6. Februar 2025
Orang-Utan-Baby Jenny in Gefangenschaft

Fünf Monate als Haus­tier: Was Jenny erlebte

Anfang Januar hatten wir bereits von einer weiteren Baby-Rettung berichtet: Die kleine Jenny war fünf Monate lang illegal als Haus­tier gehalten worden, ehe sie befreit werden konnte. Nun errei­chen uns weitere Details aus dieser Zeit, die das Orang-Utan-Mädchen nach dem Verlust ihrer Mutter in Gefan­gen­schaft verbrachte.

Es ist immer eine bitter­süße Nach­richt, wenn wir ein Orang-Utan-Waisen­kind in unserem Rettungs­zen­trum aufnehmen. Einer­seits sind wir froh, dass ein Tier gerettet werden konnte und nun eine zweite Chance erhält, irgend­wann als wilder Orang-Utan im Regen­wald von Borneo zu leben. Ande­rer­seits hat jedes mutter­lose Baby trau­ma­ti­sche Erfah­rungen gemacht, wurde viel­leicht sogar verletzt oder ist krank. So wie die kleine Jenny, die fünf Monate lang illegal als Haus­tier gehalten wurde.

Erst jetzt errei­chen uns Einzel­heiten davon, unter welchen Bedin­gungen Jenny gerettet werden konnte. Denn als Erste vor Ort war die indo­ne­si­sche Natur­schutz­be­hörde BKSDA Kali­mantan Timur, die die Kleine am Tag darauf in unser Rettungs­zen­trum Samboja Lestari brachte.

Orang-Utan-Baby Jenny in Samboja Lestari
Mitar­beiter der BKSDA Kali­mantan Timur über­gaben Jenny an unser Team in Samboja Lestari

Ein Dorf­be­wohner hatte das Baby nach eigenen Angaben mutterlos auf seiner Ölpal­men­plan­tage gefunden. Er hielt es für einen Makaken und nahm es mit zu sich nach Hause, weil er das hilf­lose Tier nicht sich selbst und damit dem sicheren Tod über­lassen wollte.

Lieber Tee statt Milch

Die Familie fütterte das Baby zunächst mit Milch. Doch weil diese sehr teuer ist, wech­selten sie bald zu Tee. Daraus entwi­ckelte die kleine Jenny eine Ange­wohn­heit, die unser Team im Rettungs­zen­trum ihr nur sehr schwer wieder abge­wöhnen kann. Denn das Orang-Utan-Baby fordert seinen Tee sehr nach­drück­lich ein. Und bekommt schlechte Laune, wenn wir ihm statt­dessen ein Fläsch­chen Milch anbieten – die übliche Nahrung für Babys ihres Alters.

Orang-Utan-Baby Jenny in Samboja Lestari
Auf ihr Milch­fläsch­chen hat Jenny wenig Lust. Sie hätte lieber Tee. Eine Nach­wir­kung aus ihrer Zeit in Gefangenschaft

Jennys Diät während ihrer Zeit in der Menschen­fa­milie bestand außerdem aus Reis, Brot und gele­gent­lich Bananen. Bis auf das Obst sind auch dies keine Lebens­mittel, die auf dem natür­li­chen Spei­se­plan von Orang-Utans stehen.

Glück­li­cher­weise hat Jenny keine Schäden durch ihre Fehl- und Mangel­er­näh­rung davon­ge­tragen. In den erfah­renen Händen unseres Teams wird sie nun aufge­päp­pelt und Stück für Stück auf geeig­netes Futter wie frische Knospen und Blätter sowie Obst und vor allem Milch umgewöhnt.

Lernen, ein Orang-Utan zu sein

Mehr Sorgen bereitet uns, dass das Orang-Utan-Mädchen fünf Monate lang sozu­sagen als Fami­li­en­mit­glied unter Menschen gelebt hat. Denn unser Ziel ist es, einen geret­teten Orang-Utan so weit zu reha­bi­li­tieren, dass wir ihn irgend­wann auswil­dern können. Dazu gehört eine natür­liche Scheu vor Menschen. Auf keinen Fall sollten wilde Orang-Utans die Nähe von Menschen suchen.

