Es sind besondere Augenblicke, wenn unsere Kollegen in den Auswilderungswäldern auf Orang-Utans treffen, denen wir schon vor sehr langer Zeit die Freiheit geschenkt haben. Und die wir viele Jahre nicht zu Gesicht bekamen. Denn immer wieder wissen wir tatsächlich nicht, wie es manchen der Neuen Wilden in ihrer neuen Heimat ergeht. Sie ziehen sich in die Tiefen des dichten Regenwaldes zurück und verstecken sich einfach zu gut vor den Augen unserer Beobachtungs-Teams (PRM). Jetzt traf das Team auf ein Weibchen, das 2014 zuletzt gesehen wurde.
In den Tagen zuvor hatte das Team im Camp Lesik im Auswilderungswald Kehje Sewen in Ost-Kalimantan kaum Regen gesehen. Als die Wolken begannen den Himmel zu bedecken, waren sie ein willkommener Anblick. Denn sogleich sank auch die Temperatur. Eine Wohltat für das PRM-Team, das die Zeit nutzte, um Reparaturen und Wartungsarbeiten im Camp Lesik durchzuführen und gleichzeitig Patrouillen in Richtung Gunung Belah zu unternehmen.
Wer ist die Besucherin?
Es war ein ruhiger Spätnachmittag, als plötzlich ein unerwarteter Besucher in der Nähe von Camp Lesik auftauchte. Zunächst vermutete unser PRM-Team, dass es sich bei diesem Gast um Lesan handelte, ein Orang-Utan-Weibchen, das oft mit seiner kleinen Familie zu Besuch kommt. Doch da täuschten sie sich. Der Orang-Utan, der das Lager dieses Mal besuchte, war Sarmi. Entdeckt wurde das 29 Jahre alte Weibchen, als es von einer Ölpalme in der Umgebung naschte.
Sarmi wurde zuletzt 2014 gesichtet, ein Jahr nach ihrer Auswilderung im nördlichen Teil des Kehje Sewen Waldes. Damals hatte sie eine herzliche Freundschaft mit Berlian, einem 2012 im nördlichen Teil des Kehje Sewen Waldes ausgewilderten Orang-Utan-Weibchen, geschlossen.
Eine Ölpalme in Kehje Sewen
Als sie von unserem PRM-Team beobachtet wurde, zeigte Sarmi keine Aggressionen und schien die Anwesenheit unseres Teams nicht zu bemerken. Alles, was sie wollte, war, ungestört die Früchte der Ölpalme zu verzehren. Die einzige Ölpalme in der Umgebung des Lagers befindet sich an der Hauptstraße, die zum Lager führte. Dieser Baum stand schon vor der Eröffnung des Camps Lesik im Jahr 2014 dort. Einige Orang-Utans, darunter Sarmi, Lesan und ihre Kinder, Sayang und ihre kleine Familie und sogar andere wilde Orang-Utans, besuchen den Baum, um die reifen Ölpalmenfrüchte zu genießen.
Sarmi kam mal kurz auf einen Snack vorbei
Nachdem sie ihren Appetit gestillt hatte, verweilte Sarmi nicht lange. Sie machte sich schnell auf den Weg in das Dickicht hinter ihr, um zum Fluss zu gelangen. Als das Sonnenlicht schwand, verschwand auch Sarmi tiefer und tiefer in der Wildnis des Waldes.
Beschütze mit uns die bedrohten Orang-Utans vor dem Aussterben. Jede Spende hilft.
Eine Voraussetzung, um einen Regenwald zu einem Auswilderungswald für Orang-Utans zu machen ist, dass dort nicht bereits eine wilde Orang-Utan-Population lebt. Dennoch kann es immer mal vorkommen, dass wilde Waldmenschen in unsere Auswilderungswälder einwandern. Gerade Männchen, die große Reviere durchstreifen – so wie Suluy.
Der hübsche Orang-Utan-Mann ist uns in Kehje Sewen (Ost-Kalimantan) bereits einige Male als Begleiter von Signe und ihrer Familie begegnet. Jetzt hatte unser Post-Release-Monitoring-Team (PRM) die Chance, Suluy – wie sie ihn genannt haben – auf Solomission unter Beobachtung zu nehmen.
