17. Mai 2016

Bennis Reise­ta­ge­buch — Warten auf Henry

Heute gewährt das Team der BOSF Familie Over einen noch tieferen Einblick in die Arbeit der Rettungs­sta­tion: profes­sio­nell, leiden­schaft­lich und enga­giert! Mit dem Boot fahren sie zur Quaran­täne-Auswil­de­rungs-Insel. Wieder zurück an Land, dürfen sie miter­leben, wie die Babys in den Wald­kin­der­garten gebracht werden. Und dann warten sie auf Henry…

3. Mai / Betrof­fen­heit und Wünsche / mit dem Boot zur Auswil­de­rungs-Insel / Babys auf dem Weg zum Wald­kin­der­garten / Warten auf Henry: Noch­mals möchten wir erklären, dass es völlig unüb­lich ist, dass Fremde in die Stationen der BOSF vorge­lassen werden. Orang-Utan-Tourismus ist völlig tabu. Dies unter­schreiben wir unein­ge­schränkt. Denn Orang-Utan-Waisen müssen auf jeder ihrer Stationen durch die Rettungs-Camps geschützt, eben nicht an Menschen gewöhnt und auf ihre Auswil­de­rung in Frei­heit vorbe­reitet werden. Es ist schmerz­lich genug, wenn sich die mensch­li­chen Ersatz­mütter bei der Auswil­de­rung von ihren Pfle­ge­kin­dern verab­schieden müssen und umgekehrt. 
Dass Benni die Möglich­keit geschenkt wurde, Orang Utans nahe zu begegnen oder sogar in Kontakt zu treten, ist eine abso­lute Ausnahme. „Warum?“, könnten Hard­liner fragen oder andere wiederum als Gefühls-Romantik aufgrund eines Herzens­wun­sches abtun. Um jenen Stimmen gleich zuvor zukommen, hier der Versuch einer Antwort. Diese ist so simpel wie gehalt­voll: Weil dies wohl von einer höheren Macht so gewollt ist — und weil Benni die Herzen der Verant­wort­li­chen, der Mitar­beiter der Teams im Sintang Orang-Utan-Center, der Borneo Oran­gutan Foun­da­tion in Nyaru Menteng, der Dayaks, der vielen, vielen Kinder und Menschen in den Schulen und in Indo­ne­sien erobert hat und umge­kehrt einen großen Herzens­wunsch mit auf den Weg bekommen hat: “Erzähle von deinen Erleb­nissen, erzähle von uns, erzähle über unsere Situa­tion und unsere Probleme — und erzähle jenen Menschen davon, welche spürbar helfen könnten, das alles zu ändern und hin zu einer bessern Welt umzu­kehren: den Mäch­tigen (z. B. Politik), den Einfluss­rei­chen (z. B. Kirche), den Wirt­schafts-Giganten (z. B. Unter­nehmen); die das alles zulassen oder sogar alles in Gang halten. Wir brau­chen drin­gend Hilfe von aussen!“
Thomas Still­bauer, Redak­teur der Frank­furter Rund­schau, fasst in dem zu Pfingsten erschie­nenen Artikel Benni bei den roten Brüdern“ wie folgt zusammen: „Kaum zu glauben. Wenn ein junger Mann im Roll­stuhl das alles schafft, dann muss es auch Hoff­nung für die Orang-Utans geben, für den Regen­wald — und viel­leicht für die Vernunft der Menschen“. 

Wir hoffen auf das Licht am Ende des Tunnels. In diesem Bild freuen sich Freunde und Sympa­thi­santen von Bennis Projekt sehr darüber, dass sich das Bildungs­mi­nis­te­rium Rhein­land-Pfalz dafür einsetzen wird, das Thema Nach­hal­tig­keit — auch in Anleh­nung an Bennis Projekt — in den Unter­richt von Grund­schulen und viel­leicht darüber hinaus zu integrieren.
Wer die Orang-Utans und den Regen­wald retten möchte, der muss bei den Menschen beginnen. Viel­leicht können Kinder mit ihrer Stimme die Mäch­tigen und Einfluss­rei­chen dieser Welt bewegen, täglich für eine bessere Welt einzu­treten und zu arbeiten.
 

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…doch jetzt weiter im Reise­be­richt aus Nyaru Menteng.