Orang-Utan-Baby Jenny in Samboja Lestari
Jenny auf dem Schoß ihrer Baby­sit­terin in Samboja Lestari

Jenny wurde nun in einem Alter gefunden, in dem Orang-Utan-Kinder norma­ler­weise unzer­trenn­lich mit ihren Müttern zusammen sind und sich die meiste Zeit in ihr Fell kuscheln. Wenig über­ra­schend also, dass die verängs­tigte Jenny Körper­kon­takt suchte. Sie zeigte keinerlei Aggres­si­vität, berichtet der Dorf­be­wohner, der sie mit zu sich nach Hause genommen hatte. Daher durfte die Kleine sogar im Bett der Familie schlafen. Ab und zu durfte sie draußen spielen und versuchte seinen Angaben nach nicht etwa sich zu entfernen, sondern übte sich im Klet­tern und pflückte essbare Blätter. Diese Beob­ach­tung macht uns Hoff­nung: Offenbar hatte die Mutter der Kleinen schon das ein oder andere beibringen können!

Und warum wurde Jenny ganze fünf Monate gefangen gehalten?

Orang-Utans sind uns Menschen sehr ähnlich (wir teilen 97 Prozent DNA) und Orang-Utan-Babys wecken in uns Menschen ganz auto­ma­tisch Mutter­in­stinkte. Die Versu­chung ist daher groß, ein mutterlos aufge­fun­denes Tier zu behalten – zumin­dest, solange es klein und nied­lich ist. Auch auf dem Schwarz­markt des ille­galen Wild­tier­han­dels sind Orang-Utans außer­or­dent­lich begehrt.

Der Dorf­be­wohner erzählte der Natur­schutz­be­hörde, er hätte Jenny für einen Makaken gehalten. Erst als ein Nachbar ihn darauf aufmerksam machte, dass es sich um einen Orang-Utan handelt – eine geschützte und vom Aussterben bedrohte Art – infor­mierte der Mann die Behörde. Aber auch das nicht sofort, denn er wusste zunächst nicht, an wen er sich in einem solchen Fall wenden sollte.

Für uns steht fest: Wir sind dankbar über jedes Tier, das gerettet werden kann! Wir sind froh, dass der Mann schließ­lich Hilfe geholt hat. Und wir arbeiten weiterhin daran, über Orang-Utans aufzu­klären und wie wir die letzten ihrer Art schützen können – hier in Deutsch­land ebenso wie in den entle­gensten Dörfern auf Borneo.

Nachdem Jenny am 3. Januar in unserem Rettungs­zen­trum ange­kommen war, wollte sie sofort auf den Arm genommen werden. Sie wirkte verängs­tigt und kuschelte sich tief in die Arme ihrer Ersatz­mutter. Derart beschützt und beru­higt, ließ sie sich dann gründ­lich unter­su­chen: Unsere Tier­ärzte checkten sie von Kopf bis Fuß durch, nahmen ihr Blut ab und kontrol­lierten das Gebiss. Danach wurde sie gebadet und in die Quaran­täne-Station aufgenommen.

Orang-Utan-Baby Jenny in Samboja Lestari
Die medi­zi­ni­schen Unter­su­chungen ließ Jenny ganz tapfer über sich ergehen

Drei Monate muss Jenny in der Quaran­täne verbringen. Wenn alles gut geht. Das heißt: wenn sich keine anste­ckenden Krank­heiten oder andere Kompli­ka­tionen zeigen, darf die kleine Jenny Anfang April zu den anderen Kindern in den Wald­kin­der­garten. Wir drücken ihr die Daumen!

Möchten Sie die Arbeit von BOS unter­stützen und Orang-Utan-Kindern wie Jenny eine zweite Chance schenken? Jede Spende hilft!