Aktuell ist für selbst ernannte Klima­retter wieder das Rekord­fieber ausge­bro­chen. Sat.1 möchte Teil der Lösung werden und wirbt, promi­nent unter­stützt, mit der Wald­re­kord­woche. Was auf den ersten Blick ein gefäl­liges Nicken à la “viel hilft viel“ auslösen dürfte, hat mich bei näherer Betrach­tung doch eher wütend gemacht.

Dabei möchte ich nicht auf den äußerst umstrit­tenen (Nicht-)Pflanzpartner eingehen, sondern auf das meines Erach­tens völlig falsche Bild des Rettungs­sze­na­rios, das hier vermit­telt wird. Ando­ckend an die deut­sche „Geiz ist geil“-Mentalität werden hier angeb­lich Bäume für einen Euro gepflanzt – ein echtes Schnäpp­chen. Das gibt dem geneigten Fern­seh­zu­schauer das wohlige Gefühl, mit nur 1.000 Euro bereits einen kleinen Wald gepflanzt zu haben. Nie war die Welt­ret­tung günstiger.

Daniel Merdes, Geschäftsführer von BOS Deutschland
Daniel Merdes, Geschäfts­führer von BOS Deutschland

Nun bin ich selbst kein Tropen­förster, aber durch die Arbeit mit unseren Part­nern in Kali­mantan und Sabah wurde mir schnell klar, dass ein Setz­ling noch keinen Baum bedeutet. Genau genommen braucht ein Setz­ling mehr als drei Jahre inten­siver Pflege, bevor er eine gute Chance hat, zu einem über­le­bens­fä­higen Baum heran­zu­wachsen. Bei einem fairen Lohn für die ihre Fami­lien ernäh­renden Arbei­te­rinnen und Arbeiter, ist dies selbst in Indo­ne­sien nicht unter fünf Euro pro Baum (nicht Setz­ling) reali­sierbar. Für weniger Infor­mierte – und die rufen bei uns täglich an – scheint diese realis­ti­sche Kalku­la­tion ein schänd­lich über­teu­ertes Produkt zu sein. Die Vermu­tung: „Klar, da wird sich wieder irgendwo berei­chert.“ Dieses Mindset wäre nicht möglich ohne Kampa­gnen wie „die Such­ma­schi­nen­suche 45 Mal benutzen ergibt einen Baum“, oder auch doch lieber einen Euro bezahlen, weil die Suche über Google prak­ti­scher ist.

Ein Baum braucht jahrelange Pflege
Ein Baum braucht jahre­lange Pflege

All das nährt den bequemen Trug­schluss, dass sich mittels tech­ni­scher Lösungen und ohne Verzicht (denn das klingt verdächtig nach Öko-Diktatur) das Problem fast von alleine lösen lässt. Dabei zeigen selbst posi­tivste Zahlen der ETH Zürich, dass selbst wenn alle über­haupt noch verfüg­baren Flächen auf diesem Planeten aufge­forstet werden würden – immerhin ein Gebiet so groß wie die USA – nur 2/3 des C02 gebunden werden kann. Und das nur bei gleich­zei­tigem Stopp neuer CO2-Belas­tungen und jegli­cher Wald­ver­nich­tung! Wie gesagt: Das wäre noch das denkbar best-mögliche Szenario, um unter dem 1,5‑Grad-Ziel zu bleiben.

Kann dies der Grund sein, warum dem Konsu­menten jetzt möglichst preis­werte Mitma­ch­an­ge­bote ange­priesen werden, um von der poli­ti­schen Verant­wor­tung abzu­lenken? Ist Klima­schutz nicht die dring­lichste poli­ti­sche Aufgabe der heutigen Zeit? Aber wie bereits bei Papier, Holz, Fleisch und Palmöl wird wieder alles auf den Verbrau­cher abge­wälzt, der sich dann am Regal die Augen bei der kleinen Schrift verdirbt. Dabei benö­tigen wir regu­la­to­ri­sche Einfluss­nahme, denn dieser Markt wird es nicht richten. Schon gar nicht in einer Woche TV.