26. Januar 2023
Luftaufnahme Palmölplantage, Ölpalmen

Streit um die neue EU-Anti-Entwaldungsverordnung

Unser Konsum in Europa von Palmöl, Holz, Soja oder Rind­fleisch sorgt welt­weit für die Abhol­zung von Wäldern. Dagegen möchte die Euro­päi­sche Union nun mit der neuen Anti-Entwal­dungs­ver­ord­nung vorgehen. In Indo­ne­sien und Malaysia regt sich dagegen Wider­stand.
Voraus­sicht­lich Mitte des Jahres wird die neue Anti-Entwal­dungs­ver­ord­nung der EU verab­schiedet werden, die der Zerstö­rung von Wäldern rund um den Globus Einhalt gebieten soll. Nach einer 18-mona­tigen Über­gangs­phase soll sie dann Ende 2024 in Kraft treten. Ein Vorhaben, das in Indo­ne­sien und Malaysia – den welt­größten Palm­öl­ex­por­teuren – für Empö­rung sorgt, da sie die Exis­tenz von Hundert­tau­senden Land­wirten und Klein­bauern bedrohe. Man fühle sich diskri­mi­niert gegen­über Produkten wie in der EU produ­ziertem Rapsöl.


Was steht in der neuen EU-Verordnung?


Die neue EU-Anti-Entwal­dungs­ver­ord­nung besagt, dass in Zukunft nur noch Rohstoffe und Produkte in die EU impor­tiert werden dürfen, wenn deren Erzeu­gung nach­weis­lich nicht auf nach Dezember 2020 abge­holzten Wald­flä­chen erfolgte. Neben Palmöl betrifft dies auch Soja, Holz, Rind­fleisch, Kaffee, Kakao und Kautschuk.
Die Verwen­dung von Palmöl in „Biosprit“ will die EU bis 2030 komplett auslaufen lassen.


Indo­ne­sien und Malaysia spre­chen von Diskriminierung


64,3 Millionen Tonnen Palmöl haben Indo­ne­sien und Malaysia zusam­men­ge­rechnet im Jahr 2022 produ­ziert, 83 % der welt­weiten Palm­öl­pro­duk­tion. Durch die neue Verord­nung fürchten sie gravie­rende Einschnitte. Nun droht Malaysia mit einem Palmöl-Liefer­stopp nach Europa und kündigt die Verla­ge­rung der Exporte in andere Länder wie China, Paki­stan, Indien oder die USA an.
Malaysia und Indo­ne­sien kriti­sieren vor allem, dass die Doku­men­ta­ti­ons­pflicht durch die EU-Verord­nung für die Palm­öl­in­dus­trie eine extreme Belas­tung sei und so die Wett­be­werbs­fä­hig­keit unter­graben werde.
Die Länder hätten bereits selbst Maßnahmen ergriffen, um die Abhol­zung der Regen­wälder zu stoppen, die aber nicht ausrei­chend gewür­digt werden. „Es kann nicht sein, dass eine Seite immer der anderen die Regeln diktiert und davon ausgeht, dass ihre Stan­dards immer die besseren sind“, meint Indo­ne­siens Präsi­dent Joko Widodo.


Werden Handels­ströme nur verschoben?


Doch stellt die EU-Anti-Entwal­dungs­ver­ord­nung tatsäch­lich eine Gefahr für den Handel dar, wenn es das gemein­same Ziel ist, die Zerstö­rung der Regen­wälder für Palmöl zu stoppen? Achmad Surambo, Chef der NGO Sawit Watch, sieht die Gefahr, dass die EU am Ende nur die Handels­ströme verschiebt, anstatt die Umwelt­pro­bleme wirk­lich zu lösen. „Indo­ne­sien kann seinen Markt leicht nach China, Indien oder Paki­stan verla­gern, die im Vergleich zur EU laxere Nach­hal­tig­keits­vor­schriften haben“, warnt er. „Wenn das passiert, wird es keine Verbes­se­rungen im Palm­öl­ma­nage­ment geben – und die Abhol­zung der Wälder geht weiter.“

