19. September 2016
Palmölplantage

Viel weniger Palmöl ist die Lösung!

Umwelt­ver­bände und Menschen­rechts­or­ga­ni­sa­tionen – darunter auch BOS Deutsch­land — kriti­sieren die Rezep­tion der WWF-Palm­öl­studie „Auf der Ölspur“ als irre­füh­rend. Sie stellen klar, dass der Verbrauch von Palmöl keines­wegs unver­meid­lich oder ein klei­neres Übel ist – sondern drin­gend dras­tisch redu­ziert werden muss.

Die neue Studie des WWF „Auf der Ölspur – Berech­nungen zu einer palm­öl­freieren Welt“ hat ein enormes Medi­en­echo erhalten. Viele Berichte folgten dabei der Beti­telung der zuge­hö­rigen WWF-Pres­se­mit­tei­lung vom 29.08.2016 „Kein Palmöl ist auch keine Lösung“.

Die unter­zeich­nenden Verbände und Orga­ni­sa­tionen begrüßen ausdrück­lich die in der Palmöl-Studie des WWF zusam­men­ge­stellten und gut aufge­ar­bei­teten Daten, die vorge­brachte Problem­ana­lyse als auch  sinn­volle Forde­rungen an Unter­nehmen, Politik und Verbrau­cher. Sie kriti­sieren jedoch, dass die Pres­se­mit­tei­lung des WWF im Resultat zu einer groben Fehl­be­wer­tung der Sach­ver­halte führt. Die Über­schrift eines Arti­kels in der Süddeut­schen Zeitung macht das Dilemma deut­lich: „Palmöl ist das klei­nere Übel – leider“. Der Verbrau­cher muss denken, die Nutzung von Palmöl ist von allen Möglich­keiten die am wenigsten proble­ma­ti­sche – eine Verdich­tung, die so bequem wie grund­falsch ist.

Die Studie geht der Frage nach, welche Auswir­kungen es hätte, das Fett der proble­ma­ti­schen aber produk­tiven Ölpalme (hoher Flächen­er­trag) in Deutsch­land komplett durch andere, insbe­son­dere heimi­sche Ölpflanzen (mit gerin­gerem Flächen­er­trag) zu ersetzen. Um die Auswir­kungen eines solchen Ersatzes bezif­fern zu können, schätzt der WWF vorab, auf wieviel Palmöl in Deutsch­land ersatz­frei verzichtet werden könnte. Durch weit­ge­hende Been­di­gung der Nutzung von Palmöl als Kraft­stoff und Ände­rungen im Konsum­ver­halten sollen ca. 50% Reduk­tion zusam­men­kommen. Der Rest müsse komplett durch andere Pflan­zenöle ersetzt werden. Das Resultat der Über­le­gungen des WWF laut Pres­se­mit­tei­lung: Größerer Flächen­be­darf. Mehr Treib­haus­gas­emis­sionen. Weniger biolo­gi­sche Viel­falt. Die Probleme würden verschlim­mert. Dass der WWF also scheinbar die weitere Verwen­dung von Palmöl als umwelt­freund­li­cher empfiehlt, ist ein Paradox, das von vielen Medien dankbar aufge­nommen wurde.

Dass dies jedoch eine Fehl­be­wer­tung darstellt, wird an mehreren Schlüs­sel­punkten deutlich.

So unter­stellt das WWF-Szenario ein ersatz­freies Minde­rungs­po­ten­tial von ca. 50%. Andere Umwelt­ver­bände hielten eine Reduk­tion eher im Bereich 60–80% mittel­fristig für möglich. Erreicht werden könnte dies über ein striktes Verbot von Palmöl als Treib­stoff in Fahr­zeugen und Kraft­werken (ca. 50%), die Verban­nung aus Mast­fut­ter­mit­teln für die indus­tri­elle Tier­pro­duk­tion (ca.10%) und sanft wirk­same Maßnahmen in den Berei­chen chemisch-indus­tri­elle Nutzung, Seifen und Lebens­mittel. Es macht einen gravie­renden Unter­schied, ob über Alter­na­tiven zur Hälfte oder nur eines Vier­tels des heutigen Verbrauchs gespro­chen werden muss.

