4. April 2018

Erkennt die EU den großen Bluff?

Anfang des Jahres stimmte das Europa-Parla­ment über die Neuauf­lage der Erneu­er­bare-Ener­gien-Richt­linie (RED) ab. Das Votum des Parla­ments war nicht voll­kommen zufrie­den­stel­lend. Es wird dennoch begrüßt,  denn es deckelt Biokraft­stoffe aus unbe­han­delten und raffi­nierten Pflan­zen­ölen, die man sonst auch für Ernäh­rung nutzen könnte, lenkt Inves­ti­tionen in Rich­tung Kraft­stoffe der Zukunft (Elek­tri­zität, fort­ge­schrit­tene Biokraft­stoffe) und verbietet Palmöl in Biodiesel ab 2021.

Die Palmöl expor­tie­renden Länder reagierten erbost auf das Votum. Ange­führt von Indo­ne­sien und Malaysia, die gemeinsam 85% des welt­weiten Palmöls produ­zieren, haben sie eine gut finan­zierte und aggres­sive Kampagne gestartet, die Europas “Palmöl-Apart­heid“ anpran­gert und drohen mit einem “Rück­schlag“.

Der allmäh­liche Abbau von Palmöl in Biodiesel bis 2021 wird Europas fehl­ge­schla­gene Biokraft­stoff-Stra­tegie nicht gänz­lich richten. Dennoch ist es ein wich­tiger Schritt, der getan werden muss.

Die 2009 verab­schie­dete RED verpflichtet EU-Länder dazu, dass 10% des Kraft­stoffes aus erneu­er­baren Ener­gien bestehen muss, Biokraft­stoff also. Erneu­er­bare Ener­gien sind z.B. Wind­energie, Sonnen­en­ergie, Energie aus Biomasse etc. Für die Beimi­schung in Biokraft­stoffe eignet sich Energie aus Biomasse. Dabei unter­scheidet man Biokraft­stoffe erster, zweiter und dritter Gene­ra­tion. Erstere bestehen aus Raps, Palmöl, Getreide, Mais etc. Diese stehen in Konkur­renz zur Nahrungs­mit­tel­pro­duk­tion für Mensch und Tier. Biokraft­stoffe zweiter Gene­ra­tion sind land­wirt­schaft­liche oder orga­ni­sche Abfälle oder schnell wach­sende Ener­gie­pflanzen, die auf Flächen ange­baut werden können, die nicht für die Land­wirt­schaft geeignet sind. Biokraft­stoffe dritter Gene­ra­tion sind noch in der Entwick­lung und stellen z.B. Algen dar.

 

Die RED — Start­si­gnal für den EU Palmöl-Importboost

Die RED von 2009 war das Start­si­gnal für den Palmöl-Import­boost in die EU, da es extrem preis­günstig ist und die EU bis dato noch keine ange­mes­senen Nach­hal­tig­keits­stan­dards adap­tiert hatte. Seit 2009 fußt nahezu das gesamte Biokraft­stoff­wachstum auf Palmöl, was zurzeit grob für ein Drittel des Biodie­sels in der EU steht. Dies macht Auto­fahrer zu den Haupt­kon­su­menten von Palmöl in Europa.

Die Umwelt­aus­wir­kungen dieser Entwick­lung sind verhee­rend. Enorme Flächen tropi­schen Regen­waldes in Malaysia und Indo­ne­sien werden gerodet, um Platz für Ölpalm­plan­tagen zu machen. Uralte Wälder und Feucht­ge­biete sind verschwunden und damit auch Habi­tate von Pflanzen- und Tier­arten, die auf der Schwelle zum Aussterben stehen. Auch die Land­nut­zungs­kon­flikte mit den Einhei­mi­schen und der indi­genen Bevöl­ke­rung sind verhee­rend. Menschen, die von und im Wald leben, werden umge­sie­delt und vertrieben, manchmal sogar getötet. Während­dessen fällt die, ursprüng­lich als nach­haltig erach­tete, Rege­lung in sich zusammen. Biokraft­stoffe erster Gene­ra­tion sind 80% und Palmöl-Biodiesel im spezi­ellen sogar dreimal schäd­li­cher als fossile Öle wie z.B. Erdöl.

Das EU-Parla­ment versäumte Nutz­pflanzen-Biodiesel komplett auslaufen zu lassen, oder alter­nativ wenigs­tens indi­rekte Land­nut­zungs­än­de­rungen (ILUC) auch in die Treib­haus­gas­bi­lan­zie­rung von Biokraft­stoffen einzu­be­rechnen. Ledig­lich dem übelsten aller Biodiesel schenkten sie, dafür aber in hohem Maße, Aufmerk­sam­keit: Palmöl-Biodiesel. Dieses soll bis 2021 nicht mehr als Biokraft­stoff verwendet werden. Doch auch diese Empfeh­lung des Parla­ments kommt nicht von unge­fähr. Schon 2012 machte die US EPA als Vorreiter die Ankün­di­gung, dass Palmöl sich nicht für die ameri­ka­ni­sche RED (RFS) eigne, beru­hend auf den hohen Treib­hausgas-Emis­sionen. Norwegen ist dem gleichgezogen.

