Super­mama Du adop­tiert ein Baby

Super­mama Du adop­tiert ein Baby

Manchmal erleben wir bei unserer Arbeit Geschichten, die Stoff für einen epischen Kino­film bieten würden: Gefan­gen­schaft und Befreiung, Mutter­liebe und Trauer, Entfüh­rung und eine verschol­lene Freundin, ein Baby in Not und eine Rettung in letzter Sekunde. All dies und noch viel mehr erlebte Orang-Utan-Mutter Du, die jetzt neben ihrem eigenen Sohn Dai auch Adop­tiv­tochter Dumel mit großer Liebe und viel Gebor­gen­heit großzieht.

Aber von Anfang an. Du war eine von 48 Orang-Utans, die wir 2003 aus einem thai­län­di­schen Zoo retten und 2006, drei Jahre später, nach Indo­ne­sien zurück­holen konnten. Ein Opfer des ille­galen Wild­tier­han­dels. Welche schreck­li­chen Erleb­nisse hinter Du lagen, können wir nur erahnen. Über zehn Jahre war das Orang-Utan-Weib­chen alt, als sie schließ­lich im BOS-Rettungs­zen­trum Nyaru Menteng eintraf – viel zu alt für eine mögliche Reha­bi­li­ta­tion in der Wald­schule. Doch sie war fit und pfiffig und so durfte sie, bald nach ihrer Quaran­täne, auf eine Voraus­wil­de­rungs­insel ziehen. Hier, auf dieser dicht bewal­deten Insel, inmitten von Natur, spürte sie vermut­lich zum ersten Mal in ihrem Leben, was es heißt, frei zu sein.

Erfolg für den Artenschutz

Drei Jahre nach ihrer Heim­kehr nach Borneo wurde Du schwanger und brachte auf der Insel ihre erste Tochter Dea zur Welt. Du erwies sich schon bei ihrem ersten Kind als tolle Orang-Utan-Mutter. Wie erfolg­reich ihre Erzie­hung war, zeigte sich 2019, als wir ihre damals zehn­jäh­rige Tochter Dea im Natio­nal­park Bukit Baka Bukit Raya auswil­dern konnten. Welche Freude und was für ein Erfolg, wenn man an Dus Vorge­schichte denkt!
Dus zweite Tochter Dinda erblickte 2016 auf der Voraus­wil­de­rungs­insel das Licht der Welt, wo sie inzwi­schen zu einem intel­li­genten, selbst­stän­digen Wald­men­schen heran­ge­wachsen ist.

Zwei Freun­dinnen, zwei Schicksale

Im Oktober 2022 bekam Du ihr drittes Kind – ihren Sohn Dai. Zur glei­chen Zeit gebar auch ihre enge Freundin Melata ein Baby – die kleine Dumel. Auch Melata gehörte zu den Orang-Utans, die wir 2006 aus Thai­land repa­tri­iert hatten. Und auch für Melata war es nicht das erste Kind. Doch bei ihr schlug das Schicksal hart zu.
Ihr erster Sohn, Melano, wurde 2013 geboren. 2019 sollten die beiden gemeinsam ausge­wil­dert werden. Doch dann stellte sich heraus, dass Melata erneut schwanger war. Weil wir Melata den Stress ersparen wollten, sich kurz nach ihrer Auswil­de­rung um ein Neuge­bo­renes kümmern zu müssen, wurde dieser Plan gestri­chen. Melata und Melano mussten auf die Voraus­wil­de­rungs­insel zurück­kehren. Das Baby, das im Januar 2020 geboren wurde, über­lebte leider nur zwei Monate. Wir fanden Melata im März 2020 trau­ernd nahe einer Fütte­rungs­platt­form, der tote Säug­ling neben ihr. Auch Melatas drittes Kind, das im August 2021 zur Welt kam, lebte nur kurz. Drei Monate nach der Geburt sahen wir sie – ohne ihr Baby.
Mit Töch­ter­chen Dumel schien Melata endlich wieder das Mutter­glück gefunden zu haben. Aber irgend­etwas muss geschehen sein. Denn plötz­lich verschwand Melata.

Orang-Utan-Mutter Melata mit Tochter Dumel auf Vorauswilderungsinsel
Melata mit Tochter Dumel. Kurz nach dieser Aufnahme verschwand Melata spurlos

Ende Februar 2023 sahen wir Melata zum letzten Mal. Mit ihrem Baby, das sich fest an ihren Bauch klam­merte. Seitdem ist sie verschollen. Kurz danach wurde ein männ­li­cher Orang-Utan gesehen, der ein Baby im Arm hielt. Am folgenden Tag war es ein anderes Orang-Utan-Männ­chen, aber das selbe Baby – Melatas Tochter Dumel.

Du über­nimmt

Leider war es unseren Mitar­bei­tern in der Situa­tion nicht möglich, einzu­greifen und Dumel aus den Händen ihrer Entführer zu befreien. Unsere Voraus­wil­de­rungs­in­seln sind halb­wilde Lebens­räume, die Bedin­gungen oftmals unvor­her­sehbar und die Möglich­keiten für spon­tanes mensch­li­ches Eingreifen minimal.
Doch glück­li­cher­weise hat Super­mutter Du über­nommen! Als wäre es das normalste von der Welt, trug sie plötz­lich neben ihrem Sohn Dai auch Dumel, die Tochter ihrer vermissten Freundin, an der Brust! Sie hatte das hilf­lose Baby in seiner größten Not adop­tiert und vor den über­grif­figen Männ­chen beschützt. Ein Ereignis, das auch uns bei BOS mehr als erstaunt hat. „Es war mir absolut neu, dass sich ein Orang-Utan um das Baby einer anderen kümmert, als wäre es ihr eigenes“, sagt BOS-Baby­sit­terin Mama Eva. „Der Gedanke, dass Du, die seit ihrer ersten Begeg­nung eine unzer­trenn­liche Freund­schaft mit Melata verband, deren Tochter Dumel aus Liebe zu ihrer verlo­renen Freundin in ihre Arme genommen hat, ist herzerwärmend.“

