3. August 2021

Anthro­pozän — Das Zeit­alter des Menschen

Seit der Sess­haft­wer­dung haben wir unseren Planeten so stark verän­dert, dass Wissen­schaftler ein neues Erdzeit­alter benennen wollen, das Anthro­pozän, das Zeit­alter des Menschen. Land­wirt­schaft ist die Grund­lage unserer Ernäh­rung. In den letzten Jahr­tau­senden haben wir sie immer mehr opti­miert, zulasten der Böden.

Sie erodieren und laugen durch Inten­siv­land­wirt­schaft aus. Eine Heraus­for­de­rung ange­sichts der wach­senden Welt­be­völ­ke­rung. In der Jung­stein­zeit begann der Mensch, sich die Erde untertan zu machen. Indem er sess­haft wurde, Ackerbau und Vieh­zucht betrieb, setzte er einen Prozess in Gang, der das Gesicht der Welt ein für alle Mal verän­derte. 12 000 Jahre später erlauben uns Satel­li­ten­bilder einen buch­stäb­lich globalen Blick auf die Folgen mensch­li­chen Wirkens: Land­wirt­schaft­liche Nutz­flä­chen über­ziehen große Teile der Erdober­fläche mit geome­tri­schen Mustern, Mega­städte wuchern über schier endlose Flächen, Straßen winden sich selbst durch Hoch­ge­birge und Wüsten. Die soge­nannte Tech­no­sphäre, die von Menschen herge­stellten Dinge, wiegt mitt­ler­weile mehr als die Gesamt­heit aller Tiere und Pflanzen. Rund 50 Kilo­gramm Menschen­werk lasten statis­tisch gesehen auf jedem Quadrat­meter des Planeten. Und die Welt­be­völ­ke­rung wächst und wächst. Im Jahr 2050 werden etwa zehn Milli­arden Menschen auf der Erde leben. Sie alle zu ernähren wird eine der großen Heraus­for­de­rungen der Zukunft sein. Denn nur etwa ein Achtel der Erdober­fläche kann über­haupt land­wirt­schaft­lich genutzt werden. Mit der syste­ma­ti­schen Bear­bei­tung des Bodens geht in der Vergan­gen­heit auch die Geburt der ersten großen Hoch­kul­turen, wie etwa Ägypten, einher. Land­wirt­schaft wird zum Motor der Staa­ten­bil­dung, und damit nimmt der Prozess der Welt­ver­än­de­rung durch den Menschen langsam Fahrt auf. Ein weiterer großer Meilen­stein auf dem Weg zum Zeit­alter des Anthro­po­zäns ist das Römi­sche Reich. Seine Inge­nieure durch­ziehen die Welt mit einem Stra­ßen­netz von über 200 000 Kilo­me­tern Gesamt­länge und beschleu­nigen so die Umge­stal­tung der Welt und die Ausbeu­tung ihrer Ressourcen. Aber auch auf der anderen Seite der Erde, in China, machen sich Menschen schon vor Jahr­tau­senden daran, die Welt für ihre Zwecke umzu­ge­stalten, durch die Anlage von Aber­tau­senden Reis­terrassen. Auch an entle­genen Orten zeigt sich, dass die von Menschen verur­sachten Umwelt­ver­än­de­rungen keines­wegs auf die Moderne beschränkt sind. Schon die Wikinger, die im 9. Jahr­hun­dert Island besie­delten, trieben Raubbau an den Wäldern, nicht anders als die Bewohner Zentral­eu­ropas. Im späten Mittel­alter gab es auf dem Gebiet Deutsch­lands weniger Wald­ge­biete als heute — mit den bekannten nega­tiven Folgen: Die unge­schützten Flächen erodierten zuse­hends durch Wind und Regen. Der nächste große Beschleu­ni­gungs­faktor auf dem Weg zum Anthro­pozän wird die Entde­ckung Amerikas und die Ausbeu­tung seiner Ressourcen durch Euro­päer. Den Indios war es gelungen, aus einem Wild­gras die Mais­pflanzen zu züchten, wie wir sie bis heute anbauen. Mit einer jähr­li­chen Ernte von mehr als einer Milli­arde Tonnen prägt Mais heut­zu­tage ganze Land­schaften. Vor allem in den USA trat eine Form des indus­tria­li­sierten Anbaus den Siegeszug an, der die Land­wirt­schaft radikal revo­lu­tio­nierte: auf riesigen Flächen, mit schweren Maschinen, künst­li­cher Bewäs­se­rung und einem gezielten Einsatz von Chemie. Durch dieses „Precision Farming“ werden mitt­ler­weile Erträge erzielt, die noch vor 100 Jahren unvor­stellbar waren. Einen Baustein dazu lieferte der deut­sche Chemiker Fritz Haber, der vor dem Ersten Welt­krieg ein Verfahren entwi­ckelte, aus Luft­stick­stoff Ammo­niak herzu­stellen, die chemi­sche Basis für Kunst­dünger. Das Haber-Bosch-Verfahren ist bis heute eine Schlüs­sel­tech­no­logie, ohne die die Ernäh­rung einer wach­senden Welt­be­völ­ke­rung kaum möglich wäre. Eine weniger offen­sicht­liche, aber nicht weniger folgen­schwere Auswir­kung des Anthro­po­zäns ist die durch Menschen verur­sachte Migra­tion von Pflanzen. Durch die Erfin­dung kleiner mobiler Treib­häuser durch den Engländer Natha­niel Ward im frühen 19. Jahr­hun­dert wurde es möglich, Setz­linge per Schiff über die Ozeane zu verfrachten. So gelangten nicht nur Teepflanzen nach Indien und Gummi­bäume nach Asien, sondern auch eine unge­zählte Schar blinder Passa­giere auf den Schiffen, Mikroben, Para­siten, Insekten und andere Tiere, die viele Ökosys­teme auf der Welt radikal verän­derten. Die Folgen unserer Eingriffe in die Natur sind viel­fach spürbar. Wegen fehlender Bienen müssen Obst­felder in China bereits künst­lich bestäubt werden, und in Deutsch­land sind während der vergan­genen Jahr­zehnte 70 Prozent der Insekten verschwunden.