Der wilde Suluy durchstreift Kehje Sewen
Zwei Stunden war das Team bereits auf ihrer routinemäßige Patrouille im Wald unterwegs. Zwar hatten sie Anzeichen von Orang-Utans entdecken können, aber mehr eben auch nicht. Doch dann endlich, nicht weit vom Pfad entfernt, erspähten sie den lang ersehnten Orang-Utan: Suluy.
Die Begegnung mit Suluy, dem wilden Orang-Utan
Er saß bequem in seinem Nest, etwa vier Meter über dem Boden. Unser PRM-Team dokumentierte jede Bewegung, Handlung und den Körperkonditionswert (BCS) von Suluy, der sich als drei herausstellte. Dieser Wert zeigt an, dass sein körperlicher Zustand gut und sein Gewicht ideal ist. Dann machte Suluy sich auf den Weg. Schnell schwang er sich von Baum zu Baum auf der Suche nach Nahrung.
Voller Elan schwingt der Orang-Utan-Mann von Ast zu Ast
Er genoss die Früchte eines Mahang-Baums (Macaranga sp.), knabberte an den Spitzen von Fackel-Ingwer (Etlingera elatior) und schnappte sich junge Blätter von den Spitzen der Äste als Snack.
Auf Nahrungssuche
Ein Abschied im schwindenden Licht
Die Sonne sank, als das PRM-Team Suluy entlang des Haupttransekts folgte. Im schwindenden Licht tauchte Suluy plötzlich im Wald unter und ließ das PRM-Team allein mit den tausenden Insekten, die ihr Abendkonzert sangen. Mit müden Schritten kehrten die Beobachter schließlich ins Camp Nles Mamse zurück und ruhte sich nach einem langen Tag aus. Lebe wohl im Wald, Suluy. Wir freuen uns schon auf ein Wiedersehen!
Vor einigen Wochen wurde die BOS Foundation zur Rettung eines Orang-Utans in ein Dorf nahe der Stadt Palangka Raya in Zentral-Kalimantan gerufen. Das wilde Orang-Utan-Männchen hatte sich dem Dorf genähert und dort für einige Aufregung gesorgt. Glücklicherweise hatten die Dorfbewohner in diesem Fall unsere Kollegen informiert und um Hilfe gebeten. Denn noch immer gehen solche Mensch-Wildtier-Konflikte für Orang-Utans leider viel zu oft tödlich aus.
Die Bewohner des Dorfes Sei Gohong hatten alles versucht: Laut gerufen, geklatscht, gewunken, mit Töpfen geschlagen. Doch das wilde Orang-Utan-Männchen, dass sich ihrem Dorf genähert hatte, ließ sich einfach nicht verscheuchen. Es blieb auf einem Baum in der Nähe eines Flusses sitzen und beobachtete, was unter ihm vor sich ging. So als warte er nur auf den richtigen Moment, um sich das Dorf und die Möglichkeiten, die sich dort für ihn ergeben könnten, in aller Ruhe anzuschauen.
Ein wilder Orang-Utan hat sich einem Dorf genähert. Eine gefährliche Situation — für Mensch und Tier
Glücklicherweise entschieden die Dorfbewohner dann, die Naturschutzbehörde von Zentral-Kalimantan (BKSDA) und die BOS Foundation zu informieren, die sich sogleich zu einer gemeinsamen Rettungsaktion auf den Weg machten.
Mensch-Wildtier-Konflikte gehen oftmals tödlich aus
Ein Orang-Utan, der in bewohntes Gebiet eindringt, ist immer ein Problem – sowohl für die Menschen als auch für den Orang-Utan. Und oft genug geht so ein Szenario für den Orang-Utan tödlich aus.
Bis das Rettungsteam der BOS Foundation und der BKSDA im Dorf eintraf, hatte sich bereits eine große Zahl von Schaulustigen versammelt, was die Rettung und Evakuierung des Orang-Utans erschwerte. Als die Tierärzte den Einsatz des Betäubungsgewehrs vorbereiteten, erkannte der schlaue Orang-Utan, dass eine Waffe auf ihn gerichtet werden sollte. Er erkannte, dass dies für ihn gefährlich werden könnte. Und ergriff die Flucht. Schnell bewegte er sich von Baum zu Baum, um nicht erwischt zu werden. Mit viel Geduld und dem richtigen Timing gelang es unserem Team aber schließlich doch, dem Orang-Utan einen Betäubungspfeil in den Rücken zu schießen.
