Es war ein ganz normaler Tag in der Waldschule, der in unserem Team diese Frage aufwarf: Verhalten sich Orang-Utans empathisch? Sind sie in der Lage, sich in die Empfindungen anderer einzufühlen?
An diesem Tag spielten die Orang-Utan-Kinder in den Bäumen der Waldschule, während ihre Ersatzmütter vom Waldboden aus zusahen. Als es Zeit war für eine Pause und einen kleinen Snack, kletterten alle Waldschüler von den Bäumen herunter bis auf einen: Uru blieb oben sitzen, brach Zweige vom Baum ab und warf diese auf die Gruppe, die sich unter ihm befand.
Einer dieser Zweige traf Babysitterin Eva am Kopf und verursachte eine Platzwunde. Die Stelle blutete so stark, dass ihre Kolleginnen das Erste-Hilfe-Team alarmierten.
Die Orang-Utan-Kinder bemerken, dass es Eva nicht gut geht
Medizinisch gut versorgt, kam Eva bereits am nächsten Tag wieder zur Arbeit und begleitete ihre Schützlinge zur Waldschule. Doch nachdem sie „ihre“ Orang-Utan-Kinder abgeliefert hatte, setzte sie sich abseits der Gruppe an den Rand, um sich noch ein wenig zu schonen. Denn die Wunde an ihrem Kopf schmerzte sie nach wie vor.
Die kleinen Orang-Utans schwärmten wie jeden Morgen in die Bäume aus und begannen mit dem Unterricht. Einer von ihnen bemerkte jedoch, dass an diesem Tag etwas anders war als sonst. Warum saß Mama Eva am Rand? Neugierig näherte er sich der Babysitterin und nahm wahr, dass es Eva nicht gut ging. Plötzlich schlang er die Arme um seine Ersatzmama und gab ihr eine liebevolle Umarmung.
Eva bekommt den ganzen Tag besondere Aufmerksamkeit von den Orang-Utans
Der Rest der Schülergruppe hatte die Situation offenbar beobachtet, denn nun kletterten auch sie von den Bäumen herunter und scharten sich um Babysitterin Eva. Ein Orang-Utan-Kind nach dem anderen umarmte Eva, als wollten sie sie trösten, was ihnen tatsächlich auch gelang.
Und die besondere Fürsorge setzte sich fort. Als sich die Gruppe am Ende des Schultags auf den Rückweg machte, entschieden sich alle Orang-Utan-Kinder, mit Eva zurückzulaufen. Umringt von ihren Schützlingen endete also ihr Arbeitstag.
Orang-Utans zeigen oft Verhaltensweisen, die darauf schließen lassen, dass sie komplexe Gefühle wie etwa Empathie oder auch Trauer spüren. Wir haben in unserem Rettungszentrum sogar ein ganz wunderbares Beispiel von altruistischem Verhalten beobachten dürfen, als Orang-Utan-Dame Du ein Waisenkind adoptierte und es als ihr eigenes Kind aufzog.
Studien zeigen: Orang-Utans können die Gefühle anderer wahrnehmen
Situationen wie die oben geschilderten ermöglichen uns immer wieder tiefe Einblicke in die Gefühlswelt der Orang-Utans.
Wissenschaftliche Untersuchungen zu diesem Thema durchzuführen, ist herausfordernd und aufwändig. Eine wachsende Anzahl beobachtender Studien kommt jedoch zu dem Ergebnis, dass Orang-Utans in der Lage sind, die Gefühle anderer wahrzunehmen und – wie in der oben beschriebenen Situation – Empathie zu zeigen. Zahlreiche Untersuchungen haben zudem gezeigt, dass Affen auf Angst und Schmerzen anderer Lebewesen reagieren und auch Situationen von Ungerechtigkeit oder Verlust bei ihnen Emotionen auslösen. Orang-Utans teilen also nicht nur 97 Prozent unserer DNA, auch in ihrem Verhalten und ihrer emotionalen Intelligenz gibt es durchaus Ähnlichkeiten.
Sie können unsere Arbeit in der BOS-Waldschule unterstützen, indem Sie eine Woche Babysitting. Aber auch kleinere Beiträge helfen, den geretteten Orang-Utan-Waisenkindern einen bestmöglichen Start ins zweite Leben zu schenken. Denn bei BOS kommt Ihr Geld genau dort an, wo es benötigt wird.