BOS hatte bei der Buchmesse Leipzig 2015 die Gelegenheit mit dem Schrifsteller Goenawan Soesaatyo Mohamad zu sprechen. Der Lyriker, Journalist und Essayist ist Gründer der Zeitschrift „Tempo”, einer der einflussreichsten und bekanntesten Zeitschriften Indonesiens. BOS-Mitarbeiterin Barbara Bichler hat ihn zur Literatur, aber auch zu Naturschutzthemen befragt.
Im Oktober wird Indonesien als Gastland auf der Frankfurter Buchmesse große Aufmerksam zuteilwerden. Welche Erwartungen haben Sie für Ihr Land generell und für Indonesiens Literatur im Speziellen?
Goenawan Soesaatyo (GM): In Deutschland weiß man wenig über die Literatur Indonesiens. Normalerweise wissen die Leute mehr über Orang-Utans als über indonesische Lyrik. Es ist ein harter Job, Indonesiens Literatur ein wenig bekannter zu machen (lacht), aber es wäre schön! Unseretwillen und für die Europäer: Für Europa, da es für uns oft sehr selbstbezogen wirkt und die Europäer große Angst vor dem Fremden zu haben scheinen, wie man beim Thema Immigration oder der Angst vor dem Islam sehen kann. Die Europäer neigen dazu, sich abzuschotten.
Etwas mehr über die Welt zu wissen, kann da nützlich sein. Das hoffe ich. Für uns, da wir der Welt zeigen müssen, dass wir nicht Orang-Utan-Killer, Regenwaldvernichter und Tsunamiopfer sind. Wir müssen ein differenzierteres Bild vermitteln. Und deshalb ist es wichtig, die Literatur als wichtigen Teil des Gesamtbildes von Indonesien vorzustellen.
Was sind die derzeit drängendsten und größten Themen in Indonesien? GM: Korruption. Für mich beginnt alles mit der Korruption. Sie tötet Menschen und sie tötet Orang-Utans.
Ist die katastrophale Regenwaldabholzung ein Thema im alltäglichen Leben der Menschen?GM: Ja, die Leute sind zutiefst besorgt wegen der Abholzung, der drohenden Ressourcenknappheit, der bedrohten Biodiversität. Wiederum ist das zugrundeliegende Problem Korruption und Missmanagement – die Regenwälder zu schützen ist auch ein Verwaltungsproblem, ein bürokratisches Problem.
Aber in den letzten Jahren gibt es wachsende Initiativen, vor allem von Privatpersonen: Umweltschutzgruppen und Aktivisten, allen voran junge Leute. Das ist sehr gut. Anstatt sich darüber zu beschweren, sollten wir alle helfen wo wir können – im Rahmen der ökonomischen Möglichkeiten. Deshalb ist es gut, wenn in Europa auch anerkannt wird, dass Naturschutz eine ökonomische Frage ist: Wie kann man wirtschaftlich wachsen ohne die Natur zu zerstören? Solange wir uns nur gegenseitig für die Missstände anklagen, wird sich nichts ändern. Wir sollten damit anfangen, das Gefühl der Bedrohung gemeinsam zu empfingen, wir sollten gemeinsam die Last tragen.
Welche Rolle spielt Literatur im täglichen Leben in Indonesien?
GM: Generell wird Lyrik höher geschätzt als belletristische Literatur; es gibt eine reiche Lyriktradition. Die großen Tageszeitungen haben wöchentliche Beilagen zu Lyrik – das gibt es hier in Europa so nicht. Allerdings wird dadurch Literarisches in Indonesien auch zu etwas Selbstverständlichem, das man nicht als hohes Gut ansieht, für das man sich in der zeitgenössischen Kultur stark machen muss. Das sollte anders werden.
Und zum Abschluss würden wir gern von Ihnen wissen: Haben Sie ein Lieblingstier?
GM: Vögel. Ich mag alle Vogelarten. Sie bergen so viele Überraschungen. Ihre Farben, ihre Klänge, ihre Flüchtigkeit, die Bewegung von Federn … — das ist sehr poetisch.
Vielen Dank für das Gespräch und Ihre Zeit!