27. November 2024
Regenwald Indonesien Luftaufnahme BOS Deutschland

Sind wir geliefert?

Ein Rückblick auf die 29. Weltklimakonferenz

„Unsere Ölre­serven sind ein Geschenk Gottes!“ Dieser Satz des aser­bai­dscha­ni­schen Präsi­denten – Gast­geber der COP29 – hat von Anfang an einen Schatten auf die dies­jäh­rige Welt­kli­ma­kon­fe­renz geworfen. Die Zweifel, dass dieses Forum nur eine Thea­ter­in­sze­nie­rung ist und längst von Unter­neh­mens­in­ter­essen domi­niert wird, haben sich nach der bereits enttäu­schenden COP28 in Dubai noch weiter verstärkt.

Kein Wunder, dass namhafte Wissen­schaftler und Poli­tiker wie Johan Rock­ström, Mojib Latif oder der ehema­lige UN-Gene­ral­se­kretär Ban Ki-moon die Sinn­haf­tig­keit der COP in Frage stellen. Dies ist absolut berech­tigt, wenn man die Anzahl der Dele­gierten, die Kosten eines solchen Forums und das am Ende der zwei Wochen erzielte beschei­dene Ergebnis betrachtet.

Wer die Zeichen nicht sieht

Als hätten die immer verhee­ren­deren Natur­ka­ta­stro­phen nicht ausge­reicht, um die Mensch­heit zu über­zeugen, gab uns die Natur auch in diesem Jahr wieder deut­lich mahnende Zeichen. 2024 wird laut aktu­ellen Prognosen das heißeste Jahr der Welt­ge­schichte. Die höheren Tempe­ra­turen beschleu­nigen die Wind­strö­mungen über dem Atlan­ti­schen Ozean und führen dazu, dass ehemals tropi­sche Gewitter zu verhee­renden Hurri­kanen werden. Das sich aufhei­zende Mittel­meer entwi­ckelt sich laut Forschern immer mehr zu einem Pulver­fass, wodurch jeder­zeit kata­stro­phale Unwetter – wie zuletzt in Valencia – auftreten können.

Trotz der stei­genden Kosten der Klima­krise für Regie­rungen welt­weit, gelingt es uns nicht, unser gemein­sames Schicksal in die Hand zu nehmen. Und die Entwick­lung der Erder­wär­mung zu stoppen. Die globalen CO₂-Emis­sionen steigen weiter an. Laut dem Global Carbon Budget werden sie dieses Jahr einen neuen Rekord von 41,6 Giga­tonnen errei­chen. Bei derzei­tigem Ausstoß bleiben uns nur noch sechs Jahre, ehe die Erwär­mung die Marke von 1,5 °C über dem vorin­dus­tri­ellen Niveau überschreitet.

Feuer auf Borneo

Was wurde bei der COP 29 konkret erreicht?

Die COP29 wurde als „Finanz-COP“ ange­kün­digt: ein Gipfel, bei dem zwei Dutzend Indus­trie­länder – darunter die USA, Kanada und die reichsten euro­päi­schen Nationen – verspro­chen hatten, Ausgleichs­zah­lungen an Entwick­lungs­länder zu leisten. Für Schäden, die durch deren Wachstum und die damit verbun­denen Treib­haus­gas­emis­sionen in den zurück­lie­genden Jahr­zehnten verur­sacht wurden. Doch es gibt Kritik: Entwick­lungs­länder – ange­führt von einer Gruppe um Indien, Nigeria und Boli­vien – bemän­geln, dass das verab­schie­dete Abkommen über 300 Milli­arden Dollar jähr­lich bis 2035 völlig unzu­rei­chend sei und viel zu spät komme, statt echte Fort­schritte zu erzielen.

