26. Februar 2021

Haben Menschen­affen Humor?

Bisher wurde neckendes Verhalten bei Menschen­affen in wissen­schaft­li­chen Studien als eine Form von Aggres­sion oder Spiel abgetan und nicht weiter unter­sucht. Eine aktu­elle Studie zeigt nun, dass mehr dahin­ter­steckt. Bereits bei Klein­kin­dern ab einem Alter von unter einem Jahr kann man schon beob­achten, dass sie Andere spie­le­risch necken (1–3). So halten sie beispiels­weise der Mutter ein Spiel­zeug hin und ziehen es dann wieder­holt spie­le­risch zurück – im letzten Moment, sobald die Mutter danach greifen möchte.

Oder es werden beab­sich­tigt Hand­lungen wieder­holt ausge­führt, von denen das Kind genau weiß, dass diese verboten sind. Wie etwa den Herd einschalten. Man kann Klein­kinder auch dabei beob­achten, wie sie absicht­lich bestimmte Tätig­keiten der Eltern stören. Beispiels­weise stän­diges Hinein­greifen, während das Eltern­teil etwas schreibt, liest oder wenn das Kind einen Erwach­senen wieder­holt beim Schlafen stört.

Bei all diesen Situa­tionen kann man beob­achten, dass die Kinder dabei aktiv in das Gesicht der jewei­ligen Person blicken, lachen und auf eine emotio­nale Reak­tion des Anderen warten. Sie scheinen vor allem nach posi­tiven emotio­nalen Reak­tionen zu suchen, denn Hand­lungen, die zu nega­tiven Reak­tionen der Eltern führen, werden selten wieder­holt (4). Durch das spie­le­ri­sche Necken können soziale Grenzen ausge­testet und bei gegen­sei­tigem Spaß, sogar die Bezie­hung unter­ein­ander gestärkt werden. Ganz nach dem Motto, „was sich liebt das neckt sich“.

Aus wissen­schaft­li­cher Sicht ist spie­le­ri­sches Necken beson­ders faszinierend.

Zum Beispiel scheint ein Kind vorher­zu­sehen, dass die Mutter nach dem Spiel­zeug greifen wird, und dass ein vorzei­tiges Zurück­ziehen einen Moment der Über­ra­schung provo­ziert. Damit wird also die Erwar­tungs­hal­tung der Mutter, nämlich den Gegen­stand zu erhalten, nicht erfüllt. Das Kind ist sich also der Erwar­tung der Mutter bewusst und weist diese absicht­lich zurück (5). Die Fähig­keit, Gefühle, Bedürf­nisse und Absichten bei Anderen zu vermuten – also eine Art Gedan­ken­lesen: „Wenn ich das tue, werde ich sie damit über­ra­schen“ – gehört zu den höheren, bis vor kurzem für rein mensch­lich gehal­tenen, Fähig­keiten. Obwohl dieses Thema von Experten derzeit noch strittig disku­tiert wird, so gibt es erste Hinweise darauf, dass Menschen­affen zumin­dest Vorstufen dieser Fähig­keit besitzen (e.g. 6).

Zeigen Menschen­affen auch spie­le­ri­sches Necken?

Unsere nächsten Verwandten kommu­ni­zieren über Laute, Körper­sprache und Gesten. Sie zeigen eine ausge­prägte Mimik, verfügen über ein komplexes Sozi­al­leben und eine hohe Intel­li­genz. Was etwa die Mimik betrifft, so gibt es einige bemer­kens­werte Ähnlich­keiten zu mensch­li­chen Gesichts­aus­drü­cken (7). Wenn Orang-Utans, Gorillas, Schim­pansen und Bonobos mitein­ander spielen, zeigen sie das soge­nannte „Spiel­ge­sicht“. Dabei ist der Mund entspannt geöffnet und die oberen Schnei­de­zähne von der herab­hän­genden Ober­lippe bedeckt. Beim vollen Spiel­ge­sicht sind auch die oberen Schnei­de­zähne sichtbar. Manchmal kann beim Spielen oder beim sich gegen­sei­tigem Kitzeln sogar Lachen vernommen werden, das in vielerlei Hinsicht mit mensch­li­chem Lachen vergleichbar ist (8).

Doch zeigen sie auch ähnliche Formen von spie­le­ri­schem Necken wie Kleinkinder?

Es gibt erste Hinweise darauf, dass Orang-Utans, Schim­pansen und Bonobos, das zuvor bei Kindern beschrie­bene spie­le­ri­sche Anbieten und Zurück­ziehen von Gegen­ständen zeigen (9–11). In den beob­ach­teten Fällen wurden die Hand­lungen mehr­mals, auf spie­le­ri­sche Art und Weise wiederholt.
Im Bild unten sieht man, wie ein männ­li­cher Orang-Utan auf der linken Seite, ein Weib­chen, das sich auf der rechten Seite befindet, mit einem Stecken neckt. Sobald sie danach greift, zieht er ihn zurück. Kurz danach wedelt er mit dem Stecken direkt vor ihrem Gesicht. Als sie daraufhin versucht, in den Stecken hinein­zu­beißen, zieht er ihn schnell wieder zurück (5).

