5. Oktober 2021

Die Beschützer und Gärtner des Regenwaldes

Orang-Utan-Schutz ist Arten- und Biodi­ver­si­täts­schutz. Doch warum gelten Orang-Utans als die Beschützer und Gärtner des Regen­waldes? Borneo ist ein Hotspot der Biodi­ver­sität. Hoher Arten­reichtum lässt sich beson­ders in der Nähe des Äqua­tors beob­achten. Wenn man die Erde betrachtet, so nimmt die Anzahl der Tier-und Pflan­zen­arten von den beiden Polen zum Äquator hin zu. Doch was macht die Äqua­tor­ge­biete so beson­ders? Im Gegen­satz zu arten­armen, von extremen Wetter­be­din­gungen geprägten Gegenden, wie Wüsten oder vereisten Gebieten, herr­schen in den Tropen­wäl­dern der Äqua­tor­ge­gend ganz­jährig relativ hohe Tempe­ra­turen. Dazu eine hohe Luft­feuchte und starke Nieder­schläge. Diese Bedin­gungen ermög­li­chen die Entste­hung von tropi­schen Regen­wäl­dern – dem soge­nannten Tropen­gürtel. Schät­zungen zufolge kommen in den Tropen­wäl­dern zwei Drittel aller auf der Erde lebenden Tier- und Pflan­zen­arten vor.

Ökosystem Regenwald

Der tropi­sche Regen­wald, die grüne Lunge der Erde, ist eine der letzten Zufluchts­stätten der Arten­viel­falt und spielt eine zentrale Rolle für das Ökosystem und unser Klima. Durch das faszi­nie­rende Zusam­men­spiel jedes einzelnen Teiles — von der kleinsten Mikrobe bis zu den größten Tieren wie Orang-Utan — wird ein empfind­li­ches Gleich­ge­wicht herge­stellt. Jedes Glied im Ökosystem Regen­wald ist wichtig, um die natür­liche Balance zu erhalten.

Orang-Utans sind Baumbewohner
Orang-Utans sind Baumbewohner

Je komplexer ein Lebens­raum struk­tu­riert ist, umso mehr ökolo­gi­sche Nischen für Pflanzen und Tiere sind vorhanden. Ein intakter Regen­wald besteht aus mehreren Schichten. Die oberste Schicht ist das Kronen­dach in rund 15 bis 45 Metern Höhe. Aus ihr ragen soge­nannte „Über­ständer“. Das sind Urwald­riesen, deren Stämme einen Durch­messer von mehreren Metern und eine Höhe von bis zu 60 Metern errei­chen können. Doch es geht noch höher. Im Regen­wald des Danum-Tals auf Borneo gibt es ein Gebiet, in dem einige der höchsten Bäume der Welt stehen – Der neue Welt­re­kord­halter unter den Regen­wald­bäumen (Stand 2019) ist ein Gelber Meran­ti­baum (Shorea fague­tiana) mit 100,8 Meter Höhe (1)!

Das dichte Kronen­dach schließt die Feuch­tig­keit unter sich ein. Die Stämme der Regen­wald­bäume sind daher aufgrund der hohen Luft­feuch­tig­keit von Epiphyten (Aufsit­zer­pflanzen), wie verschie­dene Brome­lien- oder Orchi­deen­arten, Lianen und Moosen bewachsen.
Das Blät­ter­dach ist so dicht, dass es nur relativ wenig Licht durch­lässt. Daher ist es darunter relativ wind­still und dämmrig. Nur ca. 1–2 % des Lichts erreicht den Boden, der mit Farnen, Pilzen und Blüten­pflanzen bewachsen ist. Junge Bäume können erst empor­wachsen, wenn eine Lücke im Blät­ter­dach entsteht und somit genug Licht zum Boden hin strahlt.

Gärtner des Regenwaldes

Orang-Utan heißt aus dem malai­ischen über­setzt „Mensch des Waldes“ – und diesen Namen haben sie nicht von unge­fähr. Orang-Utans verbringen die meiste Zeit hoch oben in den Bäumen. Wenn sich ein Orang-Utan fort­be­wegt, so bricht er dabei oft nebenbei morsche Äste von den Bäumen. Denn nur stabile Äste können, die bis zu 90kg schweren roten Menschen­affen sicher tragen. Auch der oft tägliche Bau ihrer Schlaf­nester hat einen posi­tiven Neben­ef­fekt. Das Abbre­chen der Äste als Bett­ma­te­rial reißt ein Loch in das Blät­ter­dach und bewirkt, dass auch die Boden­schicht nun mit Licht durch­flutet wird. So können junge Bäume schneller hoch­wachsen und einen Platz an der Sonne erreichen.