Die Tierärzte bereiten den Schuss mit dem Betäubungsgewehr vor……und der Orang-Utan flieht
Nachdem der Orang-Utan eingeschlafen war, wurde er vor Ort sofort untersucht. Weitere Untersuchungen wurden in der BKSDA-Zentrale durchgeführt, um den Gesundheitszustand des Orang-Utans zu bestätigen und zu dokumentieren. Anschließend wurde er in das BOS-Rehabilitationszentrum Nyaru Menteng gebracht, wo er den Namen „Oyo“ erhielt.
Direkt vor Ort untersuchten die Tierärzte den betäubten Orang-UtanGlücklicherweise war das Orang-Utan-Männchen topfitEr wurde direkt verladen……und nach Nyaru Menteng gebracht
Nachdem Oyo all dies überstanden hatte, waren sich alle Experten einig, dass nichts dagegensprach, Oyo auf schnellstem Weg wieder in die Freiheit zu entlassen. Eine Umsiedlung in ein Gebiet fern von menschlichen Siedlungen wurde daher beschlossen. So brachten wir Oyo drei Tage nach seiner Rettung in die Nähe unserer Palas Vorauswilderungsinseln, wo er nun – fern von menschlichen Siedlungen – wieder seinem wilden Orang-Utan-Leben nachgehen kann. Mach es gut, Oyo!
Kurz vor Weihnachten konnten wir acht weiteren rehabilitierten Orang-Utans im Nationalpark Bukit Baka Bukit Raya die Freiheit schenken. Damit erhöht sich die Anzahl der von BOS rehabilitierten und ausgewilderten Orang-Utans auf 533. Im in Zentral-Kalimantan gelegenen Nationalpark leben jetzt 208 „Neue Wilde“, die inzwischen bereits acht Babys das Leben geschenkt haben. Eine Zahl, die uns Hoffnung macht.
Einer der acht Orang-Utans – Cinta – wurde im Rettungszentrum Nyaru Menteng elf Jahre lang rehabilitiert. Am 14. Februar 2013 kam die Orang-Utan-Waise als vier Monate alter Säugling zu uns und erhielt den Namen Cinta, was im Indonesischen „Liebe“ bedeutet.
Im Alter von vier Monaten wurde die Orang-Utan-Waise Cinta gerettetIn der Waldschule lernte Cinta alles, was ein wilder Orang-Utan sonst in rund acht Jahren von seiner Mutter lernen würdeJetzt hat für Cinta endlich das wilde und freie Orang-Utan-Leben im Nationalpark begonnen
Im Regenwald
Als ihr Transportkäfig im Regenwald geöffnet wurde, fand Cinta sich schnell in ihrem neuen Zuhause zurecht. Vom ersten Moment an begann sie, ihre neue Umgebung am Fluss Bemban selbstbewusst zu erkunden. Schließlich hielt sie an einem Ficus inne und legte erstmal eine ausgiebige Vesperpause ein. Als der Abend nahte, suchte sie sich einen geeigneten Baum und errichtete hier ein Schlafnest.
Liebesgeflüster unter Orang-Utans
Das ruhige Orang-Utan-Weibchen Liti kam vorsichtig aus dem Transportkäfig und kletterte dann direkt auf einen etwa elf Meter hohen Baum. Ojes, ein männlicher Orang-Utan, der kurz darauf ausgewildert wurde, ging sofort auf Liti zu und versuchte, mit ihr zu kommunizieren. Wie sich herausstellte, war nicht nur Ojes an Liti interessiert. Auch Wanto versuchte, Liti zu folgen. Nachdem sie einen Baum mit einem alten Orang-Utan-Nest erreicht hatte, beschloss Liti, dieses Nest zu renovieren und sich von der langen Reise auszuruhen. Alle neu ausgewilderten Orang-Utans, einschließlich Ojes, Wanto, Fajar, Fathia, Lala und Tomang, fühlten sich in ihrer neuen Umgebung im Nationalpark sichtlich wohl, genau wie Cinta und Liti.
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Die fast 20-stündige Reise bedeutete für die acht Orang-Utans, die in Transportboxen eingesperrt waren, natürlich einigen Stress. Daher überprüfte unser Veterinärteam während der gesamten Reise regelmäßig ihren Zustand. Trotz einiger kleinerer Probleme, wie z. B. Bootsschrauben, die sich im Holz festsetzten, oder mehrmals auftretender leichter Regen, verlief die Reise insgesamt reibungslos.
