Für Pessimisten ist das Glas immer halb leer, aber Orang-Utan-Schützer sind Optimisten: Für sie ist das Glas halb voll.
In Sumatra sogar doppelt so voll: Dort leben statt, wie bisher angenommen, knapp 7.000 Sumatra-Orang-Utans, über 14.000 Individuen. Das ergaben Forschungen, bei denen bisher nicht berücksichtigte Gebiete mit einbezogen wurden. Die Wissenschaftler untersuchten auch Regionen bis 1.500 Meter über dem Meeresspiegel, wogegen frühere Forschungen davon ausgingen, dass über 900 Meter keine Orang-Utans mehr leben würden. Auch in zum Teil abgeholzten Wäldern wurden Populationen registriert.
Zum ersten Mal konnten die Bestandszahlen einer Menschenaffenart nach oben korrigiert werden. Serge Wich von der Liverpool John Moores Universität in Großbritannien: „Es ist fantastisch, dass es mehr Sumatra-Orang-Utans gibt, als wir dachten.“ Er fügt allerdings hinzu: „Das bedeutet aber nicht, dass wir uns zurücklehnen können. Im Lebensraum der Orang-Utans sind zahlreiche Bauprojekte geplant, die die Zahl dieser Menschenaffen in den kommenden Jahren drastisch reduzieren könnten.“ Den Forschern zufolge sollten für alle Bebauungsprojekte in den Wäldern der Orang-Utans Verträglichkeitsstudien durchgeführt werden, damit eine Beeinträchtigung ihres Lebensraums auf ein Minimum reduziert oder sogar gänzlich vermieden werden kann.
Auch mit diesem vergleichsweise erfreulichen Ergebnis bleibt gerade der Sumatra-Orang-Utan (Pongo abelii) weiterhin vom Aussterben bedroht. Allerdings zeigen die Ergebnisse einen methodischen Fortschritt in den Bestandsanalysen von Menschenaffen an. „Das wird uns dabei helfen, den Akteuren aus Naturschutzpolitik und ‑management genauere Informationen zur Verfügung zu stellen, was sich dann wiederum positiv auf den Schutz der Menschenaffen auswirken wird“, so Projektleiter Hjalmar Kühl vom Max-Planck-Institut für evolutionäre Anthropologie.
Von den Borneo-Orang-Utans (Pongo pygmaeus) leben nach aktuellen Schätzungen noch etwa 50.000 Individuen in freier Wildbahn. Vielleicht kann auch hier festgestellt werden, dass sie auch oberhalb der bisher angenommenen Höhengrenze von 900 Metern gedeihen können. Auch hat sich bei beiden Orang-Utan-Arten gezeigt, dass sie offenbar auch in bereits vom Menschen beeinträchtigten Wäldern Überlebenschancen haben.
Das Glas ist tatsächlich alles andere als voll. Die Zukunft beider Orang-Utan-Arten in freier Wildbahn steht und fällt mit dem Erhalt oder der Zerstörung der Regenwälder. Aber nicht zuletzt auch die neuesten Forschungsergebnisse zeigen, dass für unsere rothaarigen Vettern durchaus noch nicht aller Tage Abend ist.
Quellen: The Guardian; Max-Planck-Institut für evolutionäre
Anthropologie