29. März 2021

Erste Menschen­affen gegen COVID-19 geimpft

Unsere Prima­to­login Dr. Isabelle Laumer forscht derzeit an der Univer­sität von Kali­for­nien, Los Angeles an einem Projekt über Spiel, Freude und Humor bei Menschen­affen. Im Rahmen ihrer Forschung hat sie dort auch mit den Orang-Utans und Bonobos vom San Diego Zoo gear­beitet – den bisher welt­weit ersten Menschen­affen, die vor kurzem eine Corona Impfung erhalten haben. Im Inter­view mit BOS Deutsch­land spricht die gebür­tige Nürn­ber­gerin über ihre Arbeit mit den Orang-Utans, die ersten Corona Impfungen bei Menschen­affen und ihre Forschung.

Liebe Isabelle, Du hast  vor kurzem über die erste Corona-Infek­tion von Menschen­affen an einem Zoo in Kali­for­nien berichtet. Weiß man schon, wie es zu der Corona-Infek­tion der Gorillas kam und wie es den Menschen­affen mitt­ler­weile geht?

Dass sich Menschen­affen mit dem Coro­na­virus infi­zieren können, wurde schon zu Beginn der Pandemie von Viro­logen befürchtet. Menschen­affen sind uns gene­tisch sehr ähnlich und daher kann das Coro­na­virus über ähnliche Andock­stellen, die soge­nannten ACE‑2 Rezep­toren, auch die Zellen von Menschen­affen und anderen Primaten befallen. Doch auch andere Tier­arten können sich mit dem Coro­na­virus anste­cken. Gorillas sind bisher die siebte Tierart – neben Haus­katzen, Tigern, Löwen, Schnee­leo­parden, Nerzen und Hunden – die sich auf natür­liche Weise mit dem Virus infi­ziert haben.
Anfang Januar dieses Jahrs wurde bekannt, dass sich die Gorillas im San Diego Zoo Safari Park mit dem Corona Virus ange­steckt haben. Dies geschah, obwohl alle empfoh­lenen Vorsichts­maß­nahmen von den Pfle­gern einge­halten wurden. Alle acht Gorillas blieben nach der Diagnose unter strenger Beob­ach­tung und entwi­ckelten Symptome wie Husten, verstopfte Atem­wege, Nasen­aus­fluss und gene­relle Lethargie. Den 49-Jährigen Silber­rü­cken Winston hat es am schlimmsten getroffen. Bei ihm wurde eine Herz­krank­heit, sowie eine Lungen­ent­zün­dung fest­ge­stellt und er wurde daraufhin erfolg­reich mit mono­klon­alen Anti­kör­pern behan­delt. Mitt­ler­weile geht es den Gorillas, laut eines aktu­ellen Pres­se­be­richtes des San Diego Zoo Safari Parks, wieder besser.

Nun wurden zum ersten Mal Menschen­affen gegen Corona geimpft. Und inter­es­san­ter­weise genau die Tiere, mit denen Du schon gear­beitet hast.

Nachdem sich die Gorillas infi­zierten hatten, entschied sich der Zoo gemeinsam mit der zustän­digen US Behörde die anderen Menschen­affen im San Diego Zoo zu impfen, um die Tiere vor einer Erkran­kung zu schützen. Bisher wurden vier Orang-Utans und fünf Bonobos mit einem speziell für Tiere entwi­ckelten Corona Impf­stoff geimpft. Alle Tiere haben mitt­ler­weile schon ihre zweite Dosis erhalten und bisher gab es keine Neben­wir­kungen zu beob­achten. Im Zuge meiner Forschungs­ar­beit beob­ach­tete ich das Spiel­ver­halten beider Gruppen im Detail und bin gerade dabei, die Daten auszu­werten. Die Orang-Utan Gruppe setzt sich zusammen aus der 7‑jährigen Aisha, ihrer Mutter Indah, ihrem Vater Satu und einem weiteren erwach­senen Weib­chen namens Karen, mit der Aisha oft spielt. Karen wurde mit einem Herz­leiden geboren und wurde im Alter von zwei Jahren erfolg­reich am offenen Herzen operiert – eine medi­zi­ni­sche Sensa­tion, da eine solche OP bis dato noch nie bei einem Orang-Utan durch­ge­führt wurde. Nun ist sie auch einer der ersten Orang-Utans der eine Corona Impfung erhalten hat.

Was ist über den Impf­stoff bekannt?

