Anfang des Jahres stimmte das Europa-Parlament über die Neuauflage der Erneuerbare-Energien-Richtlinie (RED) ab. Das Votum des Parlaments war nicht vollkommen zufriedenstellend. Es wird dennoch begrüßt, denn es deckelt Biokraftstoffe aus unbehandelten und raffinierten Pflanzenölen, die man sonst auch für Ernährung nutzen könnte, lenkt Investitionen in Richtung Kraftstoffe der Zukunft (Elektrizität, fortgeschrittene Biokraftstoffe) und verbietet Palmöl in Biodiesel ab 2021.
Die Palmöl exportierenden Länder reagierten erbost auf das Votum. Angeführt von Indonesien und Malaysia, die gemeinsam 85% des weltweiten Palmöls produzieren, haben sie eine gut finanzierte und aggressive Kampagne gestartet, die Europas “Palmöl-Apartheid“ anprangert und drohen mit einem “Rückschlag“.
Der allmähliche Abbau von Palmöl in Biodiesel bis 2021 wird Europas fehlgeschlagene Biokraftstoff-Strategie nicht gänzlich richten. Dennoch ist es ein wichtiger Schritt, der getan werden muss.
Die 2009 verabschiedete RED verpflichtet EU-Länder dazu, dass 10% des Kraftstoffes aus erneuerbaren Energien bestehen muss, Biokraftstoff also. Erneuerbare Energien sind z.B. Windenergie, Sonnenenergie, Energie aus Biomasse etc. Für die Beimischung in Biokraftstoffe eignet sich Energie aus Biomasse. Dabei unterscheidet man Biokraftstoffe erster, zweiter und dritter Generation. Erstere bestehen aus Raps, Palmöl, Getreide, Mais etc. Diese stehen in Konkurrenz zur Nahrungsmittelproduktion für Mensch und Tier. Biokraftstoffe zweiter Generation sind landwirtschaftliche oder organische Abfälle oder schnell wachsende Energiepflanzen, die auf Flächen angebaut werden können, die nicht für die Landwirtschaft geeignet sind. Biokraftstoffe dritter Generation sind noch in der Entwicklung und stellen z.B. Algen dar.
Die RED — Startsignal für den EU Palmöl-Importboost
Die RED von 2009 war das Startsignal für den Palmöl-Importboost in die EU, da es extrem preisgünstig ist und die EU bis dato noch keine angemessenen Nachhaltigkeitsstandards adaptiert hatte. Seit 2009 fußt nahezu das gesamte Biokraftstoffwachstum auf Palmöl, was zurzeit grob für ein Drittel des Biodiesels in der EU steht. Dies macht Autofahrer zu den Hauptkonsumenten von Palmöl in Europa.
Die Umweltauswirkungen dieser Entwicklung sind verheerend. Enorme Flächen tropischen Regenwaldes in Malaysia und Indonesien werden gerodet, um Platz für Ölpalmplantagen zu machen. Uralte Wälder und Feuchtgebiete sind verschwunden und damit auch Habitate von Pflanzen- und Tierarten, die auf der Schwelle zum Aussterben stehen. Auch die Landnutzungskonflikte mit den Einheimischen und der indigenen Bevölkerung sind verheerend. Menschen, die von und im Wald leben, werden umgesiedelt und vertrieben, manchmal sogar getötet. Währenddessen fällt die, ursprünglich als nachhaltig erachtete, Regelung in sich zusammen. Biokraftstoffe erster Generation sind 80% und Palmöl-Biodiesel im speziellen sogar dreimal schädlicher als fossile Öle wie z.B. Erdöl.
Das EU-Parlament versäumte Nutzpflanzen-Biodiesel komplett auslaufen zu lassen, oder alternativ wenigstens indirekte Landnutzungsänderungen (ILUC) auch in die Treibhausgasbilanzierung von Biokraftstoffen einzuberechnen. Lediglich dem übelsten aller Biodiesel schenkten sie, dafür aber in hohem Maße, Aufmerksamkeit: Palmöl-Biodiesel. Dieses soll bis 2021 nicht mehr als Biokraftstoff verwendet werden. Doch auch diese Empfehlung des Parlaments kommt nicht von ungefähr. Schon 2012 machte die US EPA als Vorreiter die Ankündigung, dass Palmöl sich nicht für die amerikanische RED (RFS) eigne, beruhend auf den hohen Treibhausgas-Emissionen. Norwegen ist dem gleichgezogen.