Schlimmer noch: Regie­rungen reicher Länder können sich ihrer Verant­wor­tung entziehen, indem sie sich auf Gelder privater Unter­nehmen und inter­na­tio­naler Kredit­geber stützen. Das von der aser­bai­dscha­ni­schen COP-Leitung durch­ge­setzte Klima­fi­nan­zie­rungs­ziel wird von armen Nationen als „Todes­ur­teil“ beschrieben. Denn es bedeutet das Ende für jene, die bereits unter stei­genden Meeres­spie­geln und verhee­renden Kosten zu leiden haben.

Dabei sollte eines klar sein: Es handelt sich nicht um „Wohl­tä­tig­keits­geld“. Denn wir sitzen alle im selben Boot. Und Klima­ka­ta­stro­phen machen nicht vor den Grenzen der EU oder der USA halt. Eine Studie der London School of Econo­mics (LSE) aus dem vergan­genen Jahr schätzt, dass den Ländern des globalen Südens bis 2050 etwa 192 Billionen Dollar zustehen würden – basie­rend auf dem Anteil am globalen „CO₂-Budget“, das vom globalen Norden verbraucht wurde.

Ist das 1,5‑Grad-Ziel noch erreichbar?

Die meisten Klima­wis­sen­schaftler halten es inzwi­schen für unrea­lis­tisch, die Erder­wär­mung auf 1,5 °C über dem vorin­dus­tri­ellen Niveau zu begrenzen. Selbst wenn alle Länder der Welt ihre derzei­tigen Verpflich­tungen einhalten würden, würde die Erde laut Prognosen um etwa 2,7 °C wärmer werden.

„Wenn die Länder bei der nächsten Klima­kon­fe­renz in Belém, Brasi­lien (COP30), keine ernst­haften Zusagen zur Einhal­tung der 1,5‑Grad-Grenze machen, wird es zu spät sein“, sagte Fiona Harvey, Umwelt­re­dak­teurin der briti­schen Tages­zei­tung The Guar­dian. „Dann sind wir geliefert.“

Gibt es noch Hoffnung?

Es gibt Signale dafür, dass große Verur­sa­cher von Treib­haus­gasen die Klima­krise zuneh­mend ernst nehmen – insbe­son­dere in den neu aufstre­benden Volks­wirt­schaften. Indo­ne­sien, einer der zehn größten CO₂-Emit­tenten der Welt, hat sich verpflichtet, aus fossilen Ener­gie­trä­gern inner­halb der nächsten 15 Jahre auszu­steigen und bis 2050 Netto-Null-Emis­sionen zu errei­chen – ein Jahr­zehnt früher als ursprüng­lich geplant. Dafür plant Indo­ne­sien verstärkt einen Mix aus erneu­er­baren Ener­gie­quellen zu etablieren.

Auch der Gast­geber der nächsten COP – Brasi­lien – hat deut­lich gemacht, dass der kommende Gipfel eine echte Wende bringen soll. Als Heimat des größten Teils des Amazonas-Regen­waldes, ist Brasi­lien unter Präsi­dent Lula ein wich­tiger Fürspre­cher ehrgei­zi­gerer klima­po­li­ti­scher Ziele. Daher besteht die Hoff­nung, dass die COP30 nicht erneut eine Enttäu­schung wird.

Quellen:

Fanning, Andrew L. and Hickel, Jason (2023) Compen­sa­tion for atmo­spheric appro­pria­tion. Nature Sustaina­bi­lity, 6 (9). 1077 – 1086 (https://eprints.lse.ac.uk/119717/)

https://academic.oup.com/bioscience/advance-article/doi/10.1093/biosci/biae087/7808595?login=false

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https://apnews.com/article/indonesia-coal-energy-transition-fossil-g20-cop-2d8fd110a855a37167d49211e65fc51d

https://www.theguardian.com/commentisfree/2024/nov/24/greenwashing-cop-summits-best-chance-averting-climate-breakdown

https://www.theguardian.com/world/2024/nov/25/first-edition-monday-cop-failure