Freiheit ist ein Grundrecht, welches wir manchmal für selbstverständlich halten. So aber nicht für den 30 Jahre alten Romeo und viele seiner Artgenossen, die schon lange nicht mehr in Freiheit leben konnten. Das Ziel unserer Freiheitskampagne konzentriert sich darauf diese traurige Realität zu ändern und jedem Orang-Utan unter unserer Obhut die Freiheit zurück zu geben. Nach über 24 Jahren konnte nun Romeo auf eine der Vorauswilderungsinseln von Samboja Lestari ziehen. Je nachdem wie gut er sich dort einlebt, können wir sein Potenzial für die endgültige Auswilderung besser einschätzen.
Derzeit stehen in Samboja Lestari sieben Vorauswilderungsinseln zur Verfügung; vier weitere Inseln sind in Vorbereitung.
Diese sieben Inseln bieten Platz für etwa 30 Orang-Utans. Jeder Orang-Utan, der die Waldschule erfolgreich abgeschlossen hat, wird auf eine dieser Inseln gebracht, um sich dort auf die finale Auswilderung vorzubereiten. Auf den Inseln leben die Menschenaffen unter naturnahen Bedingungen, werden aber noch durch Mitarbeiter der BOS Foundation überwacht und beobachtet.
Romeos erste Lebensjahre
Das Orang-Utan-Männchen Romeo hat seine ersten Lebensjahre in einem taiwanesischen Zoo verbracht, indem er die Hauptattraktion spielte. Eingesperrt in einem Gehege mit kaum Platz, war es Romeo nicht möglich, sich frei zu bewegen oder irgendetwas zu tun, ohne unter Beobachtung zu stehen.
Im Alter von sechs Jahren wurde Romeo zurück nach Indonesien gebracht und der BOS Foundation übergeben, die ihn erst in Wanariset und später im Rettungszentrum von Samboja Lestari untergebrachten. Dort hatte er die Chance, sich dem Rehabilitationsprogramm zu unterziehen.
Doch das Schicksal meinte es nicht gut mit ihm und erschwerte seinen Weg der Rehabilitation. Denn als Romeo 1993 zu uns kam, wurde er positiv auf Hepatitis B getestet, eine ansteckende Viruserkrankung, die sowohl über Mensch als auch über Orang-Utans übertragen werden kann.
Das bedeutete, dass alle positiv getesteten Orang-Utans von den gesunden getrennt werden mussten, um eine Epidemie innerhalb der Population zu verhindern. Romeo musste daraufhin in den Isolationskomplex verlegt werden und konnte folglich nicht am Unterricht der Waldschule teilnehmen.
Neue Erkenntnisse aus der Forschung
Die medizinische Forschung hat in den letzten 20 Jahren riesige Fortschritte gemacht. So konnte man beispielsweise inzwischen belegen, dass Heptatits B bei Orang-Utans völlig natürlich und in der Wildnis Gang und Gäbe ist. Mehr noch wurde inzwischen herausgefunden, dass der Virus das Immunsystem der Orang-Utans sogar stärkt und keine Bedrohung für ihre Gesundheit oder ihre Überlebensfähigkeit darstellt. Das waren natürlich wundervolle Neuigkeiten für Romeo und für uns. So konnten wir sicher sein, dass dieses starke Männchen ganz normal mit anderen Orang-Utans sozialisiert werden konnte und eine echte Chance auf ein späteres Leben in Freiheit hatte.
Doch wir sind nach wie vor auch besorgt. Nach 30 Jahren in Gefangenschaft ist es nicht sicher ob er sich jetzt noch in der Wildnis behaupten kann. Normalerweise gehen unsere Orang-Utans ja erst in den Waldkindergarten und dann in die Waldschule und erlernen so Stück für Stück alle Fähigkeiten, die sie später in der Freiheit benötigen. Romeo hatte diese Möglichkeit nicht, weil er einfach schon zu alt war, als er zu uns kam. Doch wir lassen uns nicht entmutigen und möchten auch Romeo die Möglichkeit geben, erste eigenständige Schritte zu machen.