Die Entschei­dung des EU-Parla­ments hat die Palmöl-Nationen auf die Barri­kaden getrieben. Sie werfen dem Parla­ment vor, Palmöl gänz­lich zu verbieten. Dies stimmt jedoch so nicht. Palmöl kann immer noch in die EU verkauft werden. Alleine der, auf Palmöl basie­rende, Biodiesel soll nicht länger zu dem 10%-Ziel bis 2021 ange­rechnet werden. RED ist ein Grund­pfeiler der Klima­po­litik der EU, deswegen ist das Disqua­li­fi­zieren von Brenn­stoffen, die schlimmer als Erdöl sind, essen­tiell für die Glaub­wür­dig­keit dieser Richt­linie. Eine objek­tive Methode Biodiesel zu disqua­li­fi­zieren, bei dessen Gewin­nung breite Flächen Regen­wald für den Anbau von Ölpalmen und Soja­bohnen abge­holzt werden, ist eine berech­tigte Rege­lung und würde eine Ober­grenze für Nutz­pflanzen-Biodiesel einläuten.

 

Zerti­fi­zie­rung von Palmöl für Biodiesel — eine Fehlkonstruktion

Palmöl-Produ­zenten betonen immer, dass ihre Produkte nach den inter­na­tio­nalen Stan­dards als nach­haltig zerti­fi­ziert sind. Aller­dings konnte ein kürz­lich veröf­fent­lichter Report zeigen, dass die Haupt­zer­ti­fi­zie­rungs­sys­teme (RSPO/ ISPO) unzu­rei­chend sind. Eine Verbes­se­rung kann und muss hinsicht­lich des nach­hal­tigen Anbaus von Ölpalmen ange­steuert werden. Der Palmöl-Biodiesel muss aus diesen Systemen ausge­nommen werden, da Zerti­fi­zie­rung für Biodiesel aus Palmöl schlicht und einfach nicht funk­tio­nieren kann. Der Biodiesel-Markt ist künst­lich von den Gesetz­ge­bern  kreiert worden. Dieses Konstrukt befeuert die Nach­frage nach Biomasse, übt somit Druck auf land­wirt­schaft­liche Nutz­fläche aus und gefährdet die Ernäh­rungs­si­cher­heit. Das zwingt Land­wirte dazu, sich nach neuem bebau­barem Land umzu­schauen, was wiederum Entwal­dung und die Entwäs­se­rung von Torf­moor­böden bedeutet. Diese indi­rekte Land­nut­zungs­än­de­rung (ILUC) wird nicht von den bestehenden Zerti­fi­zie­rungs­sys­temen erfasst.

Ein weiteres Argu­ment der Palmöl-Produ­zenten ist, dass ein Verbot von Palmöl den Klein­bauern schaden würde und die “nach­hal­tige Entwick­lung“ unter­grabe. Die Realität jedoch ist viel komplexer. Es gibt etliche Berichte von Klein­bauern, die von ihrem Land vertrieben wurden, um den Platz für große Plan­tagen zu schaffen. Dieje­nigen, die Wider­stand leisten, leiden unter Unter­drü­ckung und riskieren sogar ihr Leben. Viel funda­men­taler ist aber, dass die Produk­tion von Palmöl, um es dann in den Motoren von Autos, LKWs oder Flug­zeugen zu verbrennen, niemals ein nach­hal­tiges Busi­ness­mo­dell sein kann. Je schneller Indo­ne­sien und Malaysia das einsehen, desto besser.

 

Steigt der diplo­ma­ti­sche Druck auf die Kommission

All die aufge­führten Argu­mente der Produ­zen­ten­länder, sind nicht wirk­lich über­zeu­gend. Aus diesem Grund wird nun ein hoher diplo­ma­ti­scher Druck auf die Kommis­sion, das Europa-Parla­ment und die natio­nalen Regie­rungen ausgeübt. Sie drohen damit, die WTO zu verklagen, die laufenden Verhand­lungen über das Frei­han­dels­ab­kommen zwischen der EU und Indo­ne­sien zu beenden, und auch Auswir­kungen auf mili­tä­ri­sche Kooperationen.

Europa sollte all dies für das nehmen, was es ist: nicht mehr als ein gut insze­nierter und geschickt ausge­führter großer Bluff. Die EU ist welt­weit der größte Binnen­markt, die dritt­größte Wirt­schafts­macht und sollte deshalb ein wenig diplo­ma­ti­schem Druck stand­halten können. Europas Bürger werden genau hinsehen, ob die EU den Bluff der Palmöl-Nationen als solchen aufdeckt.

Anmer­kung: Die in Brüssel ansäs­sige Orga­ni­sa­tion Trans­port und Envi­ron­ment veröf­fent­lichte diesen Text im März anläss­lich der neusten Entschei­dung des Europa-Parla­ments über den allmäh­li­chen Abbau von Palmöl in Biodiesel bis 2021. (https://www.transportenvironment.org/newsroom/blog/will-eu-call-palm-oil-nations%E2%80%99-bluff)