Mit Schimpanse und Bonobo, zwei Gorilla- und zwei Orang-Utan-Arten gab es (ohne den Menschen) bisher sechs Menschenaffenarten. Zur Überraschung der Fachleute und der ganzen Welt ist jetzt ein siebter aufgetaucht: Pongo tapanuliensis, der Tapanuli-Orang-Utan. Benannt wurde er nach seinem Verbreitungsgebiet in Nordsumatra. Man hielt ihn bisher für eine Unterart des Sumatra-Orang-Utans Pongo abelii und identifizierte ihn erst dieses Jahr als eigenständige Spezies.
Interessanterweise ist der Tapanuli-Orang-Utan enger mit seinen Vettern auf Borneo (Pongo pygmaeus) verwandt als mit den geografisch viel näher beheimateten Sumatra-Orang-Utans. Die Linien der heutigen Borneo- und Sumatra-Orang-Utans trennten sich bereits vor ca. 3,4 Millionen Jahren, während sich Borneo- und Tapanuli-Orang-Utan erst vor etwa 670.000 Jahren voneinander abspalteten. Das war möglich, weil der Meeresspiegel damals tiefer lag und Sumatra und Borneo keine Inseln waren, sondern zum heute versunkenen Sundaland gehörten.
Von Pongo tapanuliensis existieren nach gegenwärtigem Kenntnisstand noch etwa 800 Individuen auf einem Territorium von gerade einmal 1000 Quadratkilometern (zum Vergleich: Berlin erstreckt sich über ca. 890 Quadratkilometer). In diesem Gebiet wird zudem Bergbau und Ölpalmenanbau betrieben, und es ist der Bau eines Staudamms geplant. Damit ist der Tapanuli-Orang-Utan sehr wahrscheinlich die am stärksten bedrohte Menschenaffenart und hätte diesen traurigen Rang den Berggorillas abgelaufen. Eine entsprechende Einschätzung durch die IUCN (International Union for Conservation of Nature and Natural Resources) wird im Dezember 2017 erwartet.
Der an der Identifizierung der neuen Spezies beteiligte Primatologe Erik Meijaard von der australischen National University in Canberra mahnt: “Wenn wir sogar noch in der Gruppe der Menschenaffen neue Arten finden, was sagt uns das über alles andere, was wir übersehen: unentdeckte Spezies, unbekannte ökologische Beziehungen, kritische Schwellenwerte, die wir nicht überschreiten sollten?”
Siehe auch: http://www.media.uzh.ch/de/medienmitteilungen/2017/Dritte-Orang-Utan-Art.html
Bilderquelle: Universität Zürich, Bild: Maxime Aliaga