Unser Konsum in Europa von Palmöl, Holz, Soja oder Rindfleisch sorgt weltweit für die Abholzung von Wäldern. Dagegen möchte die Europäische Union nun mit der neuen Anti-Entwaldungsverordnung vorgehen. In Indonesien und Malaysia regt sich dagegen Widerstand.
Voraussichtlich Mitte des Jahres wird die neue Anti-Entwaldungsverordnung der EU verabschiedet werden, die der Zerstörung von Wäldern rund um den Globus Einhalt gebieten soll. Nach einer 18-monatigen Übergangsphase soll sie dann Ende 2024 in Kraft treten. Ein Vorhaben, das in Indonesien und Malaysia – den weltgrößten Palmölexporteuren – für Empörung sorgt, da sie die Existenz von Hunderttausenden Landwirten und Kleinbauern bedrohe. Man fühle sich diskriminiert gegenüber Produkten wie in der EU produziertem Rapsöl.
Was steht in der neuen EU-Verordnung?
Die neue EU-Anti-Entwaldungsverordnung besagt, dass in Zukunft nur noch Rohstoffe und Produkte in die EU importiert werden dürfen, wenn deren Erzeugung nachweislich nicht auf nach Dezember 2020 abgeholzten Waldflächen erfolgte. Neben Palmöl betrifft dies auch Soja, Holz, Rindfleisch, Kaffee, Kakao und Kautschuk.
Die Verwendung von Palmöl in „Biosprit“ will die EU bis 2030 komplett auslaufen lassen.
Indonesien und Malaysia sprechen von Diskriminierung
64,3 Millionen Tonnen Palmöl haben Indonesien und Malaysia zusammengerechnet im Jahr 2022 produziert, 83 % der weltweiten Palmölproduktion. Durch die neue Verordnung fürchten sie gravierende Einschnitte. Nun droht Malaysia mit einem Palmöl-Lieferstopp nach Europa und kündigt die Verlagerung der Exporte in andere Länder wie China, Pakistan, Indien oder die USA an.
Malaysia und Indonesien kritisieren vor allem, dass die Dokumentationspflicht durch die EU-Verordnung für die Palmölindustrie eine extreme Belastung sei und so die Wettbewerbsfähigkeit untergraben werde.
Die Länder hätten bereits selbst Maßnahmen ergriffen, um die Abholzung der Regenwälder zu stoppen, die aber nicht ausreichend gewürdigt werden. „Es kann nicht sein, dass eine Seite immer der anderen die Regeln diktiert und davon ausgeht, dass ihre Standards immer die besseren sind“, meint Indonesiens Präsident Joko Widodo.
Werden Handelsströme nur verschoben?
Doch stellt die EU-Anti-Entwaldungsverordnung tatsächlich eine Gefahr für den Handel dar, wenn es das gemeinsame Ziel ist, die Zerstörung der Regenwälder für Palmöl zu stoppen? Achmad Surambo, Chef der NGO Sawit Watch, sieht die Gefahr, dass die EU am Ende nur die Handelsströme verschiebt, anstatt die Umweltprobleme wirklich zu lösen. „Indonesien kann seinen Markt leicht nach China, Indien oder Pakistan verlagern, die im Vergleich zur EU laxere Nachhaltigkeitsvorschriften haben“, warnt er. „Wenn das passiert, wird es keine Verbesserungen im Palmölmanagement geben – und die Abholzung der Wälder geht weiter.“
Kleinbauern in Gefahr
Eine Gefahr könnte die neue Verordnung vor allem für die Kleinbauern sein. Eine Umfrage der indonesischen NGO Madani zeigt, dass wohl nur ein kleiner Bruchteil von ihnen die geforderten Nachweise liefern könnte. 30 % des von Indonesien produzierten Palmöls wird von drei Millionen Kleinbauern auf 6,72 Millionen Hektar angebaut, die die Palmfrüchte über ein oft undurchschaubares Netz an Mittelsmänner verkaufen. Die geforderte Rückverfolgbarkeit könnte so womöglich gar nicht oder nur mit großem Aufwand gewährleistet werden.
