In den zurückliegenden Wochen wurde das Thema Klimaschutz endlich wieder in den öffentlichen Fokus genommen. Nachdem – pandemiebedingt (?) – wieder mehr als ein Jahr vertrödelt wurde. Und wieder waren leider nicht die verantwortlichen, gewählten Parteien Treiber der Diskussion, sondern wieder hauptsächlich junge Menschen aus der Zivilgesellschaft, die erfolgreich beim Bundesverfassungsgericht eine Verfassungsbeschwerde gegen das alte Klimaschutzgesetz eingereicht haben.
Erstaunlicherweise waren dann die für das Gesetz politisch Verantwortlichen plötzlich voller Freude ob der – wie ich meine historischen – Entscheidung des höchsten deutschen Gerichts. Man könnte fast glauben, dass genau diese politischen Entscheidungsträger es all die Jahre nicht selbst in der Hand gehabt hätten, etwas zu ändern.
Ein kleiner Vergleich
Das ist doch in etwa so, als ob die wohlhabenden Eltern im Supermarkt bei jedem Einkauf von ihrem Kleinkind gewarnt oder besser noch angebettelt werden würden, doch bitte keinen Ladendiebstahl zu begehen, weil es falsch ist. (Woher das Kind seinen moralischen Kompass hat, bleibt offen. Vom Elternhaus zumindest nicht.) Dann werden die Eltern aber doch beim Klauen erwischt und verkünden daraufhin lautstark im Supermarkt: „Diebstahl ist nicht okay, aber Hauptsache es gibt hier noch Leute, die aufpassen. Und zukünftig werden wir ganz ehrlich versuchen weniger zu stehlen. Aber dann müsst ihr alle auch noch besser aufpassen.“ Das Kind ist peinlich berührt und stellt sich wiederholt die Frage, ob man sich die eigenen Eltern wirklich nicht aussuchen kann.
Nun hat sich die Bundesregierung auf erste Eckpunkte für die Nachbesserung des Klimaschutzgesetzes geeinigt. So soll der CO2-Ausstoß bis 2030 um 65 Prozent im Vergleich zu 1990 sinken. Bisher waren nur 55 Prozent vorgesehen. Zudem soll Deutschland die Klimaneutralität bereits 2045 erreichen, fünf Jahre früher als ursprünglich geplant. Das Bundesverfassungsgericht stufte das 2019 beschlossene Klimaschutzgesetz als teilweise verfassungswidrig ein, da es zu viele Lasten auf die Zeit nach 2030 verschiebt und damit die Freiheitsrechte jüngerer Generationen gefährdet.
Noch immer: Ziel verfehlt
So sehr ich mich über funktionierende Gewaltenteilung und eine engagierte Zivilgesellschaft freue, reicht auch das neu erklärte Klimaziel für 2030 nicht aus. Sinken die Emissionen lediglich um 65 Prozent, wird Deutschland sein CO2-Restbudget bis 2030 bereits zu rund 85 Prozent verbraucht haben. Danach wären so drastische Maßnahmen notwendig, dass sie die Freiheitsrechte der jungen Generation erheblich verletzten. Im Ergebnis wäre auch das „verschärfte“ Klimaschutzgesetz eine Entscheidung gegen das unterzeichnete 1,5‑Grad-Ziel von Paris.
Deutschland muss den Ausstoß klimaschädlicher Gase bis 2030 um über 70 Prozent verringern. Nur dann lassen sich die Rechte der jungen Menschen sichern. Und nur dann orientiert sich die deutsche Klimapolitik endlich am Klimaabkommen von Paris. An einem beschleunigten Kohleausstieg bis 2030, einem Ende für die Neuzulassung von PKW mit Verbrennungsmotor bis 2025 und der schnellen Abschaffung der Massentierhaltung führt kein Weg mehr vorbei.
Ökonomie und Ökologie sind keine Gegensätze
Denn die Klimakatastrophe kostet. Nicht erst morgen, sondern schon jetzt. Klimaschutz nützt dagegen der Wirtschaft. Konsequenter und smarter Klimaschutz schafft Arbeitsplätze, Innovationen, Wertschöpfung für die Wirtschaft und Wohlstand für die gesamte Gesellschaft. Ökonomie und Ökologie sind keine Gegensätze, wie uns über Jahrzehnte von denkfaulen Besitzstandswahrern vorgelogen wurde. Und noch immer wird.
Ich bin mir sicher: Der Umweltgerichtshof wird kommen. Denn es ist unbegreiflich, dass wir seit 76 Jahren einen UN-Menschrechtsgerichtshof haben, aber unsere Umwelt noch immer nahezu straflos gefoltert werden darf.
Orang-Utan-Schutz ist Regenwaldschutz ist Klimaschutz. Jede Spende hilft!