Nur Versuch macht klug, dachte sich unser Monitoring-Team, als es kürzlich die beiden Orang-Utans China und Ibut beim gemeinsamen Essen entdeckte – und, neugierig geworden, selbst ein paar Regenwald-Feigen probierte.
Wer unsere Arbeit schon länger verfolgt, kennt bereits unsere Monitoring-Teams und ihre Aufgaben: Als Waldläufer durchstreifen sie den Bukit Baka Bukit Raya Nationalpark, um „unsere“ ausgewilderten Orang-Utans weiterhin zu beobachten. Wie geht es ihnen? Wie entwickeln sie sich in Freiheit? Was können wir daraus für unsere künftige Arbeit im Rettungszentrum lernen?
Obwohl Orang-Utans mit ihrem charakteristischen orangeroten Haarkleid recht auffällig sind, ist es nicht ganz einfach, sie im weitläufigen Regenwald aufzuspüren. Zumal sich die Tiere sehr viel schneller durch die Baumkronen bewegen als wir zu Fuß durch das dichte Unterholz des tropischen Waldes. Die beste Gelegenheit bietet sich, wenn die Tiere längere Zeit an einem Ort bleiben – entweder am frühen Morgen, wenn sie aus ihren Schlafnestern klettern, oder wenn sie einen besonderen Leckerbissen entdeckt haben und sich satt futtern.
An diesem Tag, von dem wir euch erzählen möchten, hat unser Team Camp Lewun Kahio (was in der lokalen Sprache „Orang-Utan-Heim” bedeutet) früh am Morgen verlassen und war bereits einige Stunden durch den Wald gewandert. Bislang ohne orangerotes Haar zu sichten.
Plötzlich entdeckten sie am Ufer des Sebindang Flusses zwei Orang-Utans, die gerade genüsslich einen Baum voller Früchte abernteten und sich rote, offenbar saftige Kugeln in die Mäuler steckten.
Am Flussufer entdeckt das Team zwei ausgewilderten Orang-Utans
Der Sebindang ist ein Nebenfluss des Bemban-Flusses, welcher eine wichtige Lebensader in dieser Region darstellt und von unseren Teams auch mit kleinen motorisierten Booten als Wasserstraße genutzt wird, um sich schneller im Wald fortzubewegen. Seine Flussufer sind typische Standorte für einen Baum namens Ficus racemosa. Die sogenannte Flussfeige, auch Rote Traubenfeige genannt, trägt büschelweise Blüten, die erst grasgrün, später knallrot sind und übergroßen Weintrauben an Rebstöcken ähneln.
Diese Früchte schienen den Orang-Utans bestens zu schmecken und so blieb unserem Team genügend Zeit, die beiden als Ibut und China zu identifizieren und eine ganze Weile zu beobachten.
Ibut ist ein Männchen, das wir im Oktober 2016 ausgewildert hatten, und China ein Weibchen, das seit Juli 2018 im Bukit Baka Bukit Raya Nationalpark in die Freiheit entlassen wurde. Beide schienen in guter körperlicher Verfassung zu sein – und sie hatten eindeutig einen gesunden Appetit!
Ibut und China blieben bis zur Dämmerung und bauten sich dann an Ort und Stelle ihre nächtlichen Nester, um sich schlafen zu legen. Offensichtlich wollten sie die entdeckte Futterquelle nicht so schnell aufgeben. Ficus ist für Orang-Utans eine Alleskönner-Pflanze, denn neben den Früchten sind auch Blätter und Rinden zum Verzehr geeignet.
Ficus-Feigen: nur für Orang-Utans lecker, und außerdem gesund
Inspiriert von den beiden Orang-Utans und nach einem langen Tag im Wald selbst hungrig, beschloss unser Waldläufer-Team, ein kleines Experiment zu wagen: Sie pflückten selbst ein paar Ficus-Früchte und probierten sie. Ihr Kommentar: „Schmeckt eher langweilig.“ In manchen anderen Ländern der Welt werden Ficus-Feigen als natürliche Medizin genutzt, denn man sagt ihnen nach, dass sie gegen Durchfall und bei der Wundheilung helfen. Allerdings werden die Früchte üblicherweise vor dem Verzehr mit Gewürzen eingelegt. Für Orang-Utans hingegen scheint die Ficus-Feige frisch vom Baum ein echter Leckerbissen zu sein.
An diesem Tag hat unser Team die beiden Orang-Utans das vorerst letzte Mal zusammen beobachtet. China ist bislang noch gar nicht wieder auf unseren Patrouillen gesichtet worden. Aber Ibut entdeckte unser Team einige Monate später erneut, diesmal in Gesellschaft von Orang-Utan-Dame Paduran, welche im Jahr 2020 ausgewildert wurde.
Nun drücken wir fest die Daumen, dass Ibut China oder Paduran zur Mama gemacht hat – oder sogar beide. Unsere Monitoring-Teams halten die Augen offen und haben Ficus-Bäume als Lieblingsorte der Orang-Utans in ihre festen Patrouillenrunden aufgenommen.
Retten Sie mit uns die letzten Orang-Utans Borneos. Mit Ihrer wertvollen Unterstützung sichern Sie das Überleben dieser einzigartigen Tiere.