Die Entscheidung des EU-Parlaments hat die Palmöl-Nationen auf die Barrikaden getrieben. Sie werfen dem Parlament vor, Palmöl gänzlich zu verbieten. Dies stimmt jedoch so nicht. Palmöl kann immer noch in die EU verkauft werden. Alleine der, auf Palmöl basierende, Biodiesel soll nicht länger zu dem 10%-Ziel bis 2021 angerechnet werden. RED ist ein Grundpfeiler der Klimapolitik der EU, deswegen ist das Disqualifizieren von Brennstoffen, die schlimmer als Erdöl sind, essentiell für die Glaubwürdigkeit dieser Richtlinie. Eine objektive Methode Biodiesel zu disqualifizieren, bei dessen Gewinnung breite Flächen Regenwald für den Anbau von Ölpalmen und Sojabohnen abgeholzt werden, ist eine berechtigte Regelung und würde eine Obergrenze für Nutzpflanzen-Biodiesel einläuten.
Zertifizierung von Palmöl für Biodiesel — eine Fehlkonstruktion
Palmöl-Produzenten betonen immer, dass ihre Produkte nach den internationalen Standards als nachhaltig zertifiziert sind. Allerdings konnte ein kürzlich veröffentlichter Report zeigen, dass die Hauptzertifizierungssysteme (RSPO/ ISPO) unzureichend sind. Eine Verbesserung kann und muss hinsichtlich des nachhaltigen Anbaus von Ölpalmen angesteuert werden. Der Palmöl-Biodiesel muss aus diesen Systemen ausgenommen werden, da Zertifizierung für Biodiesel aus Palmöl schlicht und einfach nicht funktionieren kann. Der Biodiesel-Markt ist künstlich von den Gesetzgebern kreiert worden. Dieses Konstrukt befeuert die Nachfrage nach Biomasse, übt somit Druck auf landwirtschaftliche Nutzfläche aus und gefährdet die Ernährungssicherheit. Das zwingt Landwirte dazu, sich nach neuem bebaubarem Land umzuschauen, was wiederum Entwaldung und die Entwässerung von Torfmoorböden bedeutet. Diese indirekte Landnutzungsänderung (ILUC) wird nicht von den bestehenden Zertifizierungssystemen erfasst.
Ein weiteres Argument der Palmöl-Produzenten ist, dass ein Verbot von Palmöl den Kleinbauern schaden würde und die “nachhaltige Entwicklung“ untergrabe. Die Realität jedoch ist viel komplexer. Es gibt etliche Berichte von Kleinbauern, die von ihrem Land vertrieben wurden, um den Platz für große Plantagen zu schaffen. Diejenigen, die Widerstand leisten, leiden unter Unterdrückung und riskieren sogar ihr Leben. Viel fundamentaler ist aber, dass die Produktion von Palmöl, um es dann in den Motoren von Autos, LKWs oder Flugzeugen zu verbrennen, niemals ein nachhaltiges Businessmodell sein kann. Je schneller Indonesien und Malaysia das einsehen, desto besser.
Steigt der diplomatische Druck auf die Kommission
All die aufgeführten Argumente der Produzentenländer, sind nicht wirklich überzeugend. Aus diesem Grund wird nun ein hoher diplomatischer Druck auf die Kommission, das Europa-Parlament und die nationalen Regierungen ausgeübt. Sie drohen damit, die WTO zu verklagen, die laufenden Verhandlungen über das Freihandelsabkommen zwischen der EU und Indonesien zu beenden, und auch Auswirkungen auf militärische Kooperationen.
Europa sollte all dies für das nehmen, was es ist: nicht mehr als ein gut inszenierter und geschickt ausgeführter großer Bluff. Die EU ist weltweit der größte Binnenmarkt, die drittgrößte Wirtschaftsmacht und sollte deshalb ein wenig diplomatischem Druck standhalten können. Europas Bürger werden genau hinsehen, ob die EU den Bluff der Palmöl-Nationen als solchen aufdeckt.
Anmerkung: Die in Brüssel ansässige Organisation Transport und Environment veröffentlichte diesen Text im März anlässlich der neusten Entscheidung des Europa-Parlaments über den allmählichen Abbau von Palmöl in Biodiesel bis 2021. (https://www.transportenvironment.org/newsroom/blog/will-eu-call-palm-oil-nations%E2%80%99-bluff)