22. Juli 2021

Ein alter Bekannter auf Abwegen….

Meis­tens ist es der Hunger, der die sonst eher scheuen Orang-Utans in die Nähe von Menschen treibt. Mit jedem abge­holztem Baum schwindet ihr Lebens­raum und dann müssen die fried­li­chen Menschen­affen anderswo nach Nahrung suchen. Das kann zu einem Problem werden, wenn ein Orang-Utan in einem von Menschen bewohnten Gebiet auftaucht. Genau das geschah vor einigen Wochen im Dorf Loesan in Ost-Kalimantan…

Frei­le­bende Orang-Utans meiden norma­ler­weise die Nähe zum Menschen

Die Bilder des impo­santen Männ­chens mit seinen ausge­prägten Backen­wülsten tauchten zuerst in den Sozialen Medien auf. Ein Video zeigte, wie der Orang-Utan von einem Bewohner des Dorfes mit Bananen, Jack­fruits und Dosen­milch gefüt­tert wurde. Es war insge­samt ein merk­wür­diges Szenario, da frei­le­bende Orang-Utans den direkten Kontakt mit Menschen norma­ler­weise meiden. Und tatsäch­lich waren die Menschen anfangs auch etwas erschro­cken, als das große Tier plötz­lich mitten im Ort auftauchte. Doch das Männ­chen verhielt sich völlig fried­lich. So kamen die Dorf­be­wohner auf die Idee, ihn zu füttern – das war viel­leicht gut gemeint, aber tatsäch­lich sollten Wild­tiere nie mit mensch­li­cher Nahrung gefüt­tert werden, die sich stark von ihren natür­li­chen Nahrungs­quellen unterscheidet!

Das Rettungs­team machte sich sofort auf den Weg

Transport im sicheren Käfig
Trans­port im sicheren Käfig

Direkt nach der Ankunft des Menschen­af­fens riefen die Dorf­be­wohner die indo­ne­si­sche Natur­schutz­be­hörde BKSDA an, die offi­ziell die erste Anlauf­stelle für die Rettung von Orang-Utans ist. Sie stellte umge­hend ein Team aus der Wild­tier­ret­tungs­gruppe der BKSDA sowie Tier­ärzten und Pfle­gern von BOS zusammen. Die Gruppe machte sich sofort auf den Weg. Doch als sie im Dorf ankamen, war das Tier nirgends zu sehen. Das Männ­chen hatte sich ruhig wieder in den Wald zurück­ge­zogen. Das Rettungs­team blieb in der Gegend und stellte eigenen Erkun­dungen an. Es dauerte vier Tage, dann tauchte der Orang-Utan im benach­barten Wald wieder auf.

Der Tier­arzt machte den ersten Check direkt vor Ort

Das Team schaffte es, das Männ­chen zu sedieren und einzu­fangen. Bevor es zurück ins Rettungs­zen­trum ging, führte unser aus Samboja Lestari mitge­reister Tier­arzt eine erste medi­zi­ni­sche Unter­su­chung durch. Dabei stellte er fest, dass der Orang-Utan einen miss­ge­bil­deten linken Zeige­finger und einen unter die Haut implan­tierten Mikro­chip hatte – ein sicheres Zeichen dafür, dass das Tier schon einmal in mensch­li­cher Obhut war! Eine Zahn­un­ter­su­chung ergab, dass das Männ­chen etwas zwanzig Jahre alt war. Das Team brachte ihn nach Samboja Lestari zur weiteren Unter­su­chung und gab ihm den vorläu­figen Namen Loesan, nach dem Dorf, wo er einge­fangen wurde.

Ankunft im Quarantänegehege

Auf dem Weg in die Quarantänestatioin
Auf dem Weg in die Quarantänestatioin

Wie alle Neuan­kömm­linge kam „Loesan“ erst einmal in das Quaran­tä­ne­ge­hege und wurde rund um die Uhr beob­achtet. Diese Vorsichts­maß­nahme verhin­dert, dass Krank­heiten in das Zentrum einge­schleppt werden. Das Vete­ri­när­team führte eine gründ­liche Unter­su­chung durch, um seinen Gesund­heits­zu­stand genauer zu prüfen und Daten über ihn zu sammeln: Nach Abstri­chen im Nasen- und Rachen­raum sowie rektal wurde das Männ­chen geröntgt, Zähne und Zahn­fleisch wurden unter­sucht und es wurden Proben von Blut, Sputum und Haaren entnommen. Er wurde gewogen (69 Kilo­gramm) und erhielt ein Entwur­mungs­mittel. Zuletzt noch Finger­ab­drücke und DNA-Analyse. Alle Tests und entnom­menen Proben zeigten, dass der Orang-Utan bei guter Gesund­heit war.

Das Männchen wird genau untersucht
Das Männ­chen wird genau untersucht

Der Mikro­chip enthüllte eine kleine Sensation

Ein beson­ders inter­es­santer Fund war der Mikro­chip, der unter seiner Haut implan­tiert war. Ein untrüg­li­ches Zeichen dafür, dass der Orang-Utan irgend­wann in seiner Vergan­gen­heit in einem Reha­bi­li­ta­ti­ons­zen­trum gewesen sein muss – dort werden alle Tiere mit einem solchen Mikro­chip versehen, wenn sie ausge­wil­dert werden.

Unser Team las den Mikro­chip mit einem spezi­ellen Scanner aus und verglich die Infor­ma­tionen mit unseren Bestands­daten für Samboja Lestari – und die Über­ra­schung war perfekt: Bei dem Männ­chen handelte es sich um Uli! Er war am 6. Februar 1998 aus Palangka Raya in Zentral­ka­li­mantan gerettet und nach Wana­riset — unserem alten Orang-Utan-Reha­bi­li­ta­ti­ons­zen­trum — in Ostka­li­mantan gebracht wurde. Knapp einein­halb Jahre später im September 1999 wurde er in einem sehr jungen Alter im Meratus Moun­tain Protec­tion Forest ausge­wil­dert. Jetzt ist Loesan, alias Uli, unge­fähr 24 Jahre alt — er hat über 20 Jahre lang unab­hängig von Menschen überlebt!

Nach der Zwischen­sta­tion wieder in die Wildnis zurück

Jetzt braucht Uli etwas Geduld
Jetzt braucht Uli etwas Geduld

Uli bleibt noch ein paar Monate unter Beob­ach­tung in Quaran­täne, bevor wir ihn auf eine unserer Voraus­wil­de­rungs­in­seln bringen. Dort soll er noch mal beweisen, dass er ohne mensch­liche Unter­stüt­zung im Regen­wald leben kann, bevor wir ihn – weitab von mensch­li­chen Sied­lungen – wieder in der Wildnis Borneos auswil­dern können.

Sie möchten unsere Arbeit für die Orang-Utans und ihren Lebens­raum unter­sützen? Dann werden auch Sie zum BOS-Unter­stützer. Jeder Beitrag hilft.