12. Dezember 2017

Können Orang-Utans dankbar sein?

Am Ende eines Jahres, wenn Zeit und Muße uns zur Ruhe kommen lassen, ist klas­si­scher­weise die Zeit „Danke“ zu sagen. Im Job bedanken wir uns für die gute Zusam­men­ar­beit, bei den Nach­barn für das Blumen­gießen während der Ferien. Ganz beson­dere Dank­bar­keit bringen wir jedoch denen entgegen, mit denen wir über­durch­schnitt­lich eng verbunden sind.

In der Regel ist das die Familie. Es kann jedoch auch der Erst­helfer nach einem Unfall sein oder die Hebamme, die unser Baby auf die Welt gebracht hat. Dank­bar­keit ist einfach tierisch mensch­lich. Oder? Lange Zeit haben Wissen­schaftler die These vertreten, dass nur der Mensch allein sich dank­er­füllt zeigen kann. Anderen Lebe­wesen wurde Empa­thie gänz­lich abgesprochen.

Nun, einige Beob­ach­tungen und Studien später, revi­dieren Forscher diese lange verfoch­tene Meinung. Eine aktu­elle Veröf­fent­li­chung des Max-Planck-Insti­tuts für evolu­tio­näre Anthro­po­logie (MPI) sagt: Menschen­affen verhalten sich weit weniger egois­tisch als bisher ange­nommen. Sie lassen sogar eine Form von Dank­bar­keit erkennen.

Menschen­affen belohnen Gefälligkeiten

Für ihre Erkennt­nisse führten die MPI-Mitar­beiter Martin Schmelz und Sebas­tian Grün­eisen einen spezi­ellen Test mit Schim­pansen durch. Die Frage­stel­lung: Verhält sich ein Menschen­affe anders bei der Auftei­lung von Futter oder koope­riert er gar, wenn ihm ein Artge­nosse vorher geholfen hat? Zeigt er sich in gewisser Hinsicht also dankbar?

Hilf­reich bei diesem Expe­ri­ment war den Forschern die Tatsache, dass Schim­pansen, wie andere große Menschen­affen auch (z.B. die Orang-Utans), sehr sozial sind. Im Versuch ging es um Futter. Hört da nicht die Freund­schaft auf? Im Gegen­teil. Die Expe­ri­men­tier­an­ord­nung bot zwei Möglich­keiten: Option eins beschaffte nur dem Probanden Futter, Option zwei sowohl Proband als auch seinem Partner. Dem voraus ging jeweils ein Versuch, bei dem der Partner am Zug war. Auch dieser konnte die Futter­ver­tei­lung selbst bestimmen.

Span­nend für die Forscher war zu beob­achten, ob sich das Verhalten des einen auf das folgende Verhalten des anderen Schim­pansen auswirken würde. Tatsäch­lich merkten sich die Tiere, wie der jeweils andere das Futter aufge­teilt hatte. War er frei­giebig, waren sie im Anschluss eben­falls koope­rativ, belohnten ihren Partner mit mehr Futter.

„Am meisten über­raschte uns, dass die Schim­pansen sogar Kosten auf sich nehmen und auf zusätz­li­ches Futter verzichten, um einen Artge­nossen für dessen Unter­stüt­zung zu belohnen”, sagt Martin Schmelz. „Bisher galt es als sicher, dass Schim­pansen in Situa­tionen wie diesen nur ihren eigenen Vorteil im Blick haben.”

Selbst die Höhe der Beloh­nung war variabel, je nachdem, wie spen­dabel der Partner vorher war. Je mehr Futter verschenkt wurde, desto mehr kam auch zurück. „Die Ergeb­nisse legen nahe, dass die Schim­pansen nicht nur die Hand­lungen, sondern auch die koope­ra­tiven Absichten ihres Versuchs­part­ners in Betracht ziehen und unei­gen­nüt­ziges von poten­tiell eigen­nüt­zigem Verhalten unter­scheiden”, sagt Sebas­tian Grüneisen.

Inso­fern lässt sich vermuten, dass auch andere Menschen­affen wie unsere Orang-Utans Gefäl­lig­keiten belohnen. Sie zeigen also eine Art Dank­bar­keit, ähnlich wie wir Menschen es tun.
 

Hier können Sie die Veröf­fent­li­chung des Max-Planck-Insti­tuts für evolu­tio­näre Anthro­po­logie zum Thema nach­lesen.