Vieles kam im Ausnahmejahr 2020 zum Stillstand oder wurde in eine nicht näher bezeichnete Zukunft verschoben. Doch die weltweite Zerstörung der tropischen Regenwälder ging und geht weiter – teilweise verheerender denn je, da in vielen Regionen die Überwachung durch Ranger nicht mehr vollständig gewährleistet werden konnte und kann oder die Abwesenheit von Touristen die Zerstörung der Natur noch einfacher möglich macht. Wie es 2021 mit den tropischen Regenwäldern der Erde weiter geht, hängt auch damit zusammen, wie sich die COVID-19-Pandemie entwickeln wird. Doch auch unabhängig davon werfen wir ein paar Spotlights auf mögliche Entwicklungen nicht nur in Indonesien, sondern in der Welt.
Erholung nach COVID
Die Pandemie selbst stellt weltweit unglaubliche Herausforderungen für den Naturschutz dar, einschließlich der Zerstörung von auf Ökotourismus basierenden Wirtschafts- und Lebensmodellen, großen Belastungen für lokale Gemeinden und Forscher, des Rückzugs vieler NGOs aus Feldprojekten, des Preisanstiegs für viele tropische Rohstoffe wie zum Beispiel Palmöl oder Soja, die die Abholzung vorantreiben, und der Umlenkung von Finanzmitteln und Aufmerksamkeit von der Durchsetzung von Umweltgesetzen. Die Maßnahmen zur Ankurbelung der Wirtschaft verschlimmerten jedoch mancherorts die Situation. Indonesien verabschiedete ein weitreichendes Deregulierungsgesetz und andere Programme, die zu großflächigen Abholzungen für Ölpalmenplantagen und Kohleminen führen könnten, und Länder von Brasilien bis Kambodscha drückten ein Auge zu, wenn es um illegale Waldrodungen und Übergriffe ging. Im Rahmen ihrer Konjunkturprogramme forcieren mehrere tropische Länder potenziell zerstörerische Infrastruktur-Großprojekte und lockern gleichzeitig die Umweltaufsichten.
Doch es gibt auch Hoffnung, dass die COVID-Pandemie zu einem Umdenken führen wird, die Zerstörung der tropischen Lebensräume einzudämmen, fossile Brennstoffe zu ersetzen und in den Natur- und Klimaschutz zu investieren.
La Niña
Sollten die durchschnittlichen Temperaturen im Jahr 2021 niedriger ausfallen, als in den vergangenen Jahren, hat das aller Voraussicht nach weniger mit unseren Klimaschutzbemühungen oder den Corona-Lockdown-Maßnahmen zu tun als mit dem Wetterereignis La Niña.
La Niña ist das kalte Gegenstück zum heißen Klimaereignis El Niño und tritt in der Regel danach auf. Daraufhin fällt z. B. in Südostasien (also auch in Indonesien), an der australischen Nordostküste und in den nördlichen Teilen Südamerikas deutlich mehr Regen, im restlichen Teil von Südamerika regnet es weniger und Wüsten dörren aus, in Nordamerika treten vermehrt Hurrikane auf.
Da La Niña sich hauptsächlich auf die Wintermonate auswirkt, war die Gefahr von Waldbränden auf Borneo in diesem Winter deutlich geringer.
Waldzerstörung in Indonesien
Der Fokus der indonesischen Regierungspolitik lag 2020 ganz klar auf einem Thema: Wirtschaftswachstum. Das dies in den kommenden Jahren auf Kosten der Regenwälder gehen wird, ist absehbar.
So strich das umstrittene Deregulierungsgesetz – besser bekannt als „Omnibus“-Gesetz –, das im Oktober verabschiedet wurde, mehrere gesetzliche Schutzmaßnahmen für die Regenwälder Indonesiens. Manche nennen es ein Geschenk für die Palmöl- und Bergbauindustrie. Das Deregulierungsgesetz, das etwa 80 bestehende Gesetze ändert, stieß auf heftigen Widerstand und sorgte für große Unruhen im Land. Zu den Hauptvorwürfen gehört, dass das Gesetz Arbeitsrechte und Umweltschutzmaßnahmen beschneidet, um Investitionen im Land anzukurbeln. Oberstes Ziel ist Wirtschaftswachstum.
Außerdem brachte die indonesische Regierung zwei Initiativen auf den Weg, die die Abholzungsraten für die verbliebenen Regenwälder und Torfmoore für die kommenden Jahrzehnte bestimmen könnten: zum einen das sogenannte “Food Estate”-Programm und zum anderen ein Mandat für Biokraftstoffe. Beide könnten die „Umwandlung“ von Millionen Hektar Wald in Plantagen vorantreiben.
