30. Oktober 2025
Orang-Utan Lahei auf Vorauswilderunginsel

Temon & Lahei brechen alle Dschungel-Regeln

Erin­nern Sie sich noch an die Geschichte von Temon und Lahei – dem Duo, das einst spurlos aus der Wald­schule verschwand? Nun sind die beiden jugend­li­chen Wald­schüler zurück mit einem weiteren, erstaun­li­chen Kapitel ihres noch jungen Orang-Utan-Lebens: Mit ihrer frühen Voraus­wil­de­rung schreiben Temon und Lahei Geschichte.

Mit gerade einmal fünf und sechs Jahren verblüfften Temon und Lahei ihre Zieh­mütter und das gesamte Tier­pfle­ge­team ein weiteres Mal: Die beiden sind im Juli 2025 offi­ziell von der Wald­schule in die Voraus­wil­de­rungs­phase gewech­selt und auf Kaja Island umgezogen!

Vorauswilderung Temon und Lahei
Die Voraus­wil­de­rung von Temon und Lahei | © Roland Gockel

Norma­ler­weise errei­chen Orang-Utans diese letzte Stufe vor der Rück­kehr in die Frei­heit erst mit acht bis zehn Jahren. Erst dann gelten sie als bereit, ausge­stattet mit den über­le­bens­wich­tigen Fähig­keiten, die sie in ihrem natür­li­chen Lebens­raum brau­chen. Manche Wald­schüler verbringen sogar noch mehr Zeit in der Wald­schule – und die bekommen sie auch. Denn entschei­dend ist, dass jeder von uns geret­tete Orang-Utan best­mög­lich auf das Leben in freier Wild­bahn vorbe­reitet wird, ehe wir ihn auswildern.

Temon und Lahei hatten es eilig, in den Regen­wald zurückzukehren

Mit ihrer rasanten Reha­bi­li­ta­tion haben die beiden bewiesen, dass Reife und Selbst­stän­dig­keit nicht am Alter fest­zu­ma­chen sind, sondern an Instinkt, Mut und der natür­li­chen Genia­lität, die in den beiden jugend­li­chen Orang-Utans steckt.

Orang-Utan Temon 2022 kurz nach Rettung
Von Anfang an bewies Temon sehr viel Geschick beim Klettern 

Temon, die Mitte 2022 gerettet wurde, zeigte vom ersten Moment an, dass sie für den Wald geboren ist. Ihre winzigen Finger klam­merten sich sicher an Äste, ihre Nase zuckte beim Duft reifer Früchte, und ihre Ohren waren stets wachsam für die Geräu­sche der Umge­bung. Schon während der Quaran­täne baute sie gemüt­liche, stabile Nester. So unab­hängig sie auch war – hin und wieder suchte sie noch die Wärme einer Umar­mung bei ihren Zieh­müt­tern, bevor sie wieder im Blät­ter­dach verschwand.

Temon und Lahei: Ein unzer­trenn­li­ches Duo

Ein paar Monate nach Temon nahmen wir Lahei in unserem Rettungs­zen­trum Nyaru Menteng auf – gerade einmal 4,45 Kilo­gramm schwer. Von Anfang an entwi­ckelte er eine enge Bindung zu Temon, und die beiden wurden bald unzer­trenn­lich. In der Kinder­gruppe wuchsen, lernten und spielten sie Seite an Seite, hüpften wie kleine Irrlichter durch die Bäume und erlo­schen dabei nie.

Orang-Utan Lahei auf Vorauswilderunginsel
Lahei in seinem Element: hoch oben in den Baumwipfeln

Doch ihre unzer­trenn­li­chen Aben­teuer führten bald zu einer drama­ti­schen Wendung: Eines Tages waren Temon und Lahei verschwunden. Ganze zehn Tage lang suchten ihre Ersatz­mütter und Tier­pfleger voller Sorge nach ihnen. Schließ­lich waren die beiden noch sehr jung, uner­fahren und den Gefahren des Waldes kaum gewachsen.

