny am 3. Januar in unserem Rettungszentrum angekommen war, wollte sie sofort auf den Arm genommen werden. Sie wirkte verängstigt und kuschelte sich tief in die Arme ihrer Ersatzmutter. Derart beschützt und beruhigt, ließ sie sich dann gründlich untersuchen: Unsere Tierärzte checkten sie von Kopf bis Fuß durch, nahmen ihr Blut ab und kontrollierten das Gebiss. Danach wurde sie gebadet und in die Quarantäne-Station aufgenommen.

Drei Monate muss Jenny in der Quarantäne verbringen. Wenn alles gut geht. Das heißt: wenn sich keine ansteckenden Krankheiten oder andere Komplikationen zeigen, darf die kleine Jenny Anfang April zu den anderen Kindern in den Waldkindergarten. Wir drücken ihr die Daumen!
Möchten Sie die Arbeit von BOS unterstützen und Orang-Utan-Kindern wie Jenny eine zweite Chance schenken? Jede Spende hilft!