Mit dem „Food Estate“-Programm möchte Präsident Joko Widodo die Versorgung der Bevölkerung mit Nahrungsmitteln sichern und sich von Importen unabhängiger machen. Hierfür sollen in den kommenden vier Jahren 1,7 Millionen Hektar Land zum Anbau von Maniok und Reis sowie für Viehweiden umgewandelt werden. Die größten vorgesehenen Flächen liegen in Papua, aber auch in Zentral-Kalimantan wurden 165.000 Hektar Land für das Programm identifiziert. Diese Pläne erinnern an die militarisierte, industrielle Landwirtschaft unter Suharto, deren katastrophale Folgen wir zum Beispiel in Mawas unter großen Anstrengungen versuchen rückgängig zu machen. Denn auch dort sollte in den neunziger Jahren ein Mega-Reis-Projekt entstehen, das – nachdem der Torfmoorregenwald auf 70.000 Hektar gerodet worden war – gescheitert ist.
Das zweite große Vorhaben ist, den Anteil von Palmöl in Biodiesel weiterhin obligatorisch zu erhöhen. Inzwischen enthält indonesischer Biodiesel 30 Prozent Palmöl. Das ehrgeizige Ziel sind 50 Prozent. Der Plan ist, von fossilen Brennstoffen und Importen unabhängig zu werden – vor allem, weil die EU beschlossen hat, den Palmölanteil in Biodiesel bis 2030 auf Null zu reduzieren. Ursprünglich sollten v. a. Rückstände aus der Palmölproduktion und Überproduktionen hierfür genutzt werden. Doch es steht zu befürchten, dass hierfür auch neue Ölpalmenplantagen errichtet werden müssen. Vor allem müssten diese Plantagen keinen internationalen Standards zur Vermeidung von Abholzung oder Menschenrechtsverletzungen entsprechen. Noch gilt ein Moratorium für die Erteilung von Genehmigungen für neue Plantagen. Dieses Moratorium, das von Präsident Joko Widodo im September 2018 verhängt wurde, läuft allerdings im September 2021 aus.
Nirgendwo wären die Auswirkungen dieser Programme größer als in Papua, wo riesige Gebiete des Primärwaldes abgeholzt und in Plantagen umgewandelt werden sollen. Denn hier hat ein Neuling im Ölpalmengeschäft mit der Abholzung von Wäldern im Zentrum des größten intakten Regenwaldes Asiens begonnen, um die größte Ölpalmenplantage der Welt zu errichten. Das Tanah Merah Projekt in Papua, Indonesien, ist fast doppelt so groß wie London, und Nachforschungen über seine Genehmigung haben mehrere beunruhigende Fragen aufgeworfen.
Zumindest die Pläne, eine neue Hauptstadt in Ost-Kalimantan entstehen zu lassen, sind aufgrund der COVID-Pandemie vorerst auf unbestimmte Zeit verschoben worden.
Dabei zahlt sich Waldschutz aus für Indonesien: Das Land soll mehr als 150 Millionen Dollar aus zwei Fonds als Belohnung für die Reduzierung von Kohlenstoffemissionen aus der Abholzung erhalten. Der Green Climate Fund der Vereinten Nationen hat eine Auszahlung in Höhe von 103 Millionen Dollar genehmigt, nachdem das Land berichtet hat, dass es zwischen 2014 und 2016 20,3 Millionen Tonnen durch Abholzung verursachte Kohlenstoffemissionen verhindert hat — obwohl diese Behauptungen von Kritikern in Frage gestellt wurden. Norwegen hat angedeutet, dass es bereit ist, Indonesien 56 Millionen Dollar im Rahmen eines separaten Abkommens zwischen den beiden Ländern für die Reduzierung von Emissionen im Jahr 2017 zu zahlen, das erste in einem 1‑Milliarden-Dollar-Abkommen, das vor einem Jahrzehnt unterzeichnet wurde, aber wiederholt durch Anfechtungen ins Stocken geriet.
Brasilien
Die Abholzung im brasilianischen Amazonasgebiet nimmt Jahr für Jahr zu und überstieg von August 2019 bis Juli 2020 11.088 Quadratkilometer – innerhalb eines Jahres wurde in Brasilien so viel Regenwald vernichtet wie seit zwölf Jahren nicht mehr. Im Vergleich zum Vorjahreszeitraum stieg die Abholzung um 9,5 Prozent. Die gerodete Fläche ist größer als der Inselstaat Jamaika.
Ein Ende ist auch 2021 nicht in Sicht. Denn Brasiliens Präsident Jair Bolsonaro sieht in den verbliebenen Regenwäldern des Landes vor allem ungenutztes wirtschaftliches Potenzial. So will er weitere Flächen für die Landwirtschaft, den Bergbau und die Energiegewinnung erschließen.
Der Machtwechsel in den USA
Donald Trump hat die Vereinigten Staaten ins Abseits gedrängt, wenn es um gemeinsame globale Anstrengungen zur Bewältigung von Umweltproblemen ging, einschließlich des Rückzugs der USA aus dem Pariser Klimaabkommen. Seine Regierung untergrub die Umweltpolitik, vom Schutz gefährdeter Arten bis zum Management von Naturschutzgebieten, leugnete aktiv die Realitäten des Klimawandels und förderte autoritäre Regime, die Umweltschützer und Journalisten ins Visier genommen haben — all das hat dem Waldschutz großen Schaden zugefügt.
