„Unsere Ölreserven sind ein Geschenk Gottes!“ Dieser Satz des aserbaidschanischen Präsidenten – Gastgeber der COP29 – hat von Anfang an einen Schatten auf die diesjährige Weltklimakonferenz geworfen. Die Zweifel, dass dieses Forum nur eine Theaterinszenierung ist und längst von Unternehmensinteressen dominiert wird, haben sich nach der bereits enttäuschenden COP28 in Dubai noch weiter verstärkt.
Kein Wunder, dass namhafte Wissenschaftler und Politiker wie Johan Rockström, Mojib Latif oder der ehemalige UN-Generalsekretär Ban Ki-moon die Sinnhaftigkeit der COP in Frage stellen. Dies ist absolut berechtigt, wenn man die Anzahl der Delegierten, die Kosten eines solchen Forums und das am Ende der zwei Wochen erzielte bescheidene Ergebnis betrachtet.
Wer die Zeichen nicht sieht
Als hätten die immer verheerenderen Naturkatastrophen nicht ausgereicht, um die Menschheit zu überzeugen, gab uns die Natur auch in diesem Jahr wieder deutlich mahnende Zeichen. 2024 wird laut aktuellen Prognosen das heißeste Jahr der Weltgeschichte. Die höheren Temperaturen beschleunigen die Windströmungen über dem Atlantischen Ozean und führen dazu, dass ehemals tropische Gewitter zu verheerenden Hurrikanen werden. Das sich aufheizende Mittelmeer entwickelt sich laut Forschern immer mehr zu einem Pulverfass, wodurch jederzeit katastrophale Unwetter – wie zuletzt in Valencia – auftreten können.
Trotz der steigenden Kosten der Klimakrise für Regierungen weltweit, gelingt es uns nicht, unser gemeinsames Schicksal in die Hand zu nehmen. Und die Entwicklung der Erderwärmung zu stoppen. Die globalen CO₂-Emissionen steigen weiter an. Laut dem Global Carbon Budget werden sie dieses Jahr einen neuen Rekord von 41,6 Gigatonnen erreichen. Bei derzeitigem Ausstoß bleiben uns nur noch sechs Jahre, ehe die Erwärmung die Marke von 1,5 °C über dem vorindustriellen Niveau überschreitet.
Was wurde bei der COP 29 konkret erreicht?
Die COP29 wurde als „Finanz-COP“ angekündigt: ein Gipfel, bei dem zwei Dutzend Industrieländer – darunter die USA, Kanada und die reichsten europäischen Nationen – versprochen hatten, Ausgleichszahlungen an Entwicklungsländer zu leisten. Für Schäden, die durch deren Wachstum und die damit verbundenen Treibhausgasemissionen in den zurückliegenden Jahrzehnten verursacht wurden. Doch es gibt Kritik: Entwicklungsländer – angeführt von einer Gruppe um Indien, Nigeria und Bolivien – bemängeln, dass das verabschiedete Abkommen über 300 Milliarden Dollar jährlich bis 2035 völlig unzureichend sei und viel zu spät komme, statt echte Fortschritte zu erzielen.
Schlimmer noch: Regierungen reicher Länder können sich ihrer Verantwortung entziehen, indem sie sich auf Gelder privater Unternehmen und internationaler Kreditgeber stützen. Das von der aserbaidschanischen COP-Leitung durchgesetzte Klimafinanzierungsziel wird von armen Nationen als „Todesurteil“ beschrieben. Denn es bedeutet das Ende für jene, die bereits unter steigenden Meeresspiegeln und verheerenden Kosten zu leiden haben.
Dabei sollte eines klar sein: Es handelt sich nicht um „Wohltätigkeitsgeld“. Denn wir sitzen alle im selben Boot. Und Klimakatastrophen machen nicht vor den Grenzen der EU oder der USA halt. Eine Studie der London School of Economics (LSE) aus dem vergangenen Jahr schätzt, dass den Ländern des globalen Südens bis 2050 etwa 192 Billionen Dollar zustehen würden – basierend auf dem Anteil am globalen „CO₂-Budget“, das vom globalen Norden verbraucht wurde.
Ist das 1,5‑Grad-Ziel noch erreichbar?
Die meisten Klimawissenschaftler halten es inzwischen für unrealistisch, die Erderwärmung auf 1,5 °C über dem vorindustriellen Niveau zu begrenzen. Selbst wenn alle Länder der Welt ihre derzeitigen Verpflichtungen einhalten würden, würde die Erde laut Prognosen um etwa 2,7 °C wärmer werden.
„Wenn die Länder bei der nächsten Klimakonferenz in Belém, Brasilien (COP30), keine ernsthaften Zusagen zur Einhaltung der 1,5‑Grad-Grenze machen, wird es zu spät sein“, sagte Fiona Harvey, Umweltredakteurin der britischen Tageszeitung The Guardian. „Dann sind wir geliefert.“
Gibt es noch Hoffnung?
Es gibt Signale dafür, dass große Verursacher von Treibhausgasen die Klimakrise zunehmend ernst nehmen – insbesondere in den neu aufstrebenden Volkswirtschaften. Indonesien, einer der zehn größten CO₂-Emittenten der Welt, hat sich verpflichtet, aus fossilen Energieträgern innerhalb der nächsten 15 Jahre auszusteigen und bis 2050 Netto-Null-Emissionen zu erreichen – ein Jahrzehnt früher als ursprünglich geplant. Dafür plant Indonesien verstärkt einen Mix aus erneuerbaren Energiequellen zu etablieren.
Auch der Gastgeber der nächsten COP – Brasilien – hat deutlich gemacht, dass der kommende Gipfel eine echte Wende bringen soll. Als Heimat des größten Teils des Amazonas-Regenwaldes, ist Brasilien unter Präsident Lula ein wichtiger Fürsprecher ehrgeizigerer klimapolitischer Ziele. Daher besteht die Hoffnung, dass die COP30 nicht erneut eine Enttäuschung wird.
Quellen:
Fanning, Andrew L. and Hickel, Jason (2023) Compensation for atmospheric appropriation. Nature Sustainability, 6 (9). 1077 – 1086 (https://eprints.lse.ac.uk/119717/)
https://academic.oup.com/bioscience/advance-article/doi/10.1093/biosci/biae087/7808595?login=false
https://www.theguardian.com/world/2024/nov/25/first-edition-monday-cop-failure