Orang-Utans bauen täglich ein neues Schlafnest
Orang-Utans bauen täglich ein neues Schlafnest

Da sich Orang-Utans haupt­säch­lich von Früchten ernähren und relativ große Reviere haben, tragen sie einen maßgeb­li­chen Teil zur Samen­ver­brei­tung bei. Stein­früchte, wie z.B. Mangos, werden oft mitsamt den Kernen verspeist (keine Sorge – die im Wald vorkom­menden Mango Arten sind nicht so groß wie die Kulturm­angos, die es bei uns zu kaufen gibt!). Nach der Darm­pas­sage landen die Kerne dann schließ­lich am Regen­wald­boden und können dort zu keimen beginnen. So tragen Orang-Utans sogar zur Wieder­auf­fors­tung des Regen­waldes bei.

Beschützer des Waldes

Orang-Utans gelten als „Umbrella species“ (Schirmart). Damit ist gemeint, dass durch den Schutz ihres Lebens­raumes auch auto­ma­tisch zahl­reiche andere Tier- und Pflan­zen­arten geschützt werden. Tiere, die in manchen Verbrei­tungs­ge­bieten der Orang-Utans zu finden sind, sind unter anderem:
—    der vom Aussterben bedrohte Nebel­parder (laut IUCN, der Roten Liste der gefähr­deten Tier­arten, ist die Groß­katze als gefährdet einge­stuft (2)),
—    der Borneo Zwerg­ele­fant (in einer Schät­zung von 2010 kam man auf nur noch ca. 2000 Tiere (3)),
—    verschie­dene klei­nere Prima­ten­arten wie der Borneo Gibbon (Status: gefährdet (4)),
—    Nashorn­vögel (Status: gefährdet (5)) und
—    Malai­en­bären (Status: gefährdet (6)).

Das Sumatra Nashorn, das kleinste und haarigste Nashorn der Welt, hat es leider nicht geschafft: Es gilt seit 2019 auf Borneo als ausge­storben. Des Weiteren werden indi­rekt auch eine große Anzahl von bedrohten Repti­li­en­arten, wie verschie­dene Geckos und Frösche, Vögel und andere Tier- und seltene ende­mi­sche Pflan­zen­arten, die nur in den Regen­wäl­dern Borneos vorkommen, geschützt. Das die roten Menschen­affen große Wald­ge­biete zum Über­leben benö­tigen, und es daher nötig ist, große Wald­flä­chen zu Schutz­wald umzu­wan­deln, ist für den Biodi­ver­si­täts­schutz von Vorteil.

Orang-Utan Schutz ist auch Klimaschutz

Beson­ders in den verblei­benden Moor­wälder auf Borneo sind enorme Mengen an Kohlen­stoff­di­oxid gebunden. Die Moor­wälder zu erhalten, ist daher wichtig, um der voran­schrei­tenden Klima­er­wär­mung gegen­zu­steuern und eines der letzten Verbrei­tungs­ge­biete der Orang-Utans zu erhalten.

Zahlen und Fakten

Im Jahr 2016 wurde der Borneo Orang-Utan von der IUCN (Inter­na­tional Union for Conser­va­tion of Nature) als “vom Aussterben bedroht” einge­stuft (zuvor “gefährdet”). Es wird geschätzt, dass die Popu­la­tion über drei Gene­ra­tionen hinweg um mehr als 75 Prozent zurück­ge­gangen ist (7). Haupt­gründe sind der schwin­dende Lebens­raum und die Beja­gung. Fast 90 % der Land­fläche von Indo­ne­sien waren bis vor kurzem noch von tropi­schem Regen­wald bedeckt. Von 1880 bis 1980 verlor Indo­ne­sien bereits 25 % seiner Wald­flä­chen (8). Die Entwal­dung schreitet unglaub­lich schnell voran – mit schlimmen Folgen für die Orang-Utans und die Arten­viel­falt auf Borneo. Hier sind zwei Karten von Borneo aus dem Jahr 2016, die im Wissen­schafts­ma­gazin Scien­tific Reports (9) veröf­fent­licht wurden.

Entwicklung der Entwaldung auf Borneo
Entwick­lung der Entwal­dung auf Borneo

In der linken Grafik sieht man, wie die Entwal­dung auf Borneo im Zeit­raum von 1973 bis Dezember 2015 alar­mie­rend schnell voran­schreitet. Dunkel­grüne Bereiche zeigen die zu diesem Zeit­punkt noch intakten Wälder an. In der rechten Grafik ist die Errich­tung neuer Palm­öl­plan­tagen ab 1970 darge­stellt. Rote und pinke Bereiche sind Plan­tagen, die erst kürz­lich, in den Jahren von 2010 bis 2015, errichtet wurden. Daraus wird deut­lich, wie stark die Palm­öl­in­dus­trie — und damit die Lebens­raum­zer­stö­rung — in den letzten Jahren zuge­nommen hat.