Orang-Utan-Mutter Du mit ihrem Sohn Dai und Adoptivtochter Dumel auf BOS-Vorauswilderungsinsel
Du mit ihren zwei Babys auf der Voraus­wil­de­rungs­insel: ihr eigener Sohn Dai und ihre Adop­tiv­tochter Dumel

Natür­lich haben unsere Mitar­beiter sofort eine inten­sive Suche nach Melata auf der Insel und in der Umge­bung einge­leitet. Immer wieder haben sie das Gelände durch­forstet und bei den tägli­chen Futter­lie­fe­rungen für die Insel­be­wohner sorgsam Ausschau gehalten. Doch Melata blieb bis heute unauffindbar.

Du und die Babys werden in Sicher­heit gebracht

Zwil­lings­ge­burten sind bei Orang-Utans eine abso­lute Selten­heit, denn das Aufziehen schon eines einzelnen Babys bedeutet für die allein­er­zie­henden Mütter Schwerst­ar­beit. Sechs bis acht Jahre liegen in der Regel mindes­tens zwischen den Geburten – das längste Geburts­in­ter­vall bei Menschen­affen. Um Du das Leben mit zwei Babys etwas zu erleich­tern und um die Sicher­heit der Kleinen zu gewähr­leisten, entschied unser Team aus erfah­renen Tier­ärzten, die kleine Familie zurück ins Rettungs­zen­trum Nyaru Menteng zu holen. Hier haben wir Du, Dai und Dumel immer im Blick und können bei even­tuell auftre­tenden Problemen schnell unter­stützen.
Ein weiterer Grund ist, dass unsere Voraus­wil­de­rungs­in­seln aktuell aufgrund von Verzö­ge­rungen im Auswil­de­rungs­pro­zess sehr dicht besie­delt sind. Eine Situa­tion, die Du zusätz­lich Stress verur­sa­chen könnte. Eine Weile müssen die drei also noch im Gehege ausharren, ehe es zurück auf die Insel gehen kann.

Orang-Utan-Mutter Du mit ihrem Sohn Dai und Adoptivtochter Dumel
Super­mama Du, Sohn Dai (Mitte) und Adop­tiv­tochter Dumel leben jetzt vorüber­ge­hend im Rettungs­zen­trum Nyaru Menteng

Die Geschichte von Super­mama Du schenkt uns Hoff­nung: Als Opfer des inter­na­tio­nalen Wild­tier­han­dels aus einem thai­län­di­schen Vergnü­gungs­park gerettet, kehrt sie zurück nach Indo­ne­sien, wo sie erfolg­reich vier Babys aufzieht. Selbstlos nimmt sie das Kind ihrer Freundin an wie ihr eigenes und beschützt es vor den Gefahren.

Einem von Dus Kindern konnten wir bereits die Frei­heit des Regen­walds schenken. Nun hoffen wir, dass die anderen drei auch diesen Weg gehen werden. Für Du.

Bitte unter­stützen Sie uns bei der Rettung dieser außer­ge­wöhn­li­chen Menschen­affen! Jede Spende hilft. Danke.

TV-Tipp: Planet ohne Affen

TV-Tipp: Planet ohne Affen

Mo 2. September, 21:45 Uhr, ARD-alpha

Der Mensch macht Jagd auf Affen­babys. Kleine Schim­pansen und Orang-Utans sind beliebt, Promi­nente und Influencer posieren mit ihnen auf Insta­gram. Und auch die Zoos welt­weit sind hungrig und brau­chen immer neuen Nach­schub. Doch woher kommen die Tiere?
Reporter Michel Abdol­lahi macht sich auf die Suche nach welt­weiten Netz­werken des krimi­nellen Affen­han­dels. Im kongo­le­si­schen Regen­wald sucht er die letzten Bonobos und erhält am Rande eines Marktes ein ille­gales Angebot. Händler wollen ihm ein Jung­tier verkaufen. Solche Geschäfte sind hier schon fast alltäg­lich.
Auch in Thai­land wird Michel Abdol­lahi Zeuge eines ille­galen Tier­raubes. In einem Zoo, der auf dem Dach eines Kauf­hauses unter­ge­bracht ist, entdeckt er einen streng geschützten Bonobo. Es ist eine kleine Sensa­tion. Sogar die berühmte briti­sche Prima­ten­for­scherin Jane Goodall, die sich für den Schutz und Erhalt von Affen einsetzt, reist an und zeigt sich erschüt­tert. Bonobos sind vom Aussterben bedroht. „Es bricht mir das Herz, diese unschul­digen Affen in Käfigen zu sehen. Sie haben nichts verbro­chen“, sagt Goodall. Warum ist dies alles möglich?
Das inter­na­tio­nale Vertrags­werk CITES soll bedrohte Tier­arten schützen. Doch das Abkommen ist offenbar viel­fach wirkungslos. Das zeigt sich auch im Fall des geklauten Bonobos. Trotz der Meldung an die CITES-Leitung lebt das Tier weiterhin in Gefan­gen­schaft. Er ist eines von Tausenden Opfern des ille­galen Handels mit der nächsten verwandten Art des Menschen in der Natur.

Weiterer Sende­termin: Di 3. September, 16:00 Uhr, ARD-alpha