Leben auf den Vorauswilderungsinseln
Allein für Romeo wurde also ein spezielles Programm entwickelt und am 7. Juni war es dann endlich soweit: Romeo kam auf die Vorauswilderungsinsel Nr. 5, eine der sieben Auswilderungsinseln von Samboja Lestari. Diese Inseln wurden erschaffen um den Orang-Utans dabei zu helfen sich an ein unabhängiges Leben zu gewöhnen nachdem sie erfolgreich die Rehabilitation gemeistert haben. Auf den Inseln leben sie in einem offenen Areal und lernen sich mit anderen Individuen zu sozialisieren, so wie sie es auch in der Wildnis tun würden. Romeo schloss sich den zwei Weibchen Fani und Isti an, die einen Tag zuvor auf die Insel umgesiedelt wurden.
Nachdem er sediert und einem finalen medizinischen Check in der Klinik unterzogen wurde, wurde er auf die Insel gebracht.
Romeo erlangte in Anwesenheit unseres Teams sein Bewusstsein wieder und wurde vom Team dabei unterstützt, sich langsam einzugewöhnen. Dies ist das erste Mal seit 24 Jahren, dass Romeo die Welt nicht aus einem Käfig heraus sieht. Und auf Insel Nr. 5 besteht nun für ihn die Möglichkeit die notwendigen Überlebensfähigkeiten von seinen Artgenossen, die dort in einer natürlicheren Umgebung leben, zu erlernen.
Er wird dabei, zusammen mit den beiden Weibchen, gut überwacht um zu schauen, ob sie in den nächsten Monaten auf eine größere Insel verlegen können, wo sie weitere Fähigkeiten erwerben können.
Romeo hat noch einen weiten Weg vor sich, doch im Moment könnten wir nicht glücklicher sein, da Romeo nun erst einmal sein freies Leben auf der Insel genießen darf.
Der Direktor der BOS Foundation, Jamartin Sihite, sagte, dass 2017 das Jahr der Freiheitskampagne sei und allein dieses Jahr schon 13 Orang-Utans in den Wald von Kehje Sewen ausgewildert worden sind. Nach dem Ende des islamischen Fastenmonats Ramadan sei man bereit, weiteren Tieren die Freiheit zu geben. Mit Romeo komme nun ein Orang-Utan auf die Vorauswilderungsinsel, der viele Jahre darauf warten musste, einfach, weil weder genügend Vorauswilderungsinseln noch geeignete Auswilderungsgebiete zur Verfügung standen. Sobald seine Eignung feststehe, würde die BOS Foundation die nötigen Schritte einleiten, um ihm endgültig ein unabhängiges Leben zu ermöglichen.
Jamartin Sihite fügte hinzu, dass es vielen Orang-Utans so ginge wie Romeo. Der Erwerb der Lizenz für den Kehje Sewen-Wald hat viel von diesem Druck genommen, dennoch müssen weitere Waldgebiete gesichert werden. Nicht nur die Orang-Utans bräuchten Wald, auch die Menschen benötigten sauberes Wasser, Sauerstoff und ein gut reguliertes Klima.
Ir. Sunandar Trigunajasa, Chef der Naturschutzbehörde in Ostkalimantan sagte, dass nicht nur bezüglich des Weltumwelttages die Umsiedlung von Romeo eine große Leistung sei, aber auch den Handlungsbedarf aufzeige. Um den Schutz dieser akut vom Aussterben bedrohten Art zu gewährleisten, müssten alle Beteiligten sowohl rasch handeln als auch eng zusammenarbeiten.
Romeos Umsiedlung wurde durch die Kooperation der Naturschutzbehörde mit der BOS Foundation als auch durch die Unterstützung der internationalen Partner BOS Deutschland, BOS Schweiz, BOS Australien und The Great Projects möglich. Die BOS Foundation dankt sehr allen Spendern und Partnerorganisationen rund um den Globus, die sich für den Schutz der Orang-Utans in Indonesien einsetzen.