Unser Team im Rettungszentrum Nyaru Menteng hatte in den zurückliegenden zwei Wochen richtig viel zu tun. Und ordentlich Aufregung. Denn es ging nicht nur für vier Orang-Utans in die große Freiheit des Regenwalds, sondern für vier weitere Primaten in die kleine Freiheit der Vorauswilderungsinsel.
Hier, auf dem Salat Island Cluster, müssen sie nun beweisen, wie gut sie allein zurechtkommen. Auf den Inseln leben sie selbstständig, müssen sich ihr Futter suchen, den Wald erkunden, mit anderen Orang-Utans zurechtkommen, sich Schlafnester bauen. Und natürlich klettern, hangeln, schwingen. Im Unterschied zur Auswilderung im Regenwald, stehen die Waldmenschen hier aber noch unter täglicher Beobachtung unserer erfahrenen Kolleginnen und Kollegen. Die liefern nicht nur täglich Obst und Gemüse an, da die Inseln nicht genug Nahrung für alle Bewohner bieten, sondern haben von den Booten aus auch ein scharfes Auge auf den Orang-Utans. Sie führen z. B. Buch über die Sichtungen. So kann es schon mal vorkommen, das einzelne Tiere ein paar Tage nicht an den Fütterungsplattformen erscheinen, weil sie anderweitig beschäftigt sind und selbst genügend Futter gefunden haben. Dann wird das Sozialverhalten beobachtet und dokumentiert. Und vor allem der Gesundheitszustand überwacht.
Kapuan versucht es zum zweiten Mal
So ist es für das Orang-Utan-Weibchen Kapuan bereits der zweite Versuch auf einer Vorauswilderungsinsel. Sie ist erstmals am 26. Juni 2019 auf eine Salat-Insel gezogen. Allerdings musste Kapuan am 18. Februar 2020 in die Tierklinik von Nyaru Menteng zurückgeschickt werden, da bei ihr eine Atemwegserkrankung namens Aerosacculitis (eine bakterielle Luft- oder auch Kehlsackentzündung) diagnostiziert wurde.
Kapuan ist mit 23 Jahren die älteste der neuen Waldstudenten. Sie wurde mit sechs Jahren im November 2006 aus thailändischer Gefangenschaft in einem Vergnügungspark befreit und nach Indonesien zurückgeholt. Nun, nachdem sie wieder gesund und fit ist, darf die sanfte Kapuan sich ein zweites Mal auf der Insel beweisen. Drücken wir ihr die Daumen, dass diesmal alles glatt geht und sie bald ausgewildert werden kann.
Die Jüngste der neuen Waldstudenten
Mit sieben Jahren ist Jengyos die Jüngste der neuen Inselbewohner. Sie wurde mit gerade mal einem Jahr 2016 in einem Dorf in Zentral-Kalimantan gerettet.
In der Waldschule entwickelte sie sich zu einem sehr neugierigen und sozialen Orang-Utan. Aggressiv ist sie nicht, hat aber in letzter Zeit begonnen, sich zu verteidigen, wenn sie von anderen Orang-Utans provoziert wird. Wir sind gespannt, wie sich ihre Überlebensfähigkeiten auf der Insel weiterentwickeln werden.
Vier Jahre Gefangenschaft
Jessy ist heute zehn Jahre alt. Gerettet haben wir sie im Alter von sechs Jahren im September 2018 gemeinsam mit dem Wildtierrettungsteam der Naturschutzbehörde BKSDA aus einem Dorf in Zentral-Kalimantan. Dort war sie vier Jahre lang von einem Dorfbewohner illegal als Haustier gehalten worden.
In der Waldschule zeigte Jessy ein sanftes Gemüt. Um Menschen schert sie sich zum Glück gar nicht. Nun darf sie auf der Walduni das wilde Leben studieren und hoffentlich bald in der Praxis anwenden.
Der neue Mann
Der 14-jährige Happy ist der einzige männliche Orang-Utan, der nun frisch auf die Walduni einzog. Ihn haben wir im Juli 2010 aus illegaler Haltung und in einem schlechten körperlichen Zustand gerettet. Damals war er zwei Jahre alt. Uns wurde berichtet, dass seine Mutter gestorben sei, nachdem sie vergiftetes Wasser aus dem Garten der Bewohner getrunken habe.
In der Waldschule zeigte Happy früh eine große Selbstständigkeit, da er die meiste Zeit in den Bäumen verbrachte. Wenn er nicht gerade damit beschäftigt war, den Wald zu erkunden, verstand er sich problemlos mit allen seinen Orang-Utan-Kollegen.
Nach zwölf Jahre Rehabilitation ist Happy nun bereit, seine Fähigkeiten unter Beweis zu stellen und zu zeigen, dass er das Zeug dazu hat, auf der Vorauswilderungsinsel klarzukommen.
Wir wünschen allen neuen Waldstudenten ein gutes, wildes Studentenleben.