Spielerisches Necken unter Laborbedingungn
Spie­le­ri­sches Necken unter Laborbedingungen

Es gibt auch einige wenige anek­do­ti­sche Beschrei­bungen, in denen ein Menschen­affe scheinbar bewusst etwas anderes, als das von ihm erwünschte, tut. Ein Beispiel: Das Gorilla- Weib­chen Koko war in einer modi­fi­zierten Form der ameri­ka­ni­schen Gebär­den­sprache ausge­bildet. Manchmal gab sie scheinbar beab­sich­tigt falsche Antworten auf Fragen, auf die sie laut Aussage ihrer Betreuerin die rich­tige Antwort kannte. Auf die Frage „Was benutzt Penny, um ihre Zähne zu putzen?“ signa­li­sierte Koko „Fuß“. Als Antwort auf die nächste Frage „Was tut Penny auf ihre Zahn­bürste?“ signa­li­sierte sie „Nase“, um daraufhin den Fuß zur Nase zu bringen und ein Spiel­ge­sicht zu zeigen (12).

Auch die dritte Form von kind­li­chem spie­le­ri­schem Necken wurde bereits bei Menschen­affen beschrieben. Zum Beispiel berich­tete die briti­sche Verhal­tens­for­scherin Jane Goodall davon, wie junge Schim­pansen ältere Tiere beim Schlafen störten, indem sie auf sie sprangen, sie spie­le­risch bissen und an den Haaren zogen. Die Erwach­senen reagierten darauf weitest­ge­hend gelassen, manchmal sogar mit Spiel (e.g. 13).

Nicht-verbales neckendes Verhalten könnte demnach ein evolu­tionär altes Verhalten sein, das mögli­cher­weise bereits unser gemein­samer Vorfahre zeigte. Um genaue Rück­schlüsse zu ziehen, und mögliche Formen und Funk­tionen des spie­le­ri­schen Neckens zu erfor­schen, sind aller­dings noch weitere Studien nötig.

Wenn Menschenaffen miteinander spielen, zeigen sie das Spielgesicht
Wenn Menschen­affen mitein­ander spielen, zeigen sie das Spielgesicht

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Dr. Isabelle Laumer arbeitet derzeit an der UCLA an einem Projekt über spie­le­ri­sches Necken, Freude und Humor bei Menschen­affen. Sie freut sich schon, Ihnen bald noch mehr über dieses faszi­nie­rende Verhalten bei unseren nächsten Verwandten zu berichten.

 

Refe­renzen:

1.    Mire­ault G, Reddy V. 2016 Humor in infants. Cham, Switz­er­land: Springer.
2.    Reddy V. 1991 Playing with others’ expec­ta­tions: teasing and mucking about in the first year. In natural theo­ries of mind: evolu­tion, deve­lo­p­ment and simu­la­tion of ever­yday mind­re­a­ding. Cambridge, MA: Basil Blackwell.
3.    Reddy V, Mire­ault G. 2015 Teasing and clow­ning in infancy. Curr. Biol. 25, R20–R23.
4.    Reddy V. 1991 Playing with others’ expec­ta­tions: teasing and mucking about in the first year. In natural theo­ries of mind: evolu­tion, deve­lo­p­ment and simu­la­tion of ever­yday mind­re­a­ding. Cambridge, MA: Basil Blackwell.
5.    Eckert J, Winkler SL, Cart­mill EA. 2020 Just kidding: the evolu­tio­nary roots of playful teasing. Biol. Lett. 16: 20200370.
6.    Krupenye C, Kano F, Hirata S, Call J, Toma­sello M, 2016. Great apes anti­ci­pate that other indi­vi­duals will act accor­ding to false beliefs. Science, 7 : 110–114.
7.    M. E. Kret, E. Prochaz­kova, E. H.M. Sterck, Z. Clay, 2020 Emotional expres­sions in human and non-human great apes, Neuro­sci­ence & Biobe­ha­vi­oral Reviews, 115, 378–395.
8.    M. Davila Ross, M. J Owren, E. Zimmer­mann, 2009 Recon­s­truc­ting the Evolu­tion of Laughter in Great Apes and Humans, Current Biology 19, 1106–1111.
9.    Call J, Toma­sello M. 2007 The gestural reper­toire of chim­pan­zees (pan troglo­dytes). In The gestural commu­ni­ca­tion of apes and monkeys, pp. 17–39. New York, NY: Taylor & Francis Group/Lawrence Erlbaum Associates.
10.    Cart­mill EA, Byrne RW. 2010 Seman­tics of primate gestures: inten­tional meanings of oran­gutan gestures. Anim. Cogn. 13, 793–804.
11.    Krupenye C, Tan J, Hare B. 2018 Bonobos volun­t­a­rily hand food to others but not toys or tools. Proc. R. Soc. B 285, 20181536.
12.    Hiller B, Patterson PG. 1986 Conver­sa­tions with Koko. Gorilla Journal. 10, 7–8.
13.    Van Lawick-Goodall J. 1968 The beha­viour of free living chim­pan­zees in the Gombe stream reserve. Anim. Behav. Monogr. 1, 161-IN12.