7. November 2024
Orang-Utan-Mann Regenwald Schlafnest

Wie aus Mardi­anto ein domi­nantes Männ­chen wurde

Ausge­wach­sene Orang-Utan-Männ­chen mit ihren breiten Backen­wülsten sind äußerst impo­sant. Aber nicht jeder männ­liche Orang-Utan durch­läuft diese körper­liche Entwick­lung. Mardi­anto, den wir 2015 im Alter von damals 13 Jahren im Schutz­wald Bukit Batikap (Zentral-Kali­mantan) ausge­wil­dert haben, gehört zu diesen soge­nannten domi­nanten Männ­chen. Und wir hatten das Glück, seine Entwick­lung miter­leben zu dürfen.

Es ist, als wolle Mardi­anto uns stolz präsen­tieren, was für ein pracht­voller Orang-Utan-Kerl aus ihm geworden ist. Denn mindes­tens einmal im Jahr kreuzte unser Post-Release-Moni­to­ring Team (PRM) im Regen­wald seinen Weg und hatte so die Möglich­keit, seine erstaun­liche körper­liche Entwick­lung zu dokumentieren.

Zum Zeit­punkt seiner Auswil­de­rung war noch nicht abzu­sehen, welchen Weg Mardi­anto vor sich haben würde. Doch mit der Zeit wurden wir Zeuge, wie sich vor allem die Morpho­logie seines Gesichts durch das Wachstum der Backen­wülste verän­derte. Meist beginnt das Wachstum der Backen­wülste ab einem Alter von zehn Jahren oder später. Aller­dings bekommen nicht alle männ­li­chen Orang-Utans diese Wülste. Sie treten nur bei domi­nanten Männ­chen auf.

Das Geheimnis der Backenwülste

Noch hat die Forschung nicht alle Geheim­nisse hinter den Backen­wülsten aufge­deckt. Doch es wird vermutet, dass sich diese sekun­dären Geschlechts­merk­male nur dann entwi­ckeln, wenn im Revier kein weiterer domi­nanter Orang-Utan-Mann herrscht. Männ­chen mit klei­neren oder noch in der Entwick­lung befind­li­chen Backen­wülsten sind sozialer als Männ­chen mit größeren Wülsten. Männ­chen mit großen, voll entwi­ckelten Backen­wülsten ziehen es in der Regel vor, allein zu leben und ihr Terri­to­rium zu beherr­schen, während Männ­chen mit noch wach­senden Backen­wülsten mehr Zeit damit verbringen, mit Weib­chen zu interagieren.

dominanter Orang-Utan-Mann Regenwald
Ein ausge­wach­senes domi­nantes Orang-Utan-Männchen

Das Wachstum der Backen­wülste bei männ­li­chen Orang-Utans kann auch die Vergrö­ße­rung ihres Kehl­sacks begüns­tigen. Damit können sie die soge­nannten „Long Calls“ besser ausstoßen, die oft kilo­me­ter­weit zu hören sind und die die Weib­chen anlocken.

Wenn die Backen­wülste des domi­nanten Männ­chens ausge­wachsen sind, verän­dern sich auch andere morpho­lo­gi­sche Merk­male im Gesicht, wie z. B. eine dunk­lere Haut um Augen, Augen­lider und Mund sowie ein dich­terer Bart und Schnurr­bart. Das Wachstum der Backen­wülste bei männ­li­chen Orang-Utans kann verzö­gert oder gestoppt werden, wenn die Anwe­sen­heit anderer domi­nanter Männ­chen einen intra­se­xu­ellen Wett­be­werb auslöst. Männ­liche Orang-Utans, denen in freier Wild­bahn Backen­wülste wachsen, gelten als Sieger im intra­se­xu­ellen Wett­be­werb und zeigen repro­duk­tiven Erfolg bei der Anwer­bung von Weibchen.

Mardi­antos Metamorphose

2019 hatte ein PRM-Team Mardi­anto auf einem Baum in der Nähe des Fluss­ufers entdeckt. Damals begann sich sein Gesicht ein wenig zu verän­dern. Die Haut wurde dunkler, sein Bart war dichter und eine kleine Verbrei­te­rung an der Spitze seiner Wangen ist erkennbar.

Im darauf­fol­genden Jahr – 2020 – trafen wir Mardi­anto wieder, als er sich auf einem üppigen Baum ausruhte. Wir waren sehr über­rascht, wie stark er sich verän­dert hatte. Seine Backen­wülste waren deut­lich breiter geworden.

Orang-Utan-Mann Regenwald
2021

Ein weiteres Jahr später sind ist Mardi­antos Gesicht durch die Backen­wülste schon stark verän­dert. Auch sein Kehl­sack beginnt zu wachsen. Insge­samt macht er schon einen deut­lich impo­san­teren Eindruck als zwei Jahre zuvor, als wir ihn beim Klet­tern im Regen­wald in Augen­schein nehmen konnten.

Orang-Utan-Mann Regenwald
Wie ein Wald­könig auf seinem Thron: Mardi­anto im Jahr 2022

2022 konnte das PRM-Team Mardi­anto bei verschie­denen Gele­gen­heiten im Schutz­wald Bukit Batikap antreffen. Auf Nahrungs­suche in der Nähe des Flusses, beim Wasser­trinken oder beim Spazier­gang durch sein Revier. Ihn auf einem umge­stürzten Baum sitzend zu sehen, war, als würde er wie ein Wald­könig sein Hoheits­ge­biet kontrol­lieren. Es war erstaun­lich, die morpho­lo­gi­schen Verän­de­rungen in Mardi­antos Gesicht zu sehen. Aber nicht nur sein Gesicht, sondern auch sein Körper wurde größer und sein Haar dichter.

Doch wie gelingt es unseren PRM-Teams, ein Tier zu iden­ti­fi­zieren, wenn es sich körper­lich und im Gesicht so sehr verän­dert, wie Mardi­anto? Für unsere Experten im Regen­wald ist das nur selten ein Problem. Denn jeder Orang-Utan hat bestimmte Merk­male, nach denen die PRM-Teams Ausschau halten. Bei Mardi­anto zum Beispiel ist es ein beson­deres Merkmal auf seinem Rücken. Damit war es für das Team ein Leichtes, den sich verän­dernden Orang-Utan-Mann dennoch immer eindeutig zu erkennen.

Auch die Arbeit unserer PRM-Teams in unseren Auswil­de­rungs­ge­bieten ist nur möglich Dank Ihrer Spenden. Bitte unter­stützen Sie uns weiterhin, so dass wir unseren ausge­wil­derten Orang-Utans eine sichere Zukunft bieten können.