Palmöl steckt in Tütensuppen, Gebäck aller Art, Schokoladen- und Pralinenfüllungen und vielen anderen verarbeiteten Lebensmitteln. Auch in Kosmetika, Waschmitteln und in sogenanntem Biosprit hat das Palmfett Eingang gefunden. Man kann ohne Übertreibung sagen, dass Palmfett mittlerweile ein Schmiermittel unseres täglichen Lebens geworden ist. Die verheerenden ökologischen und sozialen Folgen seiner ungebremsten, hauptsächlich auf Raubbau an natürlichen Ressourcen basierenden Produktion sind mittlerweile weithin bekannt, auch wenn es durchaus Möglichkeiten nachhaltiger Anbaumethoden gibt.
Als wäre all das nicht genug, soll das Fett laut diverser Medienberichte auch noch die Gesundheit schädigen. Die europäische Lebensmittelbehörde European Food Safety Authority (EFSA) gab Mitte 2016 bekannt, dass Palmöl Krebs verursachen könne. Besonders bei Babys und Kleinkindern sei Vorsicht geboten.
Kinder gesund ernähren
Die Warnungen beziehen sich im Detail aber nicht auf Palmöl als solches, sondern auf Stoffe, die generell bei Erhitzung pflanzlicher Fette auf ca. 200°C entstehen und sich in Tierversuchen ab bestimmten hohen Dosen als krebserregend erwiesen haben. Auch das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) stuft sie daher als bedenklich ein. Es sind dies vor allem Glycidyl- und andere Fettsäureester, die sich allerdings in Palmöl in weitaus höherer Konzentration als in anderen pflanzlichen Fetten bilden können. Empfohlen wird ein Grenzwert von 30 Mikrogramm bestimmter Fettsäureester pro Tag und Kilogramm Körpergewicht. Das bedeutet natürlich, dass für Kinder aufgrund ihres geringeren Gewichts der Grenzwert schon sehr viel früher erreicht wird.
Die Warnungen gehen jedoch zum Teil von einer ohnehin „grenzwertigen“ Kinderernährung aus, zum Beispiel vom Speiseplan eines fiktiven, 15 Kilogramm wiegenden Dreijährigen: Zum Frühstück Getreidekissen mit Nougatfüllung, nachmittags ein kleines Schokocroissant und zwischendurch 25 Gramm gefüllte Schokolade. Dadurch, so haben Lebensmittelchemiker errechnet, würde dieses Kind mit etwa 39 Mikrogramm pro Kilogramm seines Körpergewichts den Grenzwert an Fettsäureestern klar überschreiten. Rechnet man dann noch die möglicherweise auch palmölhaltigen Hauptmahlzeiten hinzu, erhöht sich der Wert natürlich noch weiter. Man mag annehmen, dass eine derartige Kinderernährung auch ohne Palmöl nicht optimal ist.
Abgesehen von einer insgesamt gesunden Ernährung ihrer Kinder sollten Eltern aber wohl besser keine palmölhaltige Babynahrung kaufen. Dies gilt besonders dann, wenn ein Kind nicht gestillt wird, sondern schon sehr frühzeitig anderweitige Nahrung bekommt.
Rohes Palmöl ist unschädlich
Doch wie gesagt, die schädlichen Substanzen bilden sich bei starker Erhitzung im Raffinationsprozess und sind nicht von vornherein vorhanden. Für Palmöl, das unter geringeren Temperaturen verarbeitet wurde, gilt dies nicht oder nur in sehr viel geringerem Maße. Rohes, unverarbeitetes Palmöl enthält sogar ausgesprochen gesundheitsförderliche Stoffe wie sehr viel Carotin und Vitamin E. Letzteres liegt zudem in einer vom Körper besonders gut verwertbaren Variante vor. Anders allerdings als in den Anbauländern, wo es seinen Platz in der täglichen Küche hat, spielt rohes Palmöl in Deutschland nur eine Nischenrolle. Das blumig-veilchenartig riechende, orange-rote und bei europäischer Zimmertemperatur eher wachsartige rohe Palmfett ist bei uns fast nur in Asiamärkten und einigen Bioläden erhältlich. Dem in den diversen Lebensmitteln steckenden, raffinierten Palmöl werden dagegen Farbe, Aroma und Vitamine nahezu vollständig ausgetrieben. Es ist mehr eine lebensmitteltechnologische Substanz als ein für sich stehendes Nahrungsmittel.