Mehr als 100.000 Borneo Orang-Utans sind zwischen 1999 und 2015 verschwunden (Voigt et al., 2018, Fach­zeit­schrift Current Biology 10). Leider sind nur ca. 20% des Regen­waldes in Sabah, im Norden Borneos, und ca. 80% des Regen­waldes in Kali­mantan, Zentral­borneo, geschützt (11). Aber es ist noch nicht zu spät, diese beson­deren und einzig­ar­tigen Tiere zu retten und vor dem Aussterben zu bewahren.

Eines unserer wich­tigsten Ziele ist es, mehr Regen­wald­flä­chen zu erwerben, und zu Schutz­wald für unsere Orang-Utans und andere seltene Tiere umzu­wan­deln. Helfen auch Sie, diesen faszi­nie­renden Lebens­raum und seine gewal­tige Arten­viel­falt zu erhalten und zu schützen. Jeder Beitrag hilft.

Refe­renzen:

1.    Shenkin A, Chandler CJ, Boyd DS, Jackson T, Disney M, Majalap N, Nilus R, Foody G, bin Jami J, Reynolds G, Wilkes P, Cutler MEJ, van der Heijden GMF, Burslem DFRP, Coomes DA, Bentley LP and Malhi Y (2019) The World’s Tallest Tropical Tree in Three Dimen­sions. Front. For. Glob. Change 2:32.

2.    Hearn, A., Ross, J., Brodie, J., Cheyne, S., Haidir, I.A., Loken, B., Mathai, J., Wilting, A. & McCarthy, J. (2015). Sunda clouded leopard, Neofelis diardi (errata version published in 2016). The IUCN Red List of Threa­tened Species 2015: e.T136603A97212874.

3.    Alfred R, Ahmad AH, Payne J, Williams C & Ambu L (2010) Density and popu­la­tion esti­ma­tion of the Bornean elephants (Elephas maximus borneensis) in Sabah. OnLine Journal of Biolo­gical Sciences 10: 92–102.

4.    Marshall, A.J., Nijman, V. & Cheyne, S.M. 2020. Bornean Gibbon, Hylo­bates muel­leri. The IUCN Red List of Threa­tened Species 2020: e.T39888A17990934.

5.    Bird­Life Inter­na­tional. (2020). Rhino­ceros horn­bill, Buceros rhino­ceros. The IUCN Red List of Threa­tened Species 2020: e.T22682450A184960407.

6.    Scotson, L., Fred­riksson, G., Augeri, D., Cheah, C., Ngopra­sert, D. & Wai-Ming, W. (2017). Sun bear, Helarctos mala­yanus (errata version published in 2018). The IUCN Red List of Threa­tened Species 2017: e.T9760A123798233.

7.    Ancrenaz, M., Gumal, M., Marshall, A.J., Meijaard, E., Wich , S.A. & Husson, S. (2016). Pongo pygmaeus. The IUCN Red List of Threa­tened Species 2016: e.T17975A17966347.

8.    Richards J.F., Flint E.P. (1994) A Century of Land-Use Change in South and Southeast Asia. In: Dale V.H. (eds) Effects of Land-Use Change on Atmo­spheric CO2 Concen­tra­tions. Ecolo­gical Studies (Analysis and Synthesis), vol. 101. Springer, New York, NY.

9.    David L. A. Gaveau, Douglas Sheil, Husna­yaen, Mohammad A. Salim, Sanji­wana Arja­s­akusuma, Marc Ancrenaz, Pablo Pacheco & Erik Meijaard (2016) Rapid conver­sions and avoided defo­re­sta­tion: exami­ning four decades of indus­trial plan­ta­tion expan­sion in Borneo. Scien­tific Reports, 6:32017.

10.    Maria Voigt, Serge A. Wich, Marc Ancrenaz, …, Jessie Wells, Kerrie A. Wilson, Hjalmar S. Kühl (2018) Global Demand for Natural Resources Elimi­nated More Than 100,000 Bornean Oran­gutans. Current Biology 28, 761–769.

11.    Wich, S.A., Gaveau, D., Abram, N., Ancrenaz, M., Baccini, A. et al.. (2012) Under­stan­ding the impacts of land-use poli­cies on a threa­tened species: is there a future for the Bornean oran­gutan? PLoS One 7(11): e49142.