08. Oktober 2015
Am ersten Samstag im Oktober – diesmal der 3. – zelebrierten wir wieder unsere Jahresmitgliederversammlung, diesmal in einem repräsentativen alten Festsaal über der Stadtbibliothek Berlin-Wedding, den wir sogar fast umsonst bekamen.
Der Vorstand wurde entlastet und der Jahresbericht vorgestellt und diskutiert. Im Vergleich zum Vorjahr waren die Einnahmen immerhin um neun Prozent gestiegen. Dennoch wurde der nach wie vor bestehende Geldmangel konstatiert und erhöhte Mitteleinwerbung als unumgänglich erkannt. Ein weiterer wichtiger Tagesordnungspunkt war die Straffung und Präzisierung der Satzung in einigen Punkten, die die Versammlung einstimmig beschloss.
Same procedure as every year? Nicht ganz. Nicht nur, dass es am nächsten Tag weiter ging, Samstagnachmittag wurde die interne Premiere des Trickfilms „Henry rettet die Orang-Utans“ (wir berichteten) gegeben. Benni Over, der Initiator des Films, war mit seinen Eltern anwesend und Vater Klaus Over erzählte die spannende Geschichte der Entstehung des Streifens. Der hat es aber auch in sich: Henry, der sprechende Orang-Utan, beschließt, der Vernichtung seines Regenwaldes etwas entgegen zu setzen und zwar nach dem Motto „lokal denken, global handeln“. Er besucht niemand Geringere als Kanzlerin Merkel, den Papst und US-Präsident Obama. Bei allen stößt er auf offene Ohren, aber handeln will niemand so recht.
Orang-Utan Henry merkt schnell, dass die Menschen selbst aktiv werden müssen, worin ihn besonders auch noch der Dalai Lama unterstützt. Schließlich trifft Henry nach abenteuerlicher Reise als blinder Schiffspassagier in Hamburg ein und besucht seinen Patenonkel Benni. Zusammen „machen sie was klar“… Niemanden ließ dieser kurze, aber eindrucksvolle Film unberührt. Seine offizielle Premiere findet voraussichtlich im Januar 2016 statt. Man wird noch von ihm noch hören.
Aus der Beobachtung, dass auf Kongressen oft die besten Gespräche in den Kaffeepausen stattfinden, hat jemand mal die Idee entwickelt, doch den ganzen Kongress in die Kaffeepause zu legen. Ganz so konsequent waren wir noch nicht, ließen uns aber am Sonntagnachmittag erfolgreich auf die Methode des World-Cafés ein. Themen wie die Palmölproblematik, mögliche Zusammenarbeit mit Zoos, Arbeit der Regionalgruppen, Volontariatsförderung, Erfahrungen aus den BOS-Stationen und Erfolgskontrolle der Auswilderungen wurden an verschiedenen Tischen intensiv diskutiert. Wie üblich taten sich am Schluss mehr Fragen als Antworten auf, aber ein Schluss ist ja auch nicht das Ende. Fortsetzung folgt.
Zunächst aber begann der zweite Tag am Sonntagvormittag mit einem spannenden Vortrag des Wildtierforschers Dr. Andreas Wilting. Der Feldforscher und Experte insbesondere für die Säugerfauna Südostasiens erläuterte den erschreckenden weltweiten Artenrückgang, der gerade für Südostasien zu verzeichnen ist. Gründe dafür sind neben Habitatsverlust in vielen Ländern auch exzessive Wilderei. Für die Orang-Utans bleibt die Zerstörung des Regenwaldes allerdings Existenzgefährdung Nr. 1! In einer Modellrechnung für Borneo bis 2080 sind die ursprünglichen Tieflandregenwälder weitestgehend verschwunden. Lediglich das gebirgige „Rückgrat“ der Insel wird weiterhin großflächig bewaldet sein, da sich die steilen Hänge für Plantagen kaum eignen. Die meisten Nahrungspflanzen der Orang-Utans gedeihen jedoch in tiefer gelegenen Regionen; die rothaarigen Menschenaffen können nur in tieferen Lagen überleben.
So tödlich ernst die Situation ist, sie scheint nicht gänzlich hoffnungslos zu sein. Wälder können sich regenerieren, mitunter sogar mit mehr Fruchtbäumen als sie ein Primärwald aufweist. Zudem haben die Beobachtungen Wiltings und seiner Kollegen bestätigt, dass Orang-Utans durchaus anpassungsfähiger sind als manche gedacht haben und bis zu einem gewissen Grad flexibel auf veränderte Umweltbedingungen reagieren können.
In hervorragender Ergänzung zum großen Bild der Lage in Südostasien und Borneo berichtete anschließend die Verhaltensforscherin und Primatologin Dr. Signe Preuschoft über ihre langjährigen Erfahrungen mit der Psychologie der Orang-Utans. Kaum überraschend: Gerade junge Orang-Utans ähneln ihren menschlichen Altersgenossen sehr. Dr. Preuschoft erläuterte eindrücklich und detailliert, wie sehr Orang-Utan-Babys durch den gewaltsamen Tod ihrer Mutter traumatisiert werden und wie viel Sorge und Fingerspitzengefühl es bedarf, um die Kleinen auf ein normales Orang-Utan-Leben vorzubereiten. Wie sehr sie ihr Trauma überwinden können, hat ganz entscheidenden Einfluss auf ihre späteren Überlebenschancen in der Wildnis.
Auch die Auswilderungen sind bekanntlich alles andere als ein triviales Käfig-auf-Affe-raus. Nicht nur die umfangreichen und hochkomplexen Vorbereitungen, sondern auch genaue Nachbeobachtungen sind wesentlich für den Erfolg jeder Auswilderung und für die ständige Verbesserung der Vorgehensweisen. „Auswilderung ist kein Event, sondern ein Prozess“, wie Signe Preuschoft immer wieder betonte.
Mit dem Gesamtpaket von Mitgliederversammlung und Fachtagung betraten wir erfolgreich Neuland. In der Atmosphäre dieser beiden Tage wehte der Geist von Aufbruch und Zukunft. „Wir alle zusammen machen den Unterschied, und für diesen Unterschied brauchen wir jeden Einzelnen!“, brachte Löwe Rothkirch die Stimmung auf den Punkt.