Wie hoch ist nun das Risiko?
Um es gleich zu sagen: Das persönliche Risiko lässt sich nicht beziffern. Grundsätzlich sollte man fette Speisen ohnehin nur maßvoll verzehren. Da Palmöl gerade in vielen süßen Lebensmitteln steckt, nimm man mit dem Fett zudem auch oft ungesund hohe Zuckermengen zu sich. Und bei Babys und Kleinkindern sollten Eltern natürlich besonders vorsichtig sein.
Die Warnungen vor dem Fett sind zum Teil methodisch bedingt. So wirkt zum Beispiel das bei starker Erhitzung entstehende Glycidyl-Fettsäureester (GE) durch seine im Körper erfolgende Umwandlung in die Substanz Glycidol krebserregend und toxisch auf das Erbgut. Das ist grundsätzlich bekannt. Man weiß allerdings weder wieviel GE nun tatsächlich in Glycidol umgewandelt wird noch wieviel Krebsfälle in welchen Zeiträumen auf diese Substanz zurückzuführen sind. Das reale Krebsrisiko bei so und so viel Konsum raffinierten Palmöls über die und die Zeit ist somit nicht zu bestimmen. Dr. Helle Knutsen vom EFSA sagt: „Da die genotoxische und karzinogene Wirkung von Glycidol hinreichend nachgewiesen ist, hat das CONTAM-Gremium keinen sicheren Wert für GE festgelegt.“ (CONTAM ist das „Sachverständigengremium für Kontaminanten in der Lebensmittelkette“ innerhalb des EFSA.) Die Fachleute gehen bei ihren Empfehlungen also auf Nummer sicher.
Ähnlich verhält es sich mit anderen Substanzen, deretwegen Palmöl gesundheitlich in Verruf geraten ist. Jedes einzelne Molekül dieser Schadstoffe erhöhe rein statistisch das Krebsrisiko, so der Lebensmittelchemiker Jan Kuhlmann, der die gesundheitsschädlichen Substanzen im raffinierten Palmöl detailliert untersucht hat. Dennoch streicht er sich und seinen Kindern nach wie vor auch palmölhaltige Schokocreme aufs Brot. Die Grenze zwischen einem rein statistischen und einem tatsächlich unvertretbar hohen Risiko ist im täglichen Leben kaum zu ziehen.
Die Dosis macht das Gift
Dieser eher entspannte Umgang eines Fachmannes mit seinen eigenen offiziellen Warnungen ist aber auch auf erfolgreiche Bemühungen zurückzuführen, Palmöl anders zu verarbeiten. Wieder Kuhlmann in einem Interview des Deutschlandfunks:
„Ich bin ja nicht nur Wissenschaftler, sondern auch Konsument und meine Kinder sind es auch. Wir verzichten nicht auf süße und herzhafte Brotaufstriche, weil […] in Deutschland […] die Anstrengungen seitens der Hersteller durchaus dazu geführt haben, dass die ursprünglich gemessenen Gehalte zurückgegangen sind. Es gibt keine absolute Sicherheit und die derzeit gefundenen Mengen sind im Allgemeinen in einem Bereich, den ich persönlich als nicht kritisch einschätzen würde. Das ist nur eine persönliche Stellungnahme. Wer sich dazu entscheidet, dieses mögliche Risiko noch weiter zu minimieren, sollte tatsächlich darauf achten, auf Produkte zurückzugreifen, die wenig oder kein Palmöl enthalten, wobei man auch da sagen muss, heutzutage kann ein schlecht raffiniertes Sonnenblumenöl unter Umständen höhere Gehalte an Glycidol haben als ein gut raffiniertes Palmöl. Das heißt, die Produzenten haben schon reagiert.“
Druck auf die Hersteller ausüben
Entwarnung also? Nicht ganz, zumal sowohl Politik als auch Industrie im Allgemeinen nur auf öffentlichen Druck zu Änderungen bereit sind. Aber immerhin wird Palmöl mittlerweile oftmals entweder nicht mehr so hoch erhitzt oder gleich durch andere Fette ersetzt. Die Maßnahmen beruhen allerdings bisher noch auf Freiwilligkeit und etliche Firmen haben ihre Produktion (noch) nicht umgestellt. Den Verbrauchern ist zu raten, zumindest bei Babynahrung palmölfreie Alternativen zu bevorzugen. Besonders in diesem Bereich sind möglichst zahlreiche Verbraucheranfragen sicher ein Mittel, den einzelnen Unternehmen noch mehr „auf die Sprünge helfen“. Welche Fette werden verwendet? Wie hoch werden diese bei der Verarbeitung erhitzt? Hat die Firma das Problem überhaupt auf der Agenda? Dies sind Fragen, die man immer wieder stellen sollte. Davon abgesehen ist natürlich eine allgemein gesunde Ernährung die beste Vorbeugung.
