5. Mai 2025
Orang-Utan-Waise in der BOS-Waldschule

Neue Studie: Orang-Utans im Zoo sind neugieriger

Eine neue Studie zeigt: Orang-Utans im Zoo erkunden ihre Umwelt inten­siver und viel­fäl­tiger als ihre wilden Artge­nossen.

Orang-Utans, die in Zoos leben, zeigen eine deut­lich höhere Neugier im Umgang mit ihrer Umwelt als ihre Artge­nossen in freier Wild­bahn. Das ist das zentrale Ergebnis einer neuen Verhal­tens­studie, in der über 12.000 Beob­ach­tungen soge­nannter „explo­ra­tiver Objekt­ma­ni­pu­la­tion“ (EOM) analy­siert wurden – ein Verhalten, das eng mit Lernen, Problem­lösen und kogni­tiver Entwick­lung verbunden ist.

Viel­fäl­tiger und komplexer Umgang mit Objekten im Zoo

Insge­samt wurden 51 Sumatra-Orang-Utans im Alter zwischen sechs Monaten und 76 Jahren unter­sucht – 33 Tiere im indo­ne­si­schen Regen­wald von Suaq Balim­bing und 24 in vier Zoos in Deutsch­land und der Schweiz. Die Zoo-Orang-Utans mani­pu­lierten häufiger, viel­fäl­tiger und mit größerer Komple­xität Gegen­stände in ihrer Umge­bung als ihre wilden Verwandten. Beson­ders auffällig: Sie nutzten öfter Werk­zeuge und konnten sogar mehrere Objekte gleich­zeitig erkunden.

Junger Sumatra-Orang-Utan
Einer der wilden Orang-Utans, der für die Studie beob­achtet wurde | Foto: S. Vilela

„Unsere Studie zeigt, dass Orang-Utans im Zoo nicht nur mehr erkunden, sondern dies auch auf andere Weise tun“, erklärt Dr. Isabelle Laumer, wissen­schaft­liche Bera­terin von BOS Deutsch­land und Erst­au­torin der Studie. „Beson­ders faszi­nie­rend ist, dass zoo-gehal­tene Orang-Utans selbst bei der Erkun­dung glei­cher Objekte ein brei­teres Reper­toire an Verhal­tens­weisen zeigten und häufiger Werk­zeuge nutzten oder mehrere Objekte gleich­zeitig manipulierten.“

Gleiche Entwick­lungs­schritte – aber längere Erkun­dungs­phase im Zoo

Inter­es­san­ter­weise begannen Orang-Utans in beiden Umge­bungen im glei­chen Alter mit explo­ra­tivem Verhalten. Dies weist auf eine ange­bo­rene Abfolge in der Entwick­lung hin. Aller­dings hörten wilde Orang-Utans oft kurz nach dem Abstillen mit inten­siver Objekt-Erkun­dung auf. Vermut­lich, weil Über­le­bens­stra­te­gien wie Nahrungs­suche und Wach­sam­keit mehr Raum einnahmen. In Zoos hingegen blieb die Neugier erhalten – auch im Erwachsenenalter.

Unter­schied­liche Umwelt, unter­schied­li­ches Verhalten

Während wilde Orang-Utans vor allem natür­liche Objekte wie Stöcke, Rinde oder Pflanzen erkun­deten, stand den Tieren in Zoos eine größere Auswahl an Beschäf­ti­gungs­ma­te­ria­lien zur Verfü­gung – darunter Plas­tik­spiel­zeug, Puzzle-Elemente und stapel­bare Gegen­stände, die speziell zur Förde­rung von Mani­pu­la­tion und kogni­tiver Akti­vität entwi­ckelt wurden.

Orang-Utan-Waisen in der BOS-Waldschule
In der BOS-Wald­schule können die Orang-Utan-Kinder ihre Neugier ausleben

Diese Unter­schiede zeigen eindrück­lich, wie stark Umwelt­fak­toren das Verhalten beein­flussen. „Diese Ergeb­nisse unter­strei­chen, wie stark die Umwelt das Verhalten und die kogni­tive Entwick­lung von Tieren beein­flusst“, sagt Dr. Caro­line Schuppli, Senior­au­torin der Studie. „Zugleich eröffnen sie einzig­ar­tige Chancen – durch den Vergleich von wilden und zoo-gehal­tenen Tieren können wir das volle kogni­tive Poten­zial einer Art besser verstehen.“ Kurz gesagt: Zoo-Tiere haben schlichtweg mehr Zeit und Energie, sich intensiv und neugierig mit ihrer Umwelt auseinanderzusetzen.

Erkennt­nisse für Forschung und Tierhaltung

Das Forschungs­team betont, dass der Vergleich zwischen wilden und in Gefan­gen­schaft lebenden Tieren wich­tige Einblicke in das kogni­tive Poten­zial von Orang-Utans ermög­licht. Gleich­zeitig machen die Ergeb­nisse deut­lich, wie stark Umwelt­be­din­gungen die Entwick­lung und das Verhalten von Tieren – ähnlich wie beim Menschen – prägen können.

Quelle:
Studie von Dr. Isabelle Laumer