Aber der größte Lohn für die jahrelange Arbeit, die Planung, Aufregung und manche Hürden und Unsicherheiten, die mit jeder Auswilderung verbunden sind, ist, wenn wir beobachten können, wie gut die neuen Waldmenschen im Regenwald zurechtkommen. Und das konnten wir eindeutig feststellen.
Auch Sie können uns helfen, rehabilitierte Orang-Utans in die geschützte Freiheit unserer Regenwälder zu bringen. Jede Spende hilft!
In einer aktuellen Studie wurden alternative Fortpflanzungsstrategien männlicher Orang-Utans mit und ohne Backenwülste untersucht. Bisherige Beobachtungen basierten hauptsächlich auf Querschnittsanalysen (Momentaufnahmen), aber diese Studie führte erstmals Längsschnittanalysen (Daten wurden an mehr als einem Zeitpunkt erhoben) durch, um Verhaltensänderungen im Laufe der Zeit zu bewerten. Die Ergebnisse liefern neue Erkenntnisse über die Paarungstaktiken dieser faszinierenden Primaten.
Bei vielen sich langsam entwickelnden Säugetierarten erreichen männliche Individuen die Geschlechtsreife lange bevor sie sekundäre Geschlechtsmerkmale entwickeln. Bei männlichen Orang-Utans wurde beobachtet, dass sie außergewöhnlich lange Entwicklungsstopps haben, bevor sie sekundäre Geschlechtsmerkmale wie Backenwülste entwickeln.
Ein erwachsener männlicher Orang-Utan ohne Backenwülste
In der Studie untersuchten die Forschenden die Verbindung zwischen dem Vorhandensein von Backenwülsten und den Fortpflanzungstaktiken der Männchen.
Mach das Beste daraus
Die Ergebnisse bestätigen frühere Studien, die gezeigt haben, dass männliche Orang-Utans ohne Backenwülste eine höhere Geselligkeit mit Weibchen zeigen und eine höhere Paarungsrate haben. Sie versuchen auch häufiger erzwungene Paarungen. Männchen mit Backenwülsten hingegen zeigen eine andere Paarungsstrategie, bei der sie lange Rufe (long calls) ausstoßen und auf Weibchen warten, die sich ihnen nähern. Diese Ergebnisse deuten darauf hin, dass Männchen ohne Backenwülste eine “Best-of-a-bad-job”-Paarungsstrategie verfolgen, um einen Konkurrenzkampf mit anderen Männchen zu vermeiden.
Wann ist ein Orang-Utan-Mann ein Orang-Utan-Mann?
Die Entwicklung alternativer Fortpflanzungsstrategien bei männlichen Orang-Utans könnte mit der verzögerten Entwicklung sekundärer Geschlechtsmerkmale im Vergleich zur Geschlechtsreife zusammenhängen.
Orang-Utan-Weibchen bevorzugen starke Männer
Weibchen bevorzugen normalerweise Männchen mit sekundären Geschlechtsmerkmalen, aber bevor die Männchen diese entwickeln, können sie bereits einen gewissen Fortpflanzungserfolg erzielen, indem sie direkte Konflikte mit anderen Männchen vermeiden. Dies schafft eine Nische für die Entwicklung alternativer Fortpflanzungstaktiken.
Unterschiedliche Taktiken
Die Studie liefert wichtige Einblicke in die alternativen Fortpflanzungsstrategien männlicher Orang-Utans mit und ohne Backenwülste. Die Ergebnisse zeigen, dass diese Primaten verschiedene Taktiken anwenden, um ihre Fortpflanzungschancen zu maximieren. Weitere Forschung ist erforderlich, um die ökologischen Determinanten dieser Strategien besser zu verstehen. Die Ergebnisse könnten auch Auswilderungsstrategien und die Reproduktionsdaten von ausgewilderten Orang-Utans beeinflussen.
Übrigens…
Die Studie wurde u.a. mit Daten aus der Forschungseinrichtung Tuanan (Mawas Gebiet) erstellt, die BOS Deutschland gemeinsam mit der BOS Foundation, UNAS und der Rutgers University 2022 saniert und renoviert hat, um einen reibungslosen Forschungsablauf zu garantieren.
Quelle: „Alternative reproductive tactics of unflanged and flanged male orangutans revisited“; Quelle: American Journal of Primatology, Volume 85, Issue 9, 18 Pages, Sept. 2023, Julia A. Kunz et al.