Was machen Orang-Utans, wenn sie gerade frisch in die Frei­heit entlassen wurden? Manche werden über­mütig, gebärden sich wie die Herr­scher des Regen­walds und protzen gegen­über Artge­nossen so richtig mit ihren Muskeln. Andere wiederum genießen einfach nur das Leben und pflegen ihre während der Reha­bi­li­tie­rung gewon­nenen Freundschaften.

Einer von ihnen ist Totti. Gerade wurde der zwölf­jäh­rige als einer von sechs Menschen­affen in den Schutz­wald von Kehje Sewen ausge­wil­dert. Die neuge­won­nene Unab­hän­gig­keit scheint er regel­recht zu zele­brieren. Vor sich hin dösend wurde er jetzt von unseren Mitar­bei­tern an den Ufern des Telen-Flusses beob­achtet. Und er war nicht allein. Neben ihm hatte es sich Sakura gemüt­lich gemacht. 

Entspannt baumelte sie direkt neben Totti unter dem Blät­ter­bal­da­chin eines Baumes. Während Sakura einfach nur chillte, widmete sich das Männ­chen seiner Lieb­lings­be­schäf­ti­gung: Futter suchen. Ganz in der Nähe fanden sich jede Menge Etlin­gera-Triebe, Wald­früchte und Rinde. Plötz­lich weckte eine Bewe­gung Tottis Aufmerk­sam­keit: War da etwa Besuch im Anmarsch?

Freund oder Feind?

Nicht jeder ist bei den Einzel­gän­gern im Urwald ein gern gese­hener Gast. Totti beäugte miss­trau­isch den Orang-Utan, der sich ihm näherte: Derek zog gemeinsam mit ihm, Sakura und drei anderen vor kurzem nach Kehje Sewen. Jetzt rannte er ziel­strebig auf Totti zu. Ein gutes oder schlechtes Zeichen? Gerade als es so aussah, als würden sich die kräf­tigen Männer in die Haare kriegen, brei­teten sie die Arme aus und umarmten sich.

Was für ein Wieder­sehen! Die zwei schien eine echte Freund­schaft zu verbinden. Sie tratschten auf eine Art, die wohl nur sie selbst verstehen und begut­ach­teten gegen­seitig ihre Statur. Totti war von Dutzenden Blut­egeln gequält. Kein Problem für Derek, der suchte die lästigen Biester seinem Kumpel vom Körper. Eine finale Umar­mung später marschierte Totti wieder zum Flussufer.

Klar, hier gab es frisches Wasser, leckere Lianen­rinde und einen umge­fal­lenen Baum­stamm, von dem aus er das vorbei­schnel­lende Wasser perfekt beob­achten konnte. Eine Weile später zog es ihn dann doch wieder Rich­tung Land. In einem Baum hielt Totti ein Nicker­chen, bevor er zu einer Tour durch die Wipfel des Waldes aufbrach. 

So verging ein ganzer Tag: Futtern, Schlafen, Klet­tern, Beob­achten. Erst gegen 19 Uhr machte Totti sich fertig für die Nacht. Für Orang-Utans ist das unge­wöhn­lich spät, schließ­lich müssen sie täglich aufs Neue ihr Schlaf­nest bauen. Unser junger Held präpa­rierte seines in nur zehn Minuten. Außergewöhnlich!

Solche unbe­schwerten Tage wünschen wir allen unseren ausge­wil­derten Schütz­lingen. Dass sie sich wohl­fühlen, ist für uns der größte Lohn unserer Arbeit.

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