Erinnern Sie sich noch an die Geschichte von Temon und Lahei – dem Duo, das einst spurlos aus der Waldschule verschwand? Nun sind die beiden jugendlichen Waldschüler zurück mit einem weiteren, erstaunlichen Kapitel ihres noch jungen Orang-Utan-Lebens: Mit ihrer frühen Vorauswilderung schreiben Temon und Lahei Geschichte.
Mit gerade einmal fünf und sechs Jahren verblüfften Temon und Lahei ihre Ziehmütter und das gesamte Tierpflegeteam ein weiteres Mal: Die beiden sind im Juli 2025 offiziell von der Waldschule in die Vorauswilderungsphase gewechselt und auf Kaja Island umgezogen!

Normalerweise erreichen Orang-Utans diese letzte Stufe vor der Rückkehr in die Freiheit erst mit acht bis zehn Jahren. Erst dann gelten sie als bereit, ausgestattet mit den überlebenswichtigen Fähigkeiten, die sie in ihrem natürlichen Lebensraum brauchen. Manche Waldschüler verbringen sogar noch mehr Zeit in der Waldschule – und die bekommen sie auch. Denn entscheidend ist, dass jeder von uns gerettete Orang-Utan bestmöglich auf das Leben in freier Wildbahn vorbereitet wird, ehe wir ihn auswildern.
Temon und Lahei hatten es eilig, in den Regenwald zurückzukehren
Mit ihrer rasanten Rehabilitation haben die beiden bewiesen, dass Reife und Selbstständigkeit nicht am Alter festzumachen sind, sondern an Instinkt, Mut und der natürlichen Genialität, die in den beiden jugendlichen Orang-Utans steckt.

Temon, die Mitte 2022 gerettet wurde, zeigte vom ersten Moment an, dass sie für den Wald geboren ist. Ihre winzigen Finger klammerten sich sicher an Äste, ihre Nase zuckte beim Duft reifer Früchte, und ihre Ohren waren stets wachsam für die Geräusche der Umgebung. Schon während der Quarantäne baute sie gemütliche, stabile Nester. So unabhängig sie auch war – hin und wieder suchte sie noch die Wärme einer Umarmung bei ihren Ziehmüttern, bevor sie wieder im Blätterdach verschwand.
Temon und Lahei: Ein unzertrennliches Duo
Ein paar Monate nach Temon nahmen wir Lahei in unserem Rettungszentrum Nyaru Menteng auf – gerade einmal 4,45 Kilogramm schwer. Von Anfang an entwickelte er eine enge Bindung zu Temon, und die beiden wurden bald unzertrennlich. In der Kindergruppe wuchsen, lernten und spielten sie Seite an Seite, hüpften wie kleine Irrlichter durch die Bäume und erloschen dabei nie.

Doch ihre unzertrennlichen Abenteuer führten bald zu einer dramatischen Wendung: Eines Tages waren Temon und Lahei verschwunden. Ganze zehn Tage lang suchten ihre Ersatzmütter und Tierpfleger voller Sorge nach ihnen. Schließlich waren die beiden noch sehr jung, unerfahren und den Gefahren des Waldes kaum gewachsen.
Die Ängste der Babysitterinnen waren unbegründet
Am zehnten Tag jedoch, nach über einer Woche voll quälender Sorgen um das Wohlergehen der beiden Orang-Utan-Kinder, waren Temon und Lahei plötzlich wieder da. Als die Waldschüler am Abend in ihre Schlafgehege zurückkehrten, war die Schar wieder vollständig. Und nicht nur das: Der gerade mal dreijährige Temon und die vierjährige Lahei hatten sich völlig selbständig im Regenwald zurecht gefunden – in einem Alter, in dem sich selbst wilde Orang-Utan-Kinder noch nicht weit von ihren Müttern entfernen! Die beiden waren gesund (was natürlich am nächsten Tag von den BOS-Tierärzten gründlich überprüft wurde), wirkten ruhig und völlig unbeeindruckt.
Ein neues Kapitel auf Kaja Island
Das Verschwinden der beiden wurde zum Wendepunkt in ihrer Rehabilitationsgeschichte. Temon und Lahei waren schneller gereift als das gesamte Team es sich hätte vorstellen können. Und bewiesen damit, dass „bereit sein“ ganz neu definiert werden kann. Mit ihrem Abenteuer haben sie uns erinnert, dass die Auswilderungsfähigkeit eines Orang-Utans nicht (nur) durch Lebensjahre bestimmt wird. Sondern auch durch Begabung, Willenskraft und den unerschütterlichen Drang, frei zu leben.
Im Juli 2025 durften Temon und Lahei von der Waldschule auf die Vorauswilderungsinsel Kaja Island wechseln. Lahei meisterte den Transport ganz ohne Beruhigungsmittel, während Temon kurzzeitig narkotisiert wurde, um ein dreijähriges Verhütungsimplantat zu erhalten.
Kaum hatten sich die Transportkäfige auf der Insel geöffnet, kletterten beide Orang-Utans sofort hoch ins Blätterdach. Später am Tag konnte unser Team beobachten, wie sie Früchte mit Fanny, einer anderen Bewohnerin der Insel, teilten, bevor sie wieder im Dickicht verschwanden.
Sie tragen bereits all das in sich, was Freiheit bedeutet
In den darauffolgenden Wochen wurden die beiden jungen Inselbewohner von unserem Team intensiv beobachtet. Temon und Lahei erkundeten sehr aktiv Kaja Island und kamen dabei hervorragend zurecht. Sie bauten Nester, suchten selbstständig nach Nahrung und lebten sich mit großer Neugier für ihren neuen Lebensraum ein. Schließlich ließen sie sich in verschiedenen Teilen der Insel nieder. Orang-Utans leben in freier Wildbahn semi-solitär. Und so ist dieser zeitweise größere Abstand auch bei zwei Individuen, die während ihrer Waldschulzeit so eng miteinander verbunden waren, völlig artgerecht.


Während ihrer Rehabilitation in Rekordzeit haben Temon und Lahei Instinkt und Mut, Unabhängigkeit und eine tiefe Verbundenheit mit dem ungezähmten Geist des Regenwaldes gezeigt. Damit tragen sie bereits all das in sich, was Freiheit bedeutet. In der Vorauswilderungsphase können sie nun noch etwas mehr Erfahrung in einem quasi-wilden Lebensraum sammeln. Bevor sie tatsächlich bereit sind für das ganz große Abenteuer: die Auswilderung.
Mit Ihrer Unterstützung haben junge Orang-Utans wie Temon und Lahei die Chance, sich ihre wilde Zukunft zurückzuerobern. Jeder Schritt, den sie im Wald tun, ist ein Beweis Ihrer Fürsorge für diese vom Aussterben bedrohten Art. Jede Spende hilft! Wir sagen von Herzen danke dafür!