Die Ängste der Baby­sit­te­rinnen waren unbegründet

Am zehnten Tag jedoch, nach über einer Woche voll quälender Sorgen um das Wohl­ergehen der beiden Orang-Utan-Kinder, waren Temon und Lahei plötz­lich wieder da. Als die Wald­schüler am Abend in ihre Schlaf­ge­hege zurück­kehrten, war die Schar wieder voll­ständig. Und nicht nur das: Der gerade mal drei­jäh­rige Temon und die vier­jäh­rige Lahei hatten sich völlig selb­ständig im Regen­wald zurecht gefunden – in einem Alter, in dem sich selbst wilde Orang-Utan-Kinder noch nicht weit von ihren Müttern entfernen! Die beiden waren gesund (was natür­lich am nächsten Tag von den BOS-Tier­ärzten gründ­lich über­prüft wurde), wirkten ruhig und völlig unbeeindruckt.

Ein neues Kapitel auf Kaja Island

Das Verschwinden der beiden wurde zum Wende­punkt in ihrer Reha­bi­li­ta­ti­ons­ge­schichte. Temon und Lahei waren schneller gereift als das gesamte Team es sich hätte vorstellen können. Und bewiesen damit, dass „bereit sein“ ganz neu defi­niert werden kann. Mit ihrem Aben­teuer haben sie uns erin­nert, dass die Auswil­de­rungs­fä­hig­keit eines Orang-Utans nicht (nur) durch Lebens­jahre bestimmt wird. Sondern auch durch Bega­bung, Willens­kraft und den uner­schüt­ter­li­chen Drang, frei zu leben.

Im Juli 2025 durften Temon und Lahei von der Wald­schule auf die Voraus­wil­de­rungs­insel Kaja Island wech­seln. Lahei meis­terte den Trans­port ganz ohne Beru­hi­gungs­mittel, während Temon kurz­zeitig narko­ti­siert wurde, um ein drei­jäh­riges Verhü­tungs­im­plantat zu erhalten.
Kaum hatten sich die Trans­port­kä­fige auf der Insel geöffnet, klet­terten beide Orang-Utans sofort hoch ins Blät­ter­dach. Später am Tag konnte unser Team beob­achten, wie sie Früchte mit Fanny, einer anderen Bewoh­nerin der Insel, teilten, bevor sie wieder im Dickicht verschwanden.

Sie tragen bereits all das in sich, was Frei­heit bedeutet

In den darauf­fol­genden Wochen wurden die beiden jungen Insel­be­wohner von unserem Team intensiv beob­achtet. Temon und Lahei erkun­deten sehr aktiv Kaja Island und kamen dabei hervor­ra­gend zurecht. Sie bauten Nester, suchten selbst­ständig nach Nahrung und lebten sich mit großer Neugier für ihren neuen Lebens­raum ein. Schließ­lich ließen sie sich in verschie­denen Teilen der Insel nieder. Orang-Utans leben in freier Wild­bahn semi-solitär. Und so ist dieser zeit­weise größere Abstand auch bei zwei Indi­vi­duen, die während ihrer Wald­schul­zeit so eng mitein­ander verbunden waren, völlig artgerecht.

Während ihrer Reha­bi­li­ta­tion in Rekord­zeit haben Temon und Lahei Instinkt und Mut, Unab­hän­gig­keit und eine tiefe Verbun­den­heit mit dem unge­zähmten Geist des Regen­waldes gezeigt. Damit tragen sie bereits all das in sich, was Frei­heit bedeutet. In der Voraus­wil­de­rungs­phase können sie nun noch etwas mehr Erfah­rung in einem quasi-wilden Lebens­raum sammeln. Bevor sie tatsäch­lich bereit sind für das ganz große Aben­teuer: die Auswilderung.

Mit Ihrer Unter­stüt­zung haben junge Orang-Utans wie Temon und Lahei die Chance, sich ihre wilde Zukunft zurück­zu­er­obern. Jeder Schritt, den sie im Wald tun, ist ein Beweis Ihrer Fürsorge für diese vom Aussterben bedrohten Art. Jede Spende hilft! Wir sagen von Herzen danke dafür!