Kalimantan ist der indonesische Name für die Insel Borneo, der drittgrößten Insel der Welt nach Grönland und Neuguinea. Kalimantan ist auch die Heimat der Borneo-Orang-Utans, die sie sich natürlich mit unzähligen anderen Tierarten teilen. Viele von ihnen sind nicht minder bedroht als unsere rothaarigen Vettern. Wir wollen hier in loser Reihenfolge immer mal wieder einige dieser faszinierenden Geschöpfe vorstellen. Diesmal wird es ein bisschen gruselig…
Sunda-Koboldmaki (Cephalopachus bancanus)
Es heißt, dass viele Indonesier an Geister glauben, die besonders während der Nacht den Wald unsicher machen. Und tatsächlich kann man in den Wäldern Borneos und eines Teils Sumatras nächtlichen Kobolden begegnen, behaarten Ungeheuern mit langen dünnen Fingern, spitzen Zähnen und riesigen Augen , die sich tagsüber verborgen halten und des Nachts auf Jagd gehen. Sie ernähren sich ausschließlich von Fleisch und erjagen ihre Beute mit Sprüngen, die mehr als das Zehnfache ihrer Körpergröße weit sind. Haben sie ihr Opfer in den Fingern, fressen sie es bei lebendigem Leibe auf…
Die Wissenschaft nennt diese Unholde Cephalopachus bancana oder auch Tarsius bancana, den Sunda-Kobold-Maki oder Westlichen Tarsier. So ungemütlich eine Begegnung mit ihnen für Insekten, sonstige Gliederfüsser und manchmal auch kleine Wirbeltiere werden kann, so wenig passen natürlich Menschen in ihr Beuteschema. Mit kaum der Körpergröße eines Eichhörnchens und einem Kampfgewicht von 100 bis maximal 150 Gramm wäre das auch schwierig. Aber immerhin sind Koboldmakis die einzigen Primaten, die sich rein karnivor ernähren.
Ihre großen Ohren und Augen weisen auf eine nächtliche Lebensweise hin. Unsere eigenen Sehorgane wären im Verhältnis so groß wie Grapefruits, wenn wir Augen wie Koboldmakis hätten. Genau wie sie könnten wir dann unsere Augen nicht mehr bewegen, sondern müssten unseren ganzen Kopf drehen. Koboldmakis sind daher auch anatomisch in der Lage, ihren Kopf weit nach hinten zu drehen, damit ihnen möglichst nichts entgeht.
Cephalopachus bancana kommt in drei Unterarten auf Borneo, dem südlichen Sumatra und ein paar kleineren Inseln vor. Wie sein anderer Name Westlicher Tarsier andeutet, leben östlich seines Verbreitungsgebiet auf Sulawesi und den Philippinen auch noch weitere Arten seiner Gattung. Der Begriff Tarsier bezieht sich auf die bei diesen Tieren stark verlängerte Fußwurzel, anatomisch Tarsus genannt. Er unterstützt beim Tarsier beziehungsweise Koboldmaki die Fähigkeit, weite Sprünge zu vollziehen.
Anders als andere Koboldmakis ist die Sunda-Spezies einzelgängerisch und schläft tagsüber einzeln in ihren Verstecken. Sunda-Koboldmakis sind territorial, ihre Reviere können sich aber überlappen. Die Reviere der Männchen sind meist größer als die der Weibchen, dennoch haben Männchen keinen „Harem“ wie viele andere Primaten, sondern sind monogam. Die Weibchen bringen nach einer Tragzeit von sechs Monaten ein schon recht weit entwickeltes Jungtier zur Welt, dass sie etwa elf bis zwölf Wochen säugen und zumindest zu Anfang im Maul mit sich herumtragen. Während der Nahrungssuche wird es im Geäst abgelegt.
Mit etwa einem Jahr werden Tarsier geschlechtsreif; ihre Lebensspanne beträgt (in Gefangenschaft beobachtet) bis zu sechzehn Jahre. In der Wildnis wird ihre durchschnittliche Lebensspanne aufgrund etlicher Fressfeinde aber wohl deutlich kürzer ausfallen.
Das Leben der Koboldmakis spielt sich hauptsächlich in wenigen Metern Höhe im Geäst ab. Das bedeutet, sie leben durchaus auch in Buschwerk, Sekundärwäldern und sogar in Gärten, können aber kaum zum Beispiel in Ölpalmplantagen existieren. Wie für so viele andere Tierarten stellen auch für den Sunda-Koboldmaki die riesigen Ölpalmplantagen eine enorme Bedrohung dar. Tatsächlich listet die IUCN sie als vulnerable – gefährdet – auf. Anders als Orang-Utan und andere Spezies sind Sunda-Koboldmakis also auf der gerade noch sicheren Seite, aber das kann sich natürlich auch zum Schlechteren ändern. Wie die Orang-Utans gehören auch diese heimliche Kobolde zum Reichtum der Regenwälder auf Borneo und darüber hinaus.
Die Orang-Utans und all die anderen Bewohner des Regenwaldes brauchen uns. Gerade jetzt. Vielen Dank für Ihre Unterstützung.