Der Impf­stoff wurde von dem tier­ärzt­li­chen Phar­ma­un­ter­nehmen Zoetis, mit Sitz in den USA, entwi­ckelt. Auf der Website der Firma kann man nach­lesen, dass sie mit der Impf­stoff­ent­wick­lung für Hunde und Katzen begonnen haben, als der erste Fall einer Corona-Infek­tion bei einem Hund in Hong-Kong bekannt wurde. Die Forschung am Impf­stoff verla­gerte sich dann auf Nerze, als öffent­lich wurde, dass das Virus sich nun in den Pelz­farmen in Däne­mark, den USA und anderen Ländern ausbrei­tete und sogar auf den Menschen zurück­springen kann. Es ist in der Vete­ri­när­me­dizin nicht unüb­lich, einen Impf­stoff, der an einer Tierart entwi­ckelt und zuge­lassen wurde, bei einer anderen Tierart mit den entspre­chenden Geneh­mi­gungen zu testen und anzu­wenden. Ob der Impf­stoff bei den Menschen­affen in San Diego wie erhofft wirkt, also ob sie Anti­körper gegen das Coro­na­virus entwi­ckelt haben, lässt sich bald durch Blut­tests fest­stellen. Falls die Impfung das gewünschte Resultat bringt, wäre die Möglich­keit gegeben weitere Menschen­affen vor einer Erkran­kung zu schützen.

Isabelle, wie bist Du eigent­lich zu Deinem span­nenden Beruf als Prima­to­login gekommen?

Versuchsanordnung zum Thema Belohnung
Versuchs­an­ord­nung zum Thema Belohnung

Mein Leben hat sich immer schon um Tiere gedreht. Als Tochter eines Tier­arztes und einer Biolo­gie­leh­rerin hatte ich bereits als Kind viele Gele­gen­heiten mit verschie­densten Tieren zu inter­agieren, sie zu beob­achten und von ihnen zu lernen. Während meines Studiums in Wien habe ich Führungen durch den Tier­garten Schön­brunn geleitet und die Welt bereist, um Forschungs­ar­beiten mit Diadem-Meer­katzen, Elefanten, Bisons, Meeres­schild­kröten und Grau­gänsen durch­zu­führen. Seit knapp zehn Jahren unter­suche ich Werk­zeug­ge­brauch, Sozi­al­ver­halten und Intel­li­genz bei Menschen­affen und Kakadus. Als ich begonnen habe mit Orang-Utans zu arbeiten, war das eine unbe­schreib­lich inten­sive und schöne Erfah­rung. Sie hat mich aber auch gleich­zeitig tief­traurig gemacht, da ich mir eine Welt ohne diese unglaub­lich intel­li­genten, faszi­nie­renden, hoch­so­zialen Tiere nicht vorstellen kann und will. Seit 2020 unter­stütze ich BOS bei der Medi­en­ar­beit und zu wissen­schaft­li­chen Fach­fragen. Es macht mir große Freude, mein Wissen zu teilen, und dazu beizu­tragen diese einzig­ar­tigen, vom Aussterben bedrohten Tiere zu schützen. Aktuell bin ich an der UCLA in Kali­for­nien, wo ich Humor und spie­le­ri­sches Necken bei allen vier Menschen­affen erforsche.

Laumer mit den von ihr erforschten Kakadus
Laumer mit den von ihr erforschten Kakadus

Wie können wir uns Deine Arbeit mit Orang-Utans vorstellen?

Bei meiner Arbeit mit den Tieren, ist eine gute Bezie­hung zwischen Mensch und Menschen­affe essen­tiell. Mir ist es wichtig, dass sich die Tiere wohl und entspannt fühlen, bevor ich sie mit einer Aufgabe, die sie lösen sollen, konfron­tiere. Bevor es losgeht, rufen die Tier­pfleger die Tiere bei ihrem Namen zu mir. Da kann es schon mal zu Gedränge kommen, da die Aufgaben, die ich ihnen stelle, eine will­kom­mene Abwechs­lung und Berei­che­rung für ihren Zooalltag darstellen. Orang-Utans sind unglaub­lich intel­li­gent und eine kogni­tive Beschäf­ti­gung, neben der Erfül­lung anderer Bedürf­nisse, ist sehr wichtig für ihr allge­meines Wohlbefinden.

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Quellen:

- Melin, A.D., Janiak, M.C., Marrone, F. et al. (2020) Compa­ra­tive ACE2 varia­tion and primate COVID-19 risk. Commun Biol 3, 641.
— Md. Golzar Hossain, Aneela Javed, Sharmin Akter, Sukumar Saha (2020). SARS-CoV‑2 host diver­sity: An update of natural infec­tions and expe­ri­mental evidence, Journal of Micro­bio­logy, Immu­no­logy and Infec­tion, 1684–1182.
— https://www.zoetis.com/news-and-media/feature-stories/posts/zoetis-emerging-infectious-disease-capabilities-support-covid-19-solutions-for-great-apes-and-minks.aspx