Ölpalmen Setzlinge in einer angehenden Ölpalmenplantage


Klein­bauern in Gefahr


Eine Gefahr könnte die neue Verord­nung vor allem für die Klein­bauern sein. Eine Umfrage der indo­ne­si­schen NGO Madani zeigt, dass wohl nur ein kleiner Bruch­teil von ihnen die gefor­derten Nach­weise liefern könnte. 30 % des von Indo­ne­sien produ­zierten Palmöls wird von drei Millionen Klein­bauern auf 6,72 Millionen Hektar ange­baut, die die Palm­früchte über ein oft undurch­schau­bares Netz an Mittels­männer verkaufen. Die gefor­derte Rück­ver­folg­bar­keit könnte so womög­lich gar nicht oder nur mit großem Aufwand gewähr­leistet werden.
Palm­öl­un­ter­nehmen, die einen Teil ihrer Früchte von Klein­bauern beziehen, drohen schon jetzt, sich aufgrund der höheren Anfor­de­rungen zur Rück­ver­folg­bar­keit von den Klein­bauern zu verab­schieden. Denn ein Problem in Indo­ne­sien ist nach wie vor, dass viele Meschen und Gemeinden immer noch keine formellen Land­rechte besitzen. Doch produ­ziert Indo­ne­sien genü­gend Palmöl, um Europa mit zerti­fi­ziertem Öl zu versorgen, während das unzer­ti­fi­zierte Öl in weniger regle­men­tierte Märkte wie Indien, China oder die USA abfließt. Die Klein­bauern wären dann von der EU-Verord­nung ausgeschlossen.

Palmölfrüchte


Apell an Unter­nehmen und Regierungen


Der indo­ne­si­sche Verband der Palm­öl­bauern (SPKS) hat das neue Gesetz dennoch begrüßt und an Unter­nehmen, Regie­rungen und Geber appel­liert, sie bei der Erfül­lung der Anfor­de­rungen zu unter­stützen. Der Verband fordert außerdem, dass die EU von den Impor­teuren verlangt, mindes­tens 30 % ihres Palmöls von Klein­bauern zu beziehen, um so einen Markt für indo­ne­si­sche Klein­bauern zu schaffen. Gerade die Klein­bauern seien in der Vergan­gen­heit ausge­beutet und von ihrem Land vertrieben worden. Man hätte ihnen lukra­tive Renditen für die Anpflan­zung von Ölpal­men­plan­tagen verspro­chen, die nicht einge­treten seien.
Eine Unter­su­chung von Mongabay, The Gecko Project und BBC News im vergan­genen Jahr ergab, dass indo­ne­si­sche Dorf­be­wohner Millionen verlieren, weil viele große Palm­öl­pro­du­zenten sich nicht an die Vorschriften halten, nach denen sie ihre Gewinne mit den lokalen Gemeinden teilen müssen.


Verspre­chen aus Deutschland


In der neuen EU-Verord­nung sieht der SPKS darum eine Chance, da sie finan­zi­elle und tech­ni­sche Unter­stüt­zung für Klein­bauern vorsehe, damit diese nach­haltig anbauen können, ein exis­tenz­si­cherndes Einkommen für die Land­wirte fördere und bessere Rück­ver­folg­bar­keits­sys­teme fordere. Das verspricht auch die deut­sche Entwick­lungs­mi­nis­terin Svenja Schulze: „Wir dürfen die Menschen in den Erzeu­ger­län­dern mit der neuen Gesetz­ge­bung nicht allein lassen. Das Entwick­lungs­mi­nis­te­rium unter­stützt sie bei der Umset­zung der neuen EU-Verord­nung mit konkreten Projekten, die Infor­ma­tion, Weiter­bil­dung und Vernet­zung der Land­wirte vor Ort fördern. Beson­ders die schwä­cheren Gruppen im Land sollen davon profi­tieren, etwa indi­gene Gemein­schaften, Klein­bauern und auch Frauen.“


Mal wieder geht es um viel mehr als nur um Palmöl. Die Vertei­lungs­frage zwischen Arm und Reich, poli­ti­schen Netz­werken in den Erzeu­ger­län­dern versus macht­lose Gemein­schaften. Was aber wirk­lich am Ende zählt, ist der unbe­dingte Wille auch und gerade in Indo­ne­sien keine weiteren Wald­flä­chen zu verlieren und statt­dessen bestehende Agrar­flä­chen smart und fair zu nutzen. Nur dann gibt es eine faire Chance zum Erhalt dieser einma­ligen Biodi­ver­sität inklu­sive unserer geliebten Orang-Utans.

Quellen:
https://ec.europa.eu/commission/presscorner/detail/de/ip_22_7444
https://www.bmz.de/de/aktuelles/aktuelle-meldungen/schulze-statement-schutz-der-waelder-132724
https://news.mongabay.com/2023/01/for-indonesian-smallholders-eu-deforestation-rule-is-a-threat-and-an-opportunity/
https://www.handelsblatt.com/politik/international/streit-eskaliert-malaysia-droht-der-eu-mit-einem-palmoel-lieferstopp/28943642.html
https://jakartaglobe.id/business/indonesia-should-not-fear-losing-eus-palm-oil-market-gapki
https://www.thesundaily.my/local/eu-palm-oil-ban-will-not-impact-msia-as-the-block-imports-relatively-low-amount-of-the-commodity-GB10552400
https://www.eco-business.com/news/indonesian-palm-oil-smallholders-union-welcomes-eu-deforestation-law-but-wants-help-to-comply/?sw-signup=true
https://news.mongabay.com/2022/05/the-promise-was-a-lie-how-indonesian-villagers-lost-their-cut-of-the-palm-oil-boom/