28. Juli 2016

Dewi und ihr neuge­bo­renes Baby

Es war ein sonniger Nach­mittag und ich fuhr in einem Boot den Joloi River entlang, um mit dem Peil­sender einige unserer 155 ausge­wil­derten Orang-Utans zu orten. Die wunder­schöne Land­schaft und ihre Bewohner allein reichte schon, um mir das Herz höher schlagen zu lassen. Mir begeg­neten ein riesiger Waran, drei Gibbons, Schwärme von Horn­bills und anderen Vögeln. Tech­niker Jagau, der an diesem Tag das Boot fuhr, sich­tete über­dies noch zwei Orang-Utan-Nester, die in einer über dem Fluss hängende Baum­krone schaukelten.

Endlich nahmen wir schließ­lich Funk­si­gnale von Mardi­anto und Compost auf – zwei unserer erst kürz­lich Ausge­wil­derten, die während der letzten Wochen viel Zeit mitein­ander verbracht hatten. Und es kam noch besser: Ein kurzes Stück weiter fluss­auf­wärts empfingen wir ein starkes Signal von Dewi, einer 21jährigen Orang-Utan-Dame, die wir vor einem knappen Jahr auswil­dern konnten.

Was für ein Glücks­fall, dachte ich, denn immerhin schien Dewi seit Monaten verschwunden zu sein. Jagau und ich legten also am Ufer an. Für Jagau war das ein biss­chen unan­ge­nehm, denn er hatte nicht damit gerechnet, das Boot verlassen zu müssen und war ohne Schuhe losge­fahren. Nach kurzer Suche fanden wir Dewi in einem Baum, zufrieden Früchte mamp­fend. Ich war so aufge­regt, diesen äußerst versteckt lebenden Orang-Utan gefunden zu haben und sein Verhalten zu proto­kol­lieren, dass ich das winzige, halb verbor­gene Bündel hinter ihr erst gar nicht bemerkte: Ein Neugeborenes!

Als auch Jagau das Kleine sah, schrien wir regel­recht vor Freude. Dewi starrte uns miss­trau­isch an; sie fragte sich wohl, ob unser Lärm eine Bedro­hung sein könnte. Sie beur­teilte uns schließ­lich als harmlos, drehte sich aber sicher­heits­halber doch um, um ihr Junges vor uns zu verbergen. Es wird noch einige Zeit dauern, bis wir das Geschlecht des Babys bestimmen können werden. Sein Gesicht­chen ist noch ganz rosa, wir schätzen das Kleine auf nicht mehr als vier Monate alt.

Wer unser Auswil­de­rungs­pro­gramm schon länger verfolgt, wird sich erin­nern, dass sich Dewi, wie auch zwei weitere Weib­chen der zehnten Auswil­de­rungs­gruppe, mit dem Männ­chen Tarzan paarte, als sie in Frei­heit war. Ob Dewi weiterhin nur mit Tarzan oder auch noch mit anderen Männ­chen Geschlechts­ver­kehr hatte, ist uns nicht bekannt. Wir glauben aber, dass das Junge ein Abkömm­ling von Tarzan ist. Das Neuge­bo­rene wäre somit ein Nach­kömm­ling der in 2012 als erstes Ausge­wil­derten und der zehnten Auswilderungsgruppe.

Am nächsten Tag kehrte ich zu der Stelle zurück. Leider war Dewi diesmal weit weniger tole­rant als bei der ersten Sich­tung. Wieder­holt kam sie von den Bäumen herab und kam drohend auf uns zuge­laufen, zwischen allen Vieren und aufrechtem Gang wech­selnd. Das Baby lag dabei auf ihrem Rücken und sogar aus der Entfer­nung konnten wir sehen, dass es bereits einen festen Griff hatte.

Für kurze Zeit verloren wir den Kontakt, fanden die beiden aber rasch wieder, weil das Kleine jämmer­lich schrie. Was war die Ursache für seinen Unmut? Wir fanden Dewi auf einem Ast sitzend, ihren Rücken am Stamm reibend und abwech­selnd sich selbst krat­zend und ihr Baby am Fell zerrend. Dewi und das Kleine war an ein Amei­sen­nest geraten! Ob verse­hent­lich oder in der Absicht, die Larven und Puppen zu verspeisen, wissen wir nicht. Auf jeden Fall standen Mutter und Kind unter heftiger Attacke der sechs­bei­nigen Dschun­gel­krie­ge­rinnen. Dewi brauchte über eine Stunde um sich und ihr Junges von den Ameisen zu befreien und das Kleine zu beruhigen.

Obwohl – oder viel­leicht auch gerade weil – das Junge sich selbst sehr gut fest­halten konnte, hing es oft in merk­wür­digen Posi­tionen an seiner Mutter. Manchmal krab­belte es über ihr Gesicht und versuchte sich an Dewis Lippen fest­zu­halten, wenn diese aß. Dewi ertrug das mit stoi­scher Geduld und schob ihren Spröss­ling immer wieder mit Schwung zurück auf  ihren Rücken.

 

 

2016 feiert BOS Deutsch­land sein 15-jähriges Jubi­läum. Das sind 15 Jahre erfolg­rei­cher Einsatz für den Erhalt der Orang-Utans und ihrer Habi­tate! Helfen Sie uns, ein neues Baby­haus zu bauen, damit wir auch zukünftig trau­ma­ti­sierte Waisen aufnehmen und ihnen wieder Gebor­gen­heit und Zukunft geben können.

 

Origi­nal­text von: Coral, PRM Team, Batikap Conser­va­tion Forest