13. März 2015

„Korrup­tion tötet Menschen und Orang-Utans” — BOS im Gespräch mit indo­ne­si­schem Schrift­steller Goenawan Mohamad

BOS hatte bei der Buch­messe Leipzig 2015 die Gele­gen­heit mit dem Schrif­steller Goenawan Soesaatyo Mohamad zu spre­chen. Der Lyriker, Jour­na­list und Essayist ist Gründer der Zeit­schrift „Tempo”, einer der einfluss­reichsten und bekann­testen Zeit­schriften Indo­ne­siens. BOS-Mitar­bei­terin Barbara Bichler hat ihn zur Lite­ratur, aber auch zu Natur­schutz­themen befragt.

Im Oktober wird Indo­ne­sien als Gast­land auf der Frank­furter Buch­messe große Aufmerksam zuteil­werden. Welche Erwar­tungen haben Sie für Ihr Land gene­rell und für Indo­ne­siens Lite­ratur im Speziellen?

Goenawan Soesaatyo (GM): In Deutsch­land weiß man wenig über die Lite­ratur Indo­ne­siens. Norma­ler­weise wissen die Leute mehr über Orang-Utans als über indo­ne­si­sche Lyrik. Es ist ein harter Job, Indo­ne­siens Lite­ratur ein wenig bekannter zu machen (lacht), aber es wäre schön! Unse­ret­willen und für die Euro­päer: Für Europa, da es für uns oft sehr selbst­be­zogen wirkt und die Euro­päer große Angst vor dem Fremden zu haben scheinen, wie man beim Thema Immi­gra­tion oder der Angst vor dem Islam sehen kann. Die Euro­päer neigen dazu, sich abzuschotten.

 

Etwas mehr über die Welt zu wissen, kann da nütz­lich sein. Das hoffe ich. Für uns, da wir der Welt zeigen müssen, dass wir nicht Orang-Utan-Killer, Regen­wald­ver­nichter und Tsuna­mi­opfer sind. Wir müssen ein diffe­ren­zier­teres Bild vermit­teln. Und deshalb ist es wichtig, die Lite­ratur als wich­tigen Teil des Gesamt­bildes von Indo­ne­sien vorzustellen.

Was sind die derzeit drän­gendsten und größten Themen in Indo­ne­sien? GM: Korrup­tion. Für mich beginnt alles mit der Korrup­tion. Sie tötet Menschen und sie tötet Orang-Utans.

Ist die kata­stro­phale Regen­wald­ab­hol­zung ein Thema im alltäg­li­chen Leben der Menschen?GM: Ja, die Leute sind zutiefst besorgt wegen der Abhol­zung, der drohenden Ressour­cen­knapp­heit, der bedrohten Biodi­ver­sität. Wiederum ist das zugrun­de­lie­gende Problem Korrup­tion und Miss­ma­nage­ment – die Regen­wälder zu schützen ist auch ein Verwal­tungs­pro­blem, ein büro­kra­ti­sches Problem.

Aber in den letzten Jahren gibt es wach­sende Initia­tiven, vor allem von Privat­per­sonen: Umwelt­schutz­gruppen und Akti­visten, allen voran junge Leute. Das ist sehr gut. Anstatt sich darüber zu beschweren, sollten wir alle helfen wo wir können – im Rahmen der ökono­mi­schen Möglich­keiten. Deshalb ist es gut, wenn in Europa auch aner­kannt wird, dass Natur­schutz eine ökono­mi­sche Frage ist: Wie kann man wirt­schaft­lich wachsen ohne die Natur zu zerstören? Solange wir uns nur gegen­seitig für die Miss­stände anklagen, wird sich nichts ändern. Wir sollten damit anfangen, das Gefühl der Bedro­hung gemeinsam zu empfingen, wir sollten gemeinsam die Last tragen.

Welche Rolle spielt Lite­ratur im tägli­chen Leben in Indonesien?
GM: Gene­rell wird Lyrik höher geschätzt als belle­tris­ti­sche Lite­ratur; es gibt eine reiche Lyrik­tra­di­tion. Die großen Tages­zei­tungen haben wöchent­liche Beilagen zu Lyrik – das gibt es hier in Europa so nicht. Aller­dings wird dadurch Lite­ra­ri­sches in Indo­ne­sien auch zu etwas Selbst­ver­ständ­li­chem, das man nicht als hohes Gut ansieht, für das man sich in der zeit­ge­nös­si­schen Kultur stark machen muss. Das sollte anders werden.

Und zum Abschluss würden wir gern von Ihnen wissen: Haben Sie ein Lieblingstier?
GM: Vögel. Ich mag alle Vogel­arten. Sie bergen so viele Über­ra­schungen. Ihre Farben, ihre Klänge, ihre Flüch­tig­keit, die Bewe­gung von Federn … — das ist sehr poetisch.

Vielen Dank für das Gespräch und Ihre Zeit!