29. Oktober 2020

Tiere aus Kali­mantan: Der Sunda-Koboldmaki

Kali­mantan ist der indo­ne­si­sche Name für die Insel Borneo, der dritt­größten Insel der Welt nach Grön­land und Neuguinea. Kali­mantan ist auch die Heimat der Borneo-Orang-Utans, die sie sich natür­lich mit unzäh­ligen anderen Tier­arten teilen. Viele von ihnen sind nicht minder bedroht als unsere rothaa­rigen Vettern. Wir wollen hier in loser Reihen­folge immer mal wieder einige dieser faszi­nie­renden Geschöpfe vorstellen. Diesmal wird es ein biss­chen gruselig…

Sunda-Kobold­maki (Cepha­lo­pa­chus bancanus) 

Es heißt, dass viele Indo­ne­sier an Geister glauben, die beson­ders während der Nacht den Wald unsi­cher machen. Und tatsäch­lich kann man in den Wäldern Borneos und eines Teils Suma­tras nächt­li­chen Kobolden begegnen, behaarten Unge­heuern mit langen dünnen Fingern, spitzen Zähnen und riesigen Augen , die sich tags­über verborgen halten und des Nachts auf Jagd gehen. Sie ernähren sich ausschließ­lich von Fleisch und erjagen ihre Beute mit Sprüngen, die mehr als das Zehn­fache ihrer Körper­größe weit sind. Haben sie ihr Opfer in den Fingern, fressen sie es bei leben­digem Leibe auf… 

Die Wissen­schaft nennt diese Unholde Cepha­lo­pa­chus bancana oder auch Tarsius bancana, den Sunda-Kobold-Maki oder West­li­chen Tarsier. So unge­müt­lich eine Begeg­nung mit ihnen für Insekten, sons­tige Glie­der­füsser und manchmal auch kleine Wirbel­tiere werden kann, so wenig passen natür­lich Menschen in ihr Beute­schema. Mit kaum der Körper­größe eines Eich­hörn­chens und einem Kampf­ge­wicht von 100 bis maximal 150 Gramm wäre das auch schwierig. Aber immerhin sind Kobold­makis die einzigen Primaten, die sich rein karnivor ernähren. 

Der kleine Jäger in Lauerstellung
Der kleine Jäger in Lauerstellung

Ihre großen Ohren und Augen weisen auf eine nächt­liche Lebens­weise hin. Unsere eigenen Sehor­gane wären im Verhältnis so groß wie Grape­fruits, wenn wir Augen wie Kobold­makis hätten. Genau wie sie könnten wir dann unsere Augen nicht mehr bewegen, sondern müssten unseren ganzen Kopf drehen. Kobold­makis sind daher auch anato­misch in der Lage, ihren Kopf weit nach hinten  zu drehen, damit ihnen möglichst nichts entgeht. 

Cepha­lo­pa­chus bancana kommt in drei Unter­arten auf Borneo, dem südli­chen Sumatra und ein paar klei­neren Inseln vor. Wie sein anderer Name West­li­cher Tarsier andeutet, leben östlich seines Verbrei­tungs­ge­biet auf Sula­wesi und den Phil­ip­pinen auch noch weitere Arten seiner Gattung. Der Begriff Tarsier bezieht sich auf die bei diesen Tieren stark verlän­gerte Fußwurzel, anato­misch Tarsus genannt. Er unter­stützt beim Tarsier bezie­hungs­weise Kobold­maki die Fähig­keit, weite Sprünge zu vollziehen. 

Anders als andere Kobold­makis ist die Sunda-Spezies einzel­gän­ge­risch und schläft tags­über einzeln in ihren Verste­cken. Sunda-Kobold­makis sind terri­to­rial, ihre Reviere können sich aber über­lappen. Die Reviere der Männ­chen sind meist größer als die der Weib­chen, dennoch haben Männ­chen keinen „Harem“ wie viele andere Primaten, sondern sind monogam. Die Weib­chen bringen nach einer Trag­zeit von sechs Monaten ein schon recht weit entwi­ckeltes Jung­tier zur Welt, dass sie etwa elf bis zwölf Wochen säugen und zumin­dest zu Anfang im Maul mit sich herum­tragen. Während der Nahrungs­suche wird es im Geäst abgelegt. 

Die Beute fest im Blick
Die Beute fest im Blick

Mit etwa einem Jahr werden Tarsier geschlechts­reif; ihre Lebens­spanne beträgt (in Gefan­gen­schaft beob­achtet) bis zu sech­zehn Jahre. In der Wildnis wird ihre durch­schnitt­liche Lebens­spanne aufgrund etli­cher Fress­feinde aber wohl deut­lich kürzer ausfallen. 

Das Leben der Kobold­makis spielt sich haupt­säch­lich in wenigen Metern Höhe im Geäst ab. Das bedeutet, sie leben durchaus auch in Busch­werk, Sekun­där­wäl­dern und sogar in Gärten, können aber kaum zum Beispiel in Ölpalm­plan­tagen exis­tieren. Wie für so viele andere Tier­arten stellen auch für den Sunda-Kobold­maki die riesigen Ölpalm­plan­tagen eine enorme Bedro­hung dar. Tatsäch­lich listet die IUCN sie als vulnerable – gefährdet – auf. Anders als Orang-Utan und andere Spezies sind Sunda-Kobold­makis also auf der gerade noch sicheren Seite, aber das kann sich natür­lich auch zum Schlech­teren ändern. Wie die Orang-Utans gehören auch diese heim­liche Kobolde zum Reichtum der Regen­wälder auf Borneo und darüber hinaus.

Die Orang-Utans und all die anderen Bewohner des Regen­waldes brau­chen uns. Gerade jetzt. Vielen Dank für Ihre Unterstützung.