Wir sind mit dem BOSF-Team unter­wegs und später am Tag soll es hoffent­lich zur Begeg­nung von Benni und Henry kommen. Zunächst aber geht es mit einem Boot zu einer der Inseln, auf der Orang-Utans unter­ge­bracht sind, die in der letzten Phase ihrer Ausbil­dung stehen (Prere­lease-Islands). Hier leben die Tiere fast autark, bekommen nur zusätz­li­ches Futter, da die Inseln dieses nicht ausrei­chend hergeben.
Ein paar Bretter dienen als Behelfs­steg, um Benni samt Roll­stuhl ins Boot zu hieven. Die hohe Luft­feuchte macht uns allen zu schaffen. Heute kommt die direkte Sonnen­ein­strah­lung hinzu. 
In ange­mes­senem Abstand beob­achten wir die für die Auswil­de­rung vorge­se­henen Orang-Utans. Björn ist mit der Kamera dabei. Er dreht alle Doku- und Image-Filme für die BOSF. „Wir wollen nur Björn, denn er weiß sich richtig zu verhalten bei den Orang-Utans. Er ist der beste“, so der CEO der BOSF, Dr. Jamartin Sihite. Aus der Ferne erkennen wir ausge­wach­sene Orang-Utans. Näher wollen und dürfen wir nicht heran.

Zurück auf festem Boden fahren wir zum BOS-Baby­haus. Außer Benni und mir müssen alle einen großen Abstand einhalten. Durch die Ritzen des Bret­ter­zauns können wir beob­achten, wie die Babys für den Trans­port in den Kinder­garten liebe­voll auf Schub­karren verladen werden. Sie purzeln hin und her, greifen nach ihren Stoff-Kuschel­tieren oder versu­chen in die andere Schub­karre zu klet­tern. “All ihre Mütter sind getötet bzw. ermordet worden“, trifft es mich bei diesem Anblick. 
Sri, die auch Henrys Pfle­gerin ist, bringt den kleinen Orang-Utan Valen­tino in unsere Nähe. Freunde von uns haben eine Paten­schaft für Valen­tino über­nommen und haben uns zudem eine sepa­rate Spende zur Über­gabe an die BOSF mit auf den Weg gegeben. Jamartin, Denny und Pauline freuen sich sehr über die Spende und haben sich zwischen­zeit­lich schon bei den Rhein­land-Pfäl­zern aus Urbar mit einem Scheiben bedankt. 

Bei uns steigt die Span­nung. Während alle jüngeren Orang-Utans schon wieder zurück sind aus der Wald­schule (Regen­wald hinter dem Camp), lässt der mitt­ler­weile 6 1/2 Jahre alte Henry auf sich warten. Auch Ina von Franz­tius (Deut­sche Botschaft), die das Unter­nehmen „Benni meets Henry“ begeis­tert hat, wartet schon verzwei­felt auf Henry, denn ihr Rück­flug nach Jakarta ist für heute Nach­mittag gebucht. Gerne würde sie noch mit erleben, wenn die beiden, Benni und Henry, aufein­ander treffen. Aber Henry kommt nicht … 

Lang­weilig wird uns nicht. Wir erfreuen uns derweil an dem Treiben auf dem Spiel­platz. Irgendwie möchte man am liebsten mitspielen.

Gegen 17.00 Uhr setzt die Dämme­rung ein. Denny, der Leiter des Camps, erklärt uns, dass er ein Team raus­ge­schickt habe, um Henry zu finden. Henry, in Bälde Kandidat für die Prere­lease-Insel, bliebe auch schon mal eine Nacht mit seinen Kumpels draußen im Regen­wald. Auch wäre es schon passiert, dass Henry dann mitten in der Nacht an die Fenster des Gebäudes mit der Nacht­wache ange­klopft habe. Er habe dann sein Fressen bekommen und sei sodann zu den anderen ins Haus geschlüpft. Dass Henry nicht komme, sei ja ein gutes Zeichen und eine Bestä­ti­gung für die Arbeit seines Teams. Aber heute… Denny ist total depri­miert. Denn auch er hat Benni längst ins Herz geschlossen und möchte so gerne, dass es zur Begeg­nung der beiden kommt…
Mit Denny zusammen warten und hoffen wir.
Dann kommt das Team mit hängenden Schul­tern und traurig drein­bli­ckend zurück aus dem Regen­wald. Man hat Henry nicht gefunden. 

Beim Verlassen des Camps rufen die Mitar­beiter noch mit einer extra Portion Zuver­sicht bzw. lächelnden Gesich­tern dem enttäuschten Benni zu: „Morgen wird es klappen“. Hoffent­lich… denn morgen ist unser letzter Tag. Benni lächelt zurück, aber am Abend im Bett fragt er: „Wird Henry morgen kommen?”