Wie mag es sich wohl für einen Orang-Utan anfühlen, nach einem Leben in Gefangenschaft und jahrelangem Rehabilitationsprozess endlich in die Freiheit entlassen zu werden? Klar, erst einmal ist das Gefühl der neu gewonnenen Unabhängigkeit überwältigend. So erging es auch Gina.
Gina ist eine von zwölf Menschenaffen, die wir im April 2016 in den Bukit-Batikap-Schutzwald in Zentral-Kalimantan gebracht haben. Die muntere Orang-Utan-Dame wandte sich schnell ihrer neuen Umgebung zu. Erkundungsfreudig wie sie ist, eroberte sie rasch ein enorm großes Waldgebiet für sich. Unter anderem darum war es unserem Monitoring-Team in diesem Jahr noch nicht möglich, Gina zu sichten. Aber so schnell gibt ein BOS-Team nicht auf.
Vor kurzem wurde sie hoch in den Bäumen sitzend gefunden. Sie knabberte Rinde, als unsere Mitarbeiter sie entdeckten. Gina verbrachte den Morgen damit, das Angebot an Waldfrüchten zu genießen, bevor sie den Fluss durch das Blätterdach des Waldes überquerte und ihre Beobachter zurückließ. Unser Team konnte nicht dasselbe tun und musste einen Weg finden, den Fluss zu überqueren, um Gina zu folgen. Unglücklicherweise war dies genau der Zeitpunkt, an dem das Telemetriesystem automatisch ausgeschaltet wurde, um die Batterie zu schonen. Gina war wieder einmal verschwunden!
Was ist bloß mit Gina los?
Im Herzen eines Primärwaldes gelegen, ist das Totat-Jalu-Camp ein idealer Ort für die Beobachtung und Erforschung von Orang-Utans, da das Gebiet rund um das Camp regelmäßig von ihnen besucht wird.
Am Tag nachdem das Team Gina aus den Augen verloren hatte, wurde sie in der Nähe des Camps entdeckt. Wahrscheinlich würde sie dem Team nur einen kurzen Besuch abstatten. So etwas ist bei einigen unserer freigelassenen Orang-Utans immer mal wieder der Fall. Aber nach ein paar Tagen saß sie immer in der Nähe herum. Das beunruhigte unsere Mitarbeiter, denn es war kein typisches Gina-Verhalten. Bei näherer Betrachtung zeigte sich, dass Gina an Gewicht verloren hatte und nicht mehr so aktiv war wie zuvor.
Längere Zeit in der Nähe des Lagergeländes zu verbringen, ist kein gutes Zeichen für freigelassene Orang-Utans. Idealerweise sollten sie frei im Wald umherwandern und auf eigene Faust das Leben gestalten. Gina schien nicht verletzt zu sein. Unser Tierarzt konnte dies bestätigen. Meist ist das der Hauptgrund, warum ein Orang-Utan vorübergehend nicht in der Lage ist, sich Nahrung zu suchen. In der Vergangenheit wurden freigelassene Orang-Utans, die sich in der Nähe des Camp-Bereichs „zu Hause” fühlten und nicht wegziehen wollten, evakuiert und in ein anderes Gebiet in Bukit Batikap gebracht. Das sollte auch in diesem Fall so sein.
Gina wurde vorsichtig in den Joloi Bawah (Lower Joloi) Bereich gebracht, der eine Fülle von verschiedenen Waldfrüchten bietet. Dieser Ort wird selten von anderen Orang-Utans besucht. Das hatten Beobachtungen gezeigt. Gina schien anfangs etwas zögerlich zu sein, weil sie sich an einem unbekannten Ort aufhielt. Langsam, aber sicher fing sie an, nach Nahrung zu suchen und ging ein wenig tiefer in den Wald, um ein Nachtnest zu bauen.
Am nächsten Tag ging unser Monitoring-Team zurück, um nach Gina zu sehen. Sie war ganz in ihrem Element! Dieser neue Ort bot ein schönes Sammelsurium von Trieben und Waldfrüchten, und Gina verbrachte den ganzen Tag damit, all die herrlichen Nahrungsmöglichkeiten zu probieren, auf die sie gestoßen war. Als der Abend anbrach, fing eine endlich zufriedene Gina an, sich ein bequemes Nachtnest zu bauen. Es war ein viel besseres als das in der Nacht zuvor. Sie schien entspannt zu sein und sich wieder wie zu Hause zu fühlen!
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