Zudem streben – anders als es der Unter­titel der Studie nahe­legt – keine poli­tisch rele­vanten Akteure eine “palm­öl­freie” Welt an.  Der WWF beleuchtet ein Extrem­sze­nario, in welchem 100% des heutigen deut­schen Palm­öl­kon­sums verschwinden müssten, und kommt per Pres­se­mit­tei­lung zum Schluss, dass dies nicht günstig wäre. Folgte man dieser reali­täts­fernen Annahme, bestünde die Heraus­for­de­rung unserer Tage mögli­cher­weise darin, bestehende Palm­öl­plan­tagen zu Regen­wald zurück zu entwickeln.

Tatsäch­lich geht es heute jedoch darum, Ansätze zu fördern, welche die immer weiter fort­schrei­tende nach­fra­ge­ge­trie­bene Zerstö­rung von Regen­wald­flä­chen für immer neue Plan­tagen stoppen können. Der Palm­öl­hunger der EU ist ein signi­fi­kanter Teil der globalen Nach­frage und damit Mitur­sache des Raub­baus am Tropen­wald. Eine spür­bare Reduk­tion der Nach­frage nach Palmöl in Deutsch­land und der EU wäre die wirk­samste Bremse gegen Produk­ti­ons­aus­wei­tungen. Beson­ders stark stieg in den letzten Jahren die Nach­frage nach fälsch­li­cher­weise als klima­freund­lich einge­stuftem Palmöl als Kraft­stoff. Und bereits der ersatz­freie Verzicht nur dieses einen Markt­seg­ments, also 50% weniger Palmöl würden schon ein enormes Signal an die Märkte senden. Bedenkt man weiterhin, dass auch ein großer Teil der heimi­schen Pflan­zen­öl­pro­duk­tion nicht etwa der Ernäh­rung dient, sondern eben­falls unsin­ni­ger­weise als Diesel verbrannt wird, so rela­ti­viert sich das Problem einer mögli­chen Agrar­flä­chen­ver­knap­pung durch Palm­öl­sub­sti­tu­tion weiter.

Über­le­gungen zum Ersatz von Palmöl sind inter­es­sant und wichtig, aber das Poten­tial ist vergli­chen mit Reduk­ti­ons­stra­te­gien vergleichs­weise begrenzt. Wollte man also die Erkennt­nisse der WWF-Studie im Kern tref­fend zusam­men­fassen, müsste man titeln „Viel weniger Palmöl ist nötig und möglich!“, oder „Stoppt Agro­kraft­stoffe!“. Die aktu­elle Medi­en­be­richt­erstat­tung verkehrt dies jedoch nahezu ins Gegen­teil und die Diffe­ren­zie­rungen sowie Forde­rungen der poten­tiell wert­vollen Studie werden kaum trans­por­tiert. Das ist kein Wunder, denn die im Pres­se­text des WWF kommu­ni­zierten Ergeb­nisse „Größerer Flächen­be­darf. Mehr Treib­haus­gas­emis­sionen. Weniger biolo­gi­sche Viel­falt“ –  stehen teil­weise im direkten Wider­spruch zu den eigent­li­chen Ergeb­nissen der  Studie. Laut Studie könnte der Ersatz von Palmöl, etwa durch heimi­sches Rapsöl, durchaus einen posi­tiven Effekt auf die Biodi­ver­sität haben.

Die Debatte über den Umgang mit dem Konflikt-Agrar­roh­stoff Palmöl ist wichtig und aktuell im Vorfeld der Neuge­stal­tung der EU-Richt­linie über Erneu­er­bare Ener­gien in Bezug auf Agro­kraft­stoffe poli­tisch hoch­bri­sant. Doch die Kommu­ni­ka­tion zur neuen WWF Studie leitet die öffent­liche Aufmerk­sam­keit fehl: Weg vom enormen Verän­de­rungs­po­ten­tial, welches Reduk­ti­ons­stra­te­gien bieten. Und über das Argu­ment der Substi­tu­tion hin zur Debatte um die Nach­hal­tig­keits­zer­ti­fi­zie­rung des nur scheinbar alter­na­tiv­losen Palmöls. Der WWF, Grün­dungs­mit­glied und Verfechter des stark in die Kritik gera­tenen Zerti­fi­zie­rungs­me­cha­nismus RSPO, erweist damit nicht nur den AutorInnen der eigenen Studie, sondern der gesamten Debatte um Palmöl und Tropen­wald­schutz einen Bärendienst.

 

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