Verwirrende Risikostufen
Nicht nur in Bezug auf Palmöl, sondern auch bei allen möglichen sonstigen Nahrungsmitteln gehen regelmäßig alarmierende Berichte über tatsächlich oder vermeintlich krebserregende Wirkungen durch die Medien. Die International Agency for Research on Cancer (IARC) im französischen Lyon stellt sehr viel unter Krebsverdacht, was im täglichen Leben weitestgehend problemlos zu sein scheint und meist auch ist. Den Laien alarmierende Risikoeinschätzungen wie „möglicherweise krebserregend“ oder „wahrscheinlich krebserregend“ sind zunächst rein statistische Bewertungen, die besagen, dass eine Einwirkung grundsätzlich und bei entsprechend hoher Exposition Krebs erzeugen kann. Sie bedeutet nicht, dass man mit hoher Wahrscheinlichkeit auch Krebs bekommen wird. So ist zum Beispiel der Genuss heißer Getränke „wahrscheinlich krebserregend“. Zu heißer Kaffee oder Tee über Jahre erhöht in der Tat das statistische Risiko für Speiseröhrenkrebs. Wie hoch das Risiko für jeden Einzelnen aber tatsächlich ist, lässt sich nicht allgemein sagen. Es gibt keine Hinweise, dass die üblichen Kaffee- und Teegewohnheiten die Krebsrate erhöhen.
Differenzierung und Augenmaß
Es war und ist richtig, Palmöl aufgrund der schwerwiegenden ökologischen und sozialen Auswirkungen seiner gegenwärtigen Produktion zu skandalisieren, damit die Probleme überhaupt als solche öffentlich wahrgenommen werden. Diese müssen aber von der Frage nach gesundheitsschädlichen Wirkungen getrennt werden. Eine beide Aspekte verbindende, palmölpolitische Forderung besteht darin, generell den Konsum von Palmfett zu reduzieren, was dann wiederum auch etwaige Gesundheitsrisiken verringern würde. Aber nicht das Palmöl an sich birgt Gesundheitsrisiken, sondern bestimmte Arten seiner Verarbeitung, eine zu große Fettmenge an sich und der hohe Zuckeranteil vieler palmölhaltiger Produkte.
Quellen:
https://www.gesundheitsstadt-berlin.de/wie-schaedlich-ist-palmoel-wirklich-11370/
https://www.efsa.europa.eu/de/press/news/160503–0
https://www.sueddeutsche.de/gesundheit/palmoel-gesundheitsgefahren-lebensmittel‑1.4547271?fbclid=IwAR0eX1E8reqrO3GAyqmSy2ukDtxTE5fKvtE6AIpuTyuoLCC9nnzJO6vmRdM
https://www.verbraucherzentrale-bayern.de/wissen/lebensmittel/vorsicht-bei-hoch-verarbeiteten-lebensmitteln-mit-palmoel-38459
https://www.foodwatch.org/de/frage-des-monats/2018/ist-palmoel-krebserregend/
https://www.deutschlandfunk.de/krebsrisiko-durch-palmoel-in-lebensmitteln-risiko-steigt.697.de.html?dram:article_id=371738
http://www.hsfs.org/download/Kuhlmann_Vortrag.pdf
https://www.snopes.com/fact-check/nutella-cancer-risk/
https://www.swr.de/swr2/wissen/who-umstrittene-krebsstudien,article-swr-17866.html