Moderne Landwirtschaft und Artenvielfalt sind meist nicht die besten Freunde. Überall auf der Welt, wo Landwirtschaft in großem Stil betrieben wird, beschränken ausgedehnte, maschinengeeignete Anbauflächen das Leben auf dem Acker im Wesentlichen auf die angebauten Nutzpflanzen. Dazwischen: nichts. Keine Hecken oder Gehölze, nicht einmal kleine Feuchtbiotope.
Die Belastung der Böden, des Grundwassers und der umliegenden Gewässer durch Düngemittel und Pestizide tut ein Übriges zur Verringerung der Artenvielfalt. In tropischen Ländern fallen zudem riesige Waldgebiete der Anlage von Ölpalmen- und anderen Plantagen zum Opfer. Auch das ist Landwirtschaft.
Global gesehen erscheint dies zunächst mehr oder weniger unvermeidlich. Schließlich gilt es weltweit Milliarden von Menschen zu ernähren, vom zunehmenden Durst nach Agrosprit ganz abgesehen.
Doch es gibt noch Hoffnung
Wissenschaftler verschiedener Forschungsinstitute aus Göttingen, Leipzig, Jena und Münster haben eine Studie[i] erstellt, die genau diese Fragestellung zum Thema hat.
Die Autoren schätzen, dass der globale Biodiversitätsverlust auf landwirtschaftlichen Flächen bis 2040 im Vergleich zum Jahr 2000 weltweit etwa 11 Prozent betragen wird. Sie zeigen aber auch, dass dieser durch die Intensivierung der landwirtschaftlichen Produktion verursachte Verlust um 88 Prozent verringert werden könnte. Dazu bedarf es allerdings international koordinierter Landnutzungsplanung. Entsprechende, konsequente Konzeptionen allein auf nationaler Ebene würden den erwarteten Rückgang an Artenvielfalt immerhin noch um 61 Prozent abmildern.
Der Schlüssel dieser Strategien wäre, Ausweitungen landwirtschaftlicher Aktivität in Areale mit ohnehin schon geringer Artenvielfalt zu lenken, so dass Gebiete hoher Biodiversität eher geschont würden.
Die Gebiete mit hoher Biodiversität sind in zehn Ländern konzentriert
Zum größten Teil konzentriert sich dieses Potential auf zehn Länder, darunter Brasilien, Indien und Indonesien. Wenn allein diese Staaten ihre Landwirtschaft, einschließlich Plantagen, so konzeptionieren würden, dass Gebiete mit hoher Biodiversität weitgehend erhalten blieben, könnten etwa 33 Prozent des global erwarteten Artenschwundes vermieden werden. Für Ölpalmen-Länder bedeutete dies, „nur“ die bestehenden Plantagenflächen sowie gegebenenfalls stark degradierte Flächen nachhaltig und umweltverträglich zu nutzen und von weiteren Waldzerstörungen strikt abzusehen.
Problematisch dabei ist allerdings, dass die besagten Länder auch zu den insgesamt zwanzig Ländern mit dem weltweit verheerendsten Artenschwund zählen. Mitautor Carsten Meyer, Universität Leipzig, erklärt: „Leider sind diese Länder zudem auch oft durch heimische Landnutzungskonflikte und relativ schwache regelnde Institutionen charakterisiert. Beides behindert gegenwärtig Landnutzungsverbesserungen.“
Die Wirtschaft dieser Länder hängt meist auch sehr stark von Landwirtschafts- und Plantagenprodukten ab, einschließlich Palmöl. Eine unter Artenschutzgesichtspunkten optimierte Landnutzungsverteilung würde gerade sie ökonomisch zu Verlierern machen. „Globale Optimierung beinhaltet, dass artenreiche Länder, hauptsächlich in den Tropen, stärker in der Verantwortung für den Schutz der natürlichen Ressourcen des Planeten sind – und dies auf Kosten ihrer eigenen wirtschaftlichen Entwicklung. Wenn solche im Widerspruch stehenden nationalen Interessen nicht irgendwie in internationale Nachhaltigkeitspolitik eingebettet werden, erscheint globale Kooperation unwahrscheinlich und dürfte neue sozioökonomische Abhängigkeiten schaffen“, erklärt der Hauptautor der Studie, Lukas Egli von der Universität Göttingen.
Reflektiert man die zusammengefassten, zentralen Ergebnisse dieser Studie, kann man nur zu dem wenig überraschenden Schluss kommen, dass gerade den tropischen Ländern mit ihrer besonderen biologischen Vielfalt auf die eine oder andere Weise Kompensation durch die internationale Gemeinschaft zusteht. Letztlich ließen sich eine produktive Landwirtschaft und der Erhalt der Artenvielfalt zumindest weitgehend miteinander versöhnen, wenn nur international der politische Wille dafür vorhanden wäre.
Die internationale BOS-Gemeinschaft setzt auf ihre Weise und im Rahmen ihrer Arbeit die Empfehlungen der Studie seit jeher um: durch Einbeziehung der lokalen Bevölkerung in alle Schutzbemühungen und Schaffung alternativer Einkommensquellen — tragende Säulen der BOS-Aktivitäten.
Werden auch Sie zum BOS-Unterstützer. Mit Ihrer Spende helfen Sie den Orang-Utans, dem Regenwald und damit auch unserem Klima. Jeder Beitrag hilft.
[i] Egli L, Meyer C, Scherber C, Kreft H, Tscharntke T. Winners and losers of national and global efforts to reconcile agricultural intensification and biodiversity conservation. Global Change Biology, Febr. 2018.