Palmölunternehmen, die einen Teil ihrer Früchte von Kleinbauern beziehen, drohen schon jetzt, sich aufgrund der höheren Anforderungen zur Rückverfolgbarkeit von den Kleinbauern zu verabschieden. Denn ein Problem in Indonesien ist nach wie vor, dass viele Meschen und Gemeinden immer noch keine formellen Landrechte besitzen. Doch produziert Indonesien genügend Palmöl, um Europa mit zertifiziertem Öl zu versorgen, während das unzertifizierte Öl in weniger reglementierte Märkte wie Indien, China oder die USA abfließt. Die Kleinbauern wären dann von der EU-Verordnung ausgeschlossen.
Apell an Unternehmen und Regierungen
Der indonesische Verband der Palmölbauern (SPKS) hat das neue Gesetz dennoch begrüßt und an Unternehmen, Regierungen und Geber appelliert, sie bei der Erfüllung der Anforderungen zu unterstützen. Der Verband fordert außerdem, dass die EU von den Importeuren verlangt, mindestens 30 % ihres Palmöls von Kleinbauern zu beziehen, um so einen Markt für indonesische Kleinbauern zu schaffen. Gerade die Kleinbauern seien in der Vergangenheit ausgebeutet und von ihrem Land vertrieben worden. Man hätte ihnen lukrative Renditen für die Anpflanzung von Ölpalmenplantagen versprochen, die nicht eingetreten seien.
Eine Untersuchung von Mongabay, The Gecko Project und BBC News im vergangenen Jahr ergab, dass indonesische Dorfbewohner Millionen verlieren, weil viele große Palmölproduzenten sich nicht an die Vorschriften halten, nach denen sie ihre Gewinne mit den lokalen Gemeinden teilen müssen.
Versprechen aus Deutschland
In der neuen EU-Verordnung sieht der SPKS darum eine Chance, da sie finanzielle und technische Unterstützung für Kleinbauern vorsehe, damit diese nachhaltig anbauen können, ein existenzsicherndes Einkommen für die Landwirte fördere und bessere Rückverfolgbarkeitssysteme fordere. Das verspricht auch die deutsche Entwicklungsministerin Svenja Schulze: „Wir dürfen die Menschen in den Erzeugerländern mit der neuen Gesetzgebung nicht allein lassen. Das Entwicklungsministerium unterstützt sie bei der Umsetzung der neuen EU-Verordnung mit konkreten Projekten, die Information, Weiterbildung und Vernetzung der Landwirte vor Ort fördern. Besonders die schwächeren Gruppen im Land sollen davon profitieren, etwa indigene Gemeinschaften, Kleinbauern und auch Frauen.“
Mal wieder geht es um viel mehr als nur um Palmöl. Die Verteilungsfrage zwischen Arm und Reich, politischen Netzwerken in den Erzeugerländern versus machtlose Gemeinschaften. Was aber wirklich am Ende zählt, ist der unbedingte Wille auch und gerade in Indonesien keine weiteren Waldflächen zu verlieren und stattdessen bestehende Agrarflächen smart und fair zu nutzen. Nur dann gibt es eine faire Chance zum Erhalt dieser einmaligen Biodiversität inklusive unserer geliebten Orang-Utans.
Quellen:
https://ec.europa.eu/commission/presscorner/detail/de/ip_22_7444
https://www.bmz.de/de/aktuelles/aktuelle-meldungen/schulze-statement-schutz-der-waelder-132724
https://news.mongabay.com/2023/01/for-indonesian-smallholders-eu-deforestation-rule-is-a-threat-and-an-opportunity/
https://www.handelsblatt.com/politik/international/streit-eskaliert-malaysia-droht-der-eu-mit-einem-palmoel-lieferstopp/28943642.html
https://jakartaglobe.id/business/indonesia-should-not-fear-losing-eus-palm-oil-market-gapki
https://www.thesundaily.my/local/eu-palm-oil-ban-will-not-impact-msia-as-the-block-imports-relatively-low-amount-of-the-commodity-GB10552400
https://www.eco-business.com/news/indonesian-palm-oil-smallholders-union-welcomes-eu-deforestation-law-but-wants-help-to-comply/?sw-signup=true
https://news.mongabay.com/2022/05/the-promise-was-a-lie-how-indonesian-villagers-lost-their-cut-of-the-palm-oil-boom/