Mit dem Versprechen von Joe Biden, das Klima in den Mittelpunkt der Regierungspolitik zu stellen, ist ein Neustart der Vereinigten Staaten zu erwarten. Auch eine Rückkehr in das Pariser Klimaabkommen hat Biden angekündigt. Die Tatsache, dass die Demokraten nun die Mehrheit im Senat und im Repräsentantenhaus innehaben, lässt hoffen, dass Klimaschutzmaßnahmen leichter umsetzbar werden. Dies könnte zu ehrgeizigeren Klima- und Biodiversitätszielen der USA auf der internationalen Bühne führen, zu einer stärkeren Umweltpolitik im Inland, zu einer Führungsrolle bei einer umweltfreundlicheren wirtschaftlichen Entwicklung und zu mehr Unterstützung für Naturschutzprojekte in Übersee. Falls eine fortschreitende Radikalisierung des Landes nicht dazu führt, dass für solche Themen kein Raum bleibt.
Internationale CO2-Abkommen
Die Regierungen der Schweiz und Perus unterzeichneten im Oktober 2020 ein Kohlenstoffausgleichsabkommen gemäß Artikel 6 des Pariser Klimaabkommens. Die Schweiz wird Kohlenstoffgutschriften erhalten, die durch die Finanzierung von Projekten zur nachhaltigen Entwicklung generiert werden, die die Treibhausgasemissionen in dem südamerikanischen Land reduzieren. Norwegen, das zwar keine Kohlenstoffgutschriften aus seiner Klima- und Waldinitiative erhält, aber dennoch die vermiedenen Kohlenstoffemissionen als Grundlage für seine Tropenwaldfinanzierung verfolgt, erhöhte im November die Rate, die es tropischen Ländern für den Schutz der Regenwälder zahlt.
Mehr Unternehmen beziehen das Waldrisiko in ihre Entscheidungen ein
Seit einigen Jahren geben immer mehr Unternehmen freiwillige Selbstverpflichtungserklärungen ab, um die Artenvielfalt und das Klima zu schützen. Die Zoological Society of London (ZSL) hat in einer Studie festgestellt, dass die Unternehmen bei der Umsetzung ihrer Versprechen aber weit zurückliegen. Ohne staatliche Verordnungen wird es also keine erfolgsversprechenden Ergebnisse geben.
2020 legte die britische Regierung ein Gesetz vor, das es großen Unternehmen im Land untersagt, Rohstoffe zu verwenden, die auf illegal gerodetem Land produziert wurden. Auch in den USA regt sich etwas. Das Land hat im Dezember die Einfuhr von Palmöl vom malaysischen Produzenten Sime Darby Plantation wegen Vorwürfen von Zwangsarbeit während der Produktion verboten. Ganz knapp scheiterte aber im November in der Schweiz die Volksabstimmung zur „Konzernverantwortungsinitiative“, die Schweizer Unternehmen (z. B. Nestlé) finanziell und rechtlich für Menschenrechtsverletzungen oder Umweltschäden auch im Ausland haftbar gemacht hätte.
Im Frühjahr 2021 will die EU einen Gesetzentwurf zu einem EU-Lieferkettengesetz vorlegen. Damit sollen Unternehmen verpflichtet werden, Menschen- und Arbeitsrechte zu achten und Umweltstandards einzuhalten.
All diese Vorstöße werden sicherlich zu Reibungen mit Handelspartnern führen.
So lobbyieren Malaysia und Indonesien schon seit einigen Jahren heftig in der EU, damit Biodiesel aus Palmöl auf die Standards für erneuerbare Kraftstoffe angerechnet werden kann. Sowohl Malaysia als auch Indonesien arbeiten nun daran, den Verlust dieses Marktes zu kompensieren, indem sie ihre nationalen Biokraftstoffe ausweiten (s. o.). So wird die Nachfrage nach Palmöl aufrechterhalten und die Länder erhoffen sich eine Unabhängigkeit von fossilen Brennstoffen. Problematisch vor allem: Das angebaute Palmöl wird keinerlei internationaler die Standards für Menschenrechte oder Waldschutz entsprechen müssen.
Aufforstungsprojekte
Es gibt auch gute Nachrichten. Aufforstungs- und Renaturierungsprojekte wie unseres in Mawas oder die Umwandlung einer Ölpalmenplantage in Sabah hin zu einem Wildtierkorridor finden immer mehr Unterstützer.
Und Malaysia plant bis 2025 die Pflanzung von 100 Millionen Bäumen umzusetzen.
Quelle: https://news.mongabay.com/2021/01/rainforests-11-things-to-watch-in-2021/
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