Die Auswilderung eines Orang-Utans markiert für uns den Höhepunkt einer langen Rehabilitation. Im Fall von Runtu dauerte diese ganze 18 Jahre, denn die Orang-Utan-Dame hatte ihre Kindheit und Jugend in einem thailändischen Vergnügungspark verbracht. Sie war bereits fünfeinhalb Jahre alt, als sie aus diesem unwürdigen Leben befreit und in das BOS-Rettungszentrum Nyaru Menteng gebracht werden konnte.
Doch Runtu kämpfte sich Waldschullektion um Waldschullektion zurück ins Leben eines wilden Orang-Utans und bewies ihre Fähigkeiten auf der Vorauswilderungsinsel Salat Island.
Anfang November 2024 war es soweit: Im Bukit Baka Bukit Raya Nationalpark öffnete sich die Tür des Transportkäfigs. Als 23-Jährige kann Runtu nun das freie, wilde Leben fortsetzen, das ihr als Baby von Wildtierhändlern genommen wurde.
In einem Hollywood-Film wäre die Auswilderung das Happy End
Bei Runtu ist dies tatsächlich erst der Anfang einer wunderbaren Geschichte. Nach einer Auswilderung bleibt das Post-Release Monitoring (PRM) Team von BOS stets noch einige Wochen am Ort und beobachtet, wie die neuen Wilden sich in ihrem neuen Lebensraum zurechtfinden. Diese genaue Dokumentation des Verhaltens ist nicht nur wichtig, damit wir uns sicher sein können, dass es den rehabilitierten Orang-Utans gut geht. Die Erkenntnisse helfen uns auch dabei, unsere Arbeit stets weiter zu verbessern.
Runtu zeigte sich zunächst unentschlossen, nachdem sie ihren Transportkäfig verlassen hatte. Kurz kehrte sie zum Käfig und den dort wartenden Menschen zurück, zeigte dabei jedoch keine Aggressivität. Es schien fast, als wolle sie sich verabschieden und bedanken, ehe sie einen Baum hinaufkletterte, weit nach oben in die Wipfel. Das ist eine Angewohnheit, die unser Team schon von der Vorauswilderungsinsel kennt: Runtu hält sich am liebsten ganz oben, sozusagen im Penthouse des Regenwaldes, auf.
Orang-Utan-Männchen Happy beglückt Runtu
Dort fand sie kurze Zeit später Happy, ein 16-jähriges Orang-Utan-Männchen, der ebenfalls gerade den Auswilderungskäfig verlassen hatte. Die beiden kamen sich schnell näher, wurden bald beim Kopulieren beobachtet. Ein solches Verhalten ist ziemlich häufig unmittelbar nach der Auswilderung. Es scheint, als helfe es den Tieren, nach all der Aufregung und der langen Reise vom Rettungszentrum in den Auswilderungswald, Stress abzubauen.
In den nächsten Tagen folgte unser PRM-Team Runtu tiefer in den Wald hinein. Runtu hangelte sich weit oben durch die Baumwipfel und erkundete ihre neue Heimat mit sichtlichem Interesse und großer Mobilität, ohne Angst zu zeigen. Dabei bewegte sie sich kraftvoll durch das anspruchsvolle Terrain — der Bukit Baka Bukit Raya Nationalpark erstreckt sich über einen Teil des Schwanergebirges und ist durchzogen von Wasserläufen – und bewies ihre Anpassungsfähigkeit an den neuen Lebensraum.
Immer wieder wurde sie bei der Nahrungsaufnahme beobachtet, dabei sammelte die Orang-Utan-Dame ganz unterschiedliche Früchte, Blätter und andere Leckerbissen und bewies auch dadurch ihre Fähigkeit, sich in Freiheit bestens zurecht zu finden. Unser Team folgte Runtu auf bis zu 1.500 Meter Höhe und verlor sie zwischenzeitlich sogar aus den Augen, weil sie mit dem Tempo des Orang-Utans nicht Schritt halten konnten.
Runtu ist endlich zuhause, zurück im Regenwald
Einige Tage nach der Auswilderung kreuzten sich die Wege von Runtu und Happy erneut. Und eigentlich kann das im weitläufigen Nationalpark kein Zufall gewesen sein. Die beiden gingen abermals sehr freundlich miteinander um und unser PRM-Team konnte sie dabei beobachten, wie sie sich am Abend Schlafnester nebeneinander bauten und wieder kopulierten.
Unser Team ist vorsichtig optimistisch, dass Runtu nach den mehrfachen Begegnungen Nachwuchs erwarten könnte.
Wir wünschen Dir ein wunderbares Leben in Freiheit, Runtu! Du hast uns bewiesen, wie stark und resilient Orang-Utans sind und wie wirkungsvoll unser Rehabilitationsprogramm ist. Dass Du nach Deinem traumatischen Start ins Leben nicht aufgegeben hast, sondern heute als freier, wilder Orang-Utan im geschützten Regenwald leben kannst, grenzt an ein Wunder. Und wer weiß, vielleicht schenkst Du der Welt bald ein zweites, kleines Wunder?
Bitte unterstützen Sie unsere Arbeit zum Schutz der letzten ihrer Art: Jede Spende hilft und kommt den Orang-Utans zugute!