27. Mai 2022
Ausgewilderter Orang-Utan

Was für eine aufre­gende Auswilderung 

Andri Korne­lius arbeitet für die BOS Foun­da­tion im Kommu­ni­ka­ti­ons­team des Rettungs­zen­trums Nyaru Menteng. Er hat die Auswil­de­rung der vier reha­bi­li­tierten Orang-Utans Dius, Sebangau, Jazzboy und Itang in den Natio­nal­park Bukit Baka Bukit Raya im Mai 2022 begleitet. Eine Reise, die für ihn aus verschie­denen Gründen unver­gess­lich bleiben wird. 

Diese Auswil­de­rung hat mich wirk­lich sehr bewegt, denn ich habe alle vier Orang-Utans seit Jahren auf ihrer Reha­bi­li­ta­tion begleitet und ihre Fort­schritte genau verfolgt. Insbe­son­dere die von Dius, der als gerade mal 18 Monate altes Baby aus ille­galer Haus­tier­hal­tung befreit und als Waisen­kind zu uns ins Nyaru Menteng Reha­bi­li­ta­ti­ons­zen­trum kam. 

Dius kurz nach seiner Rettung 2006.

Seine Geschichte habe ich über die Jahre immer wieder dokumentiert. 

Von der Wald­schule zur Walduni und schließ­lich in die Frei­heit 

Zwischen ihrem Abschluss der Wald­schule und der tatsäch­li­chen Auswil­de­rung lebten die Orang-Utans einige Zeit halb­selb­ständig auf unseren Voraus­wil­de­rungs­in­seln – wir nennen diese Zeit die Walduni. Auf den Inseln müssen die Orang-Utans beweisen, dass sie alle Fertig­keiten erworben haben, die sie für das Leben in freier Wild­bahn brau­chen, während unser Team sie weiterhin genau beob­achtet und regel­mäßig zufüt­tert. Denn die Inseln bieten nicht immer ausrei­chend Nahrung für alle Bewohner. 

Dius von der Voraus­wil­de­rungs­insel abzu­holen, war ein echtes Aben­teuer 

Schon Ende Januar 2022 begann für die vier Orang-Utans der Auswil­de­rungs­pro­zess und wir mussten sie von der Insel Badak Kecil abholen. Das machen wir so viele Wochen vor der eigent­li­chen Auswil­de­rung, weil die Kandi­daten noch einmal genau­es­tens medi­zi­nisch unter­sucht werden, um sicher­zu­stellen, dass sie nicht irgend­welche Krank­heiten oder Infek­tionen in ihr neues Zuhause einschleppen. Auch eine längere Quaran­tä­ne­zeit müssen die Tiere ertragen – aus dem glei­chen Grund. 

Als wir versuchten, uns Dius auf der Insel zu nähern, war er von einem Schwarm Bienen umgeben. Offenbar hatte er gerade Wald­honig genascht und so die Bienen gegen sich aufge­bracht, die nicht nur ihn, sondern auch alles, was sich ihm näherte, angriffen. Es war kein einfa­ches Unter­fangen, Dius zu sedieren und von der Insel zu bringen. Unsere Tier­pfleger und ‑ärzte waren lange unter­wegs, mussten sogar schwimmen, aber schließ­lich gelang es ihnen, Dius zu errei­chen und ins Rettungs­zen­trum Nyaru Menteng zu bringen. 

In der Schub­karre zum letzten Check-Up

Nachdem Dius, Sebangau, Itang und Jazzboy alle Test bestanden und die Quaran­täne hinter sich gebracht haben, war am 18. Mai endlich der Tag der Abreise gekommen. Und auch der des Abschieds. Denn so sehr wir uns darüber freuen, dass unsere Schütz­linge endlich das Leben führen können, für das sie geboren wurden, so sind sie uns in all den Jahren doch ans Herz gewachsen.

Noch einmal wiegen, ehe es losgