Heute gewährt das Team der BOSF Familie Over einen noch tieferen Einblick in die Arbeit der Rettungsstation: professionell, leidenschaftlich und engagiert! Mit dem Boot fahren sie zur Quarantäne-Auswilderungs-Insel. Wieder zurück an Land, dürfen sie miterleben, wie die Babys in den Waldkindergarten gebracht werden. Und dann warten sie auf Henry…
3. Mai / Betroffenheit und Wünsche / mit dem Boot zur Auswilderungs-Insel / Babys auf dem Weg zum Waldkindergarten / Warten auf Henry: Nochmals möchten wir erklären, dass es völlig unüblich ist, dass Fremde in die Stationen der BOSF vorgelassen werden. Orang-Utan-Tourismus ist völlig tabu. Dies unterschreiben wir uneingeschränkt. Denn Orang-Utan-Waisen müssen auf jeder ihrer Stationen durch die Rettungs-Camps geschützt, eben nicht an Menschen gewöhnt und auf ihre Auswilderung in Freiheit vorbereitet werden. Es ist schmerzlich genug, wenn sich die menschlichen Ersatzmütter bei der Auswilderung von ihren Pflegekindern verabschieden müssen und umgekehrt.
Dass Benni die Möglichkeit geschenkt wurde, Orang Utans nahe zu begegnen oder sogar in Kontakt zu treten, ist eine absolute Ausnahme. „Warum?“, könnten Hardliner fragen oder andere wiederum als Gefühls-Romantik aufgrund eines Herzenswunsches abtun. Um jenen Stimmen gleich zuvor zukommen, hier der Versuch einer Antwort. Diese ist so simpel wie gehaltvoll: Weil dies wohl von einer höheren Macht so gewollt ist — und weil Benni die Herzen der Verantwortlichen, der Mitarbeiter der Teams im Sintang Orang-Utan-Center, der Borneo Orangutan Foundation in Nyaru Menteng, der Dayaks, der vielen, vielen Kinder und Menschen in den Schulen und in Indonesien erobert hat und umgekehrt einen großen Herzenswunsch mit auf den Weg bekommen hat: “Erzähle von deinen Erlebnissen, erzähle von uns, erzähle über unsere Situation und unsere Probleme — und erzähle jenen Menschen davon, welche spürbar helfen könnten, das alles zu ändern und hin zu einer bessern Welt umzukehren: den Mächtigen (z. B. Politik), den Einflussreichen (z. B. Kirche), den Wirtschafts-Giganten (z. B. Unternehmen); die das alles zulassen oder sogar alles in Gang halten. Wir brauchen dringend Hilfe von aussen!“
Thomas Stillbauer, Redakteur der Frankfurter Rundschau, fasst in dem zu Pfingsten erschienenen Artikel „Benni bei den roten Brüdern“ wie folgt zusammen: „Kaum zu glauben. Wenn ein junger Mann im Rollstuhl das alles schafft, dann muss es auch Hoffnung für die Orang-Utans geben, für den Regenwald — und vielleicht für die Vernunft der Menschen“.
Wir hoffen auf das Licht am Ende des Tunnels. In diesem Bild freuen sich Freunde und Sympathisanten von Bennis Projekt sehr darüber, dass sich das Bildungsministerium Rheinland-Pfalz dafür einsetzen wird, das Thema Nachhaltigkeit — auch in Anlehnung an Bennis Projekt — in den Unterricht von Grundschulen und vielleicht darüber hinaus zu integrieren.
Wer die Orang-Utans und den Regenwald retten möchte, der muss bei den Menschen beginnen. Vielleicht können Kinder mit ihrer Stimme die Mächtigen und Einflussreichen dieser Welt bewegen, täglich für eine bessere Welt einzutreten und zu arbeiten.
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…doch jetzt weiter im Reisebericht aus Nyaru Menteng.
Wir sind mit dem BOSF-Team unterwegs und später am Tag soll es hoffentlich zur Begegnung von Benni und Henry kommen. Zunächst aber geht es mit einem Boot zu einer der Inseln, auf der Orang-Utans untergebracht sind, die in der letzten Phase ihrer Ausbildung stehen (Prerelease-Islands). Hier leben die Tiere fast autark, bekommen nur zusätzliches Futter, da die Inseln dieses nicht ausreichend hergeben.
Ein paar Bretter dienen als Behelfssteg, um Benni samt Rollstuhl ins Boot zu hieven. Die hohe Luftfeuchte macht uns allen zu schaffen. Heute kommt die direkte Sonneneinstrahlung hinzu.
In angemessenem Abstand beobachten wir die für die Auswilderung vorgesehenen Orang-Utans. Björn ist mit der Kamera dabei. Er dreht alle Doku- und Image-Filme für die BOSF. „Wir wollen nur Björn, denn er weiß sich richtig zu verhalten bei den Orang-Utans. Er ist der beste“, so der CEO der BOSF, Dr. Jamartin Sihite. Aus der Ferne erkennen wir ausgewachsene Orang-Utans. Näher wollen und dürfen wir nicht heran.
Zurück auf festem Boden fahren wir zum BOS-Babyhaus. Außer Benni und mir müssen alle einen großen Abstand einhalten. Durch die Ritzen des Bretterzauns können wir beobachten, wie die Babys für den Transport in den Kindergarten liebevoll auf Schubkarren verladen werden. Sie purzeln hin und her, greifen nach ihren Stoff-Kuscheltieren oder versuchen in die andere Schubkarre zu klettern. “All ihre Mütter sind getötet bzw. ermordet worden“, trifft es mich bei diesem Anblick.
Sri, die auch Henrys Pflegerin ist, bringt den kleinen Orang-Utan Valentino in unsere Nähe. Freunde von uns haben eine Patenschaft für Valentino übernommen und haben uns zudem eine separate Spende zur Übergabe an die BOSF mit auf den Weg gegeben. Jamartin, Denny und Pauline freuen sich sehr über die Spende und haben sich zwischenzeitlich schon bei den Rheinland-Pfälzern aus Urbar mit einem Scheiben bedankt.
Bei uns steigt die Spannung. Während alle jüngeren Orang-Utans schon wieder zurück sind aus der Waldschule (Regenwald hinter dem Camp), lässt der mittlerweile 6 1/2 Jahre alte Henry auf sich warten. Auch Ina von Franztius (Deutsche Botschaft), die das Unternehmen „Benni meets Henry“ begeistert hat, wartet schon verzweifelt auf Henry, denn ihr Rückflug nach Jakarta ist für heute Nachmittag gebucht. Gerne würde sie noch mit erleben, wenn die beiden, Benni und Henry, aufeinander treffen. Aber Henry kommt nicht …
Langweilig wird uns nicht. Wir erfreuen uns derweil an dem Treiben auf dem Spielplatz. Irgendwie möchte man am liebsten mitspielen.
Gegen 17.00 Uhr setzt die Dämmerung ein. Denny, der Leiter des Camps, erklärt uns, dass er ein Team rausgeschickt habe, um Henry zu finden. Henry, in Bälde Kandidat für die Prerelease-Insel, bliebe auch schon mal eine Nacht mit seinen Kumpels draußen im Regenwald. Auch wäre es schon passiert, dass Henry dann mitten in der Nacht an die Fenster des Gebäudes mit der Nachtwache angeklopft habe. Er habe dann sein Fressen bekommen und sei sodann zu den anderen ins Haus geschlüpft. Dass Henry nicht komme, sei ja ein gutes Zeichen und eine Bestätigung für die Arbeit seines Teams. Aber heute… Denny ist total deprimiert. Denn auch er hat Benni längst ins Herz geschlossen und möchte so gerne, dass es zur Begegnung der beiden kommt…
Mit Denny zusammen warten und hoffen wir.
Dann kommt das Team mit hängenden Schultern und traurig dreinblickend zurück aus dem Regenwald. Man hat Henry nicht gefunden.
Beim Verlassen des Camps rufen die Mitarbeiter noch mit einer extra Portion Zuversicht bzw. lächelnden Gesichtern dem enttäuschten Benni zu: „Morgen wird es klappen“. Hoffentlich… denn morgen ist unser letzter Tag. Benni lächelt zurück, aber am Abend im Bett fragt er: „Wird Henry morgen kommen?”