Für unsere kleinen Orang-Utan-Waisen gibt es keine Ferien. Jeden Tag gehen sie in den Waldkindergarten oder die Waldschule, um gemeinsam mit den anderen alles zu lernen, was sie für ein Leben in der Wildnis brauchen. Dabei sieht es ganz so aus, als würde ihnen das Lernen sehr viel Spaß machen. Und so soll es auch sein.
Probieren geht über studieren
Genau wie ihre menschlichen Verwandten, müssen unsere Orang-Utan-Kinder lernen, ihr Bett zu machen. Der Unterschied zu uns ist: Orang-Utans schlafen hoch oben im Baum in Nestern, die sie jeden Tag neu bauen. Das will gelernt sein. Die ganz Kleinen fangen mit der Nestbau-Lektion erst einmal auf dem Waldboden an. Für die Fortgeschrittenen – ab einem Alter von zwei bis drei Jahren – geht es dann schrittweise immer höher hinaus, angeleitet von den Babysitterinnen. Zuerst werden alle möglichen Äste auf ihre Tragfähigkeit geprüft und passend zurechtgebogen. Das erfordert schon so manche Anstrengung und elegantes Hangeln zwischen den Bäumen.
Steht das Grundgerüst aus Ästen, wird das Nest mit Blättern ausgelegt. Jede neue Schicht wird mit viel „Haudrauf“ passend zurecht geklopft. Manchmal legen die kleinen Racker auch eine Essenspause ein und schieben sich einen Teil des Baumaterials genüsslich in den Mund. Ein Snack geht immer, das gehört bei Orang-Utans einfach dazu. Nachdem dann Äste und Blätter endlich zu einem Nest geformt sind, wird erst einmal ausgiebig Probe gelegen. Probieren geht bekanntlich über studieren.
Leckere Snacks als Lernanreiz
Orang-Utans sind in der freien Wildbahn jeden Tag rund sechs Stunden damit beschäftigt, Futter zu finden. Diese Vorliebe fürs Essen machen sich ihre Babysitterinnen zunutze, indem sie die Lernerfolge ihrer Schützlinge mit begehrten Leckereien belohnen. Eine Banane zu schälen gehört dabei zu den einfachsten Übungen, das kann jedes Baby. Etwas anspruchsvoller ist da schon das Knacken einer Kokosnuss: Erst schälen und die Nuss dann mit voller Wucht auf eine harte Kante schlagen. Die menschlichen Ersatzmütter machen es immer wieder vor, bis die Kleinen es selbst können. Wenn dann die Nuss splittert und das köstliche Fruchtfleisch frei gibt, ist die Freude groß. Einige Tiere sind hier talentierter als andere – dann kommt es schon mal vor, dass diejenigen, denen das Öffnen nicht geglückt ist, die Kokosnuss von einem Klassenkameraden klauen. Das ist zwar nicht so gedacht, kann aber ebenfalls eine zielführende Überlebensstrategie im Dschungel sein.
Lernen von den anderen
In der Wildnis lernen die kleinen Orang-Utans bis zu acht Jahre lang von ihren Müttern. Das geschieht, indem die Kleinen nachmachen, was ihre Mütter ihnen zeigen. In der Dschungelschule übernehmen die Babysitterinnen diese Aufgabe so gut es geht. Doch auch von den älteren, erfahreneren Tieren lernen die kleinen Orang-Utans. Zum Beispiel was den Gebrauch von Werkzeugen angeht, oder die Fähigkeit, möglichst sicher von einem Baum zum anderen zu hangeln. Hier sind die anderen Orang-Utans auch deutlich bessere Lehrer als die menschlichen Ersatzmütter. Wen wundert’s…

Freund oder Feind? Eine lebenswichtige Erkenntnis
Manche Lernerfahrungen sind für die kleinen Schülerinnen und Schülern nicht ganz so erfreulich. So müssen sie zum Beispiel lernen, Freund und Feind zu unterscheiden. Dafür werden die von Natur sehr neugierigen und friedlichen Orang-Utan-Kinder in ihrem natürlichen Fluchtverhalten geschult. Und so kommt es immer mal wieder vor, dass wenn die Tiere in ihr Spiel vertieft sind oder grade essen, eine menschliche Ersatzmutter plötzlich mit einer Schlangenattrappe um die Ecke kommt! Dann ist die Aufregung unter den kleinen Orang-Utans groß und sie laufen laut schreiend hinter einen Baum oder klettern hoch in die Äste. Und so soll es auch sein. Zwar sind nicht alle 160 im Regenwald von Borneo vorkommenden Schlangensorten für Orang-Utans gefährlich. Aber im Angesicht einer Schlange schnell das Weite zu suchen, ist hier immer die bessere Lösung.
Unsere Orang-Utan-Kinder lernen jeden Tag dazu. Unterstützen Sie diese Orang-Utan-Babys auf dem Weg in die Freiheit.