Orang-Utan-Schutz ist Arten- und Biodiversitätsschutz. Doch warum gelten Orang-Utans als die Beschützer und Gärtner des Regenwaldes? Borneo ist ein Hotspot der Biodiversität. Hoher Artenreichtum lässt sich besonders in der Nähe des Äquators beobachten. Wenn man die Erde betrachtet, so nimmt die Anzahl der Tier-und Pflanzenarten von den beiden Polen zum Äquator hin zu. Doch was macht die Äquatorgebiete so besonders? Im Gegensatz zu artenarmen, von extremen Wetterbedingungen geprägten Gegenden, wie Wüsten oder vereisten Gebieten, herrschen in den Tropenwäldern der Äquatorgegend ganzjährig relativ hohe Temperaturen. Dazu eine hohe Luftfeuchte und starke Niederschläge. Diese Bedingungen ermöglichen die Entstehung von tropischen Regenwäldern – dem sogenannten Tropengürtel. Schätzungen zufolge kommen in den Tropenwäldern zwei Drittel aller auf der Erde lebenden Tier- und Pflanzenarten vor.
Ökosystem Regenwald
Der tropische Regenwald, die grüne Lunge der Erde, ist eine der letzten Zufluchtsstätten der Artenvielfalt und spielt eine zentrale Rolle für das Ökosystem und unser Klima. Durch das faszinierende Zusammenspiel jedes einzelnen Teiles — von der kleinsten Mikrobe bis zu den größten Tieren wie Orang-Utan — wird ein empfindliches Gleichgewicht hergestellt. Jedes Glied im Ökosystem Regenwald ist wichtig, um die natürliche Balance zu erhalten.
Je komplexer ein Lebensraum strukturiert ist, umso mehr ökologische Nischen für Pflanzen und Tiere sind vorhanden. Ein intakter Regenwald besteht aus mehreren Schichten. Die oberste Schicht ist das Kronendach in rund 15 bis 45 Metern Höhe. Aus ihr ragen sogenannte „Überständer“. Das sind Urwaldriesen, deren Stämme einen Durchmesser von mehreren Metern und eine Höhe von bis zu 60 Metern erreichen können. Doch es geht noch höher. Im Regenwald des Danum-Tals auf Borneo gibt es ein Gebiet, in dem einige der höchsten Bäume der Welt stehen – Der neue Weltrekordhalter unter den Regenwaldbäumen (Stand 2019) ist ein Gelber Merantibaum (Shorea faguetiana) mit 100,8 Meter Höhe (1)!
Das dichte Kronendach schließt die Feuchtigkeit unter sich ein. Die Stämme der Regenwaldbäume sind daher aufgrund der hohen Luftfeuchtigkeit von Epiphyten (Aufsitzerpflanzen), wie verschiedene Bromelien- oder Orchideenarten, Lianen und Moosen bewachsen.
Das Blätterdach ist so dicht, dass es nur relativ wenig Licht durchlässt. Daher ist es darunter relativ windstill und dämmrig. Nur ca. 1–2 % des Lichts erreicht den Boden, der mit Farnen, Pilzen und Blütenpflanzen bewachsen ist. Junge Bäume können erst emporwachsen, wenn eine Lücke im Blätterdach entsteht und somit genug Licht zum Boden hin strahlt.
Gärtner des Regenwaldes
Orang-Utan heißt aus dem malaiischen übersetzt „Mensch des Waldes“ – und diesen Namen haben sie nicht von ungefähr. Orang-Utans verbringen die meiste Zeit hoch oben in den Bäumen. Wenn sich ein Orang-Utan fortbewegt, so bricht er dabei oft nebenbei morsche Äste von den Bäumen. Denn nur stabile Äste können, die bis zu 90kg schweren roten Menschenaffen sicher tragen. Auch der oft tägliche Bau ihrer Schlafnester hat einen positiven Nebeneffekt. Das Abbrechen der Äste als Bettmaterial reißt ein Loch in das Blätterdach und bewirkt, dass auch die Bodenschicht nun mit Licht durchflutet wird. So können junge Bäume schneller hochwachsen und einen Platz an der Sonne erreichen.
Da sich Orang-Utans hauptsächlich von Früchten ernähren und relativ große Reviere haben, tragen sie einen maßgeblichen Teil zur Samenverbreitung bei. Steinfrüchte, wie z.B. Mangos, werden oft mitsamt den Kernen verspeist (keine Sorge – die im Wald vorkommenden Mango Arten sind nicht so groß wie die Kulturmangos, die es bei uns zu kaufen gibt!). Nach der Darmpassage landen die Kerne dann schließlich am Regenwaldboden und können dort zu keimen beginnen. So tragen Orang-Utans sogar zur Wiederaufforstung des Regenwaldes bei.
Beschützer des Waldes
Orang-Utans gelten als „Umbrella species“ (Schirmart). Damit ist gemeint, dass durch den Schutz ihres Lebensraumes auch automatisch zahlreiche andere Tier- und Pflanzenarten geschützt werden. Tiere, die in manchen Verbreitungsgebieten der Orang-Utans zu finden sind, sind unter anderem:
— der vom Aussterben bedrohte Nebelparder (laut IUCN, der Roten Liste der gefährdeten Tierarten, ist die Großkatze als gefährdet eingestuft (2)),
— der Borneo Zwergelefant (in einer Schätzung von 2010 kam man auf nur noch ca. 2000 Tiere (3)),
— verschiedene kleinere Primatenarten wie der Borneo Gibbon (Status: gefährdet (4)),
— Nashornvögel (Status: gefährdet (5)) und
— Malaienbären (Status: gefährdet (6)).
Das Sumatra Nashorn, das kleinste und haarigste Nashorn der Welt, hat es leider nicht geschafft: Es gilt seit 2019 auf Borneo als ausgestorben. Des Weiteren werden indirekt auch eine große Anzahl von bedrohten Reptilienarten, wie verschiedene Geckos und Frösche, Vögel und andere Tier- und seltene endemische Pflanzenarten, die nur in den Regenwäldern Borneos vorkommen, geschützt. Das die roten Menschenaffen große Waldgebiete zum Überleben benötigen, und es daher nötig ist, große Waldflächen zu Schutzwald umzuwandeln, ist für den Biodiversitätsschutz von Vorteil.
Orang-Utan Schutz ist auch Klimaschutz
Besonders in den verbleibenden Moorwälder auf Borneo sind enorme Mengen an Kohlenstoffdioxid gebunden. Die Moorwälder zu erhalten, ist daher wichtig, um der voranschreitenden Klimaerwärmung gegenzusteuern und eines der letzten Verbreitungsgebiete der Orang-Utans zu erhalten.
Zahlen und Fakten
Im Jahr 2016 wurde der Borneo Orang-Utan von der IUCN (International Union for Conservation of Nature) als “vom Aussterben bedroht” eingestuft (zuvor “gefährdet”). Es wird geschätzt, dass die Population über drei Generationen hinweg um mehr als 75 Prozent zurückgegangen ist (7). Hauptgründe sind der schwindende Lebensraum und die Bejagung. Fast 90 % der Landfläche von Indonesien waren bis vor kurzem noch von tropischem Regenwald bedeckt. Von 1880 bis 1980 verlor Indonesien bereits 25 % seiner Waldflächen (8). Die Entwaldung schreitet unglaublich schnell voran – mit schlimmen Folgen für die Orang-Utans und die Artenvielfalt auf Borneo. Hier sind zwei Karten von Borneo aus dem Jahr 2016, die im Wissenschaftsmagazin Scientific Reports (9) veröffentlicht wurden.
In der linken Grafik sieht man, wie die Entwaldung auf Borneo im Zeitraum von 1973 bis Dezember 2015 alarmierend schnell voranschreitet. Dunkelgrüne Bereiche zeigen die zu diesem Zeitpunkt noch intakten Wälder an. In der rechten Grafik ist die Errichtung neuer Palmölplantagen ab 1970 dargestellt. Rote und pinke Bereiche sind Plantagen, die erst kürzlich, in den Jahren von 2010 bis 2015, errichtet wurden. Daraus wird deutlich, wie stark die Palmölindustrie — und damit die Lebensraumzerstörung — in den letzten Jahren zugenommen hat.
Mehr als 100.000 Borneo Orang-Utans sind zwischen 1999 und 2015 verschwunden (Voigt et al., 2018, Fachzeitschrift Current Biology 10). Leider sind nur ca. 20% des Regenwaldes in Sabah, im Norden Borneos, und ca. 80% des Regenwaldes in Kalimantan, Zentralborneo, geschützt (11). Aber es ist noch nicht zu spät, diese besonderen und einzigartigen Tiere zu retten und vor dem Aussterben zu bewahren.
Eines unserer wichtigsten Ziele ist es, mehr Regenwaldflächen zu erwerben, und zu Schutzwald für unsere Orang-Utans und andere seltene Tiere umzuwandeln. Helfen auch Sie, diesen faszinierenden Lebensraum und seine gewaltige Artenvielfalt zu erhalten und zu schützen. Jeder Beitrag hilft.
Referenzen:
1. Shenkin A, Chandler CJ, Boyd DS, Jackson T, Disney M, Majalap N, Nilus R, Foody G, bin Jami J, Reynolds G, Wilkes P, Cutler MEJ, van der Heijden GMF, Burslem DFRP, Coomes DA, Bentley LP and Malhi Y (2019) The World’s Tallest Tropical Tree in Three Dimensions. Front. For. Glob. Change 2:32.
2. Hearn, A., Ross, J., Brodie, J., Cheyne, S., Haidir, I.A., Loken, B., Mathai, J., Wilting, A. & McCarthy, J. (2015). Sunda clouded leopard, Neofelis diardi (errata version published in 2016). The IUCN Red List of Threatened Species 2015: e.T136603A97212874.
3. Alfred R, Ahmad AH, Payne J, Williams C & Ambu L (2010) Density and population estimation of the Bornean elephants (Elephas maximus borneensis) in Sabah. OnLine Journal of Biological Sciences 10: 92–102.
4. Marshall, A.J., Nijman, V. & Cheyne, S.M. 2020. Bornean Gibbon, Hylobates muelleri. The IUCN Red List of Threatened Species 2020: e.T39888A17990934.
5. BirdLife International. (2020). Rhinoceros hornbill, Buceros rhinoceros. The IUCN Red List of Threatened Species 2020: e.T22682450A184960407.
6. Scotson, L., Fredriksson, G., Augeri, D., Cheah, C., Ngoprasert, D. & Wai-Ming, W. (2017). Sun bear, Helarctos malayanus (errata version published in 2018). The IUCN Red List of Threatened Species 2017: e.T9760A123798233.
7. Ancrenaz, M., Gumal, M., Marshall, A.J., Meijaard, E., Wich , S.A. & Husson, S. (2016). Pongo pygmaeus. The IUCN Red List of Threatened Species 2016: e.T17975A17966347.
8. Richards J.F., Flint E.P. (1994) A Century of Land-Use Change in South and Southeast Asia. In: Dale V.H. (eds) Effects of Land-Use Change on Atmospheric CO2 Concentrations. Ecological Studies (Analysis and Synthesis), vol. 101. Springer, New York, NY.
9. David L. A. Gaveau, Douglas Sheil, Husnayaen, Mohammad A. Salim, Sanjiwana Arjasakusuma, Marc Ancrenaz, Pablo Pacheco & Erik Meijaard (2016) Rapid conversions and avoided deforestation: examining four decades of industrial plantation expansion in Borneo. Scientific Reports, 6:32017.
10. Maria Voigt, Serge A. Wich, Marc Ancrenaz, …, Jessie Wells, Kerrie A. Wilson, Hjalmar S. Kühl (2018) Global Demand for Natural Resources Eliminated More Than 100,000 Bornean Orangutans. Current Biology 28, 761–769.
11. Wich, S.A., Gaveau, D., Abram, N., Ancrenaz, M., Baccini, A. et al.. (2012) Understanding the impacts of land-use policies on a threatened species: is there a future for the Bornean orangutan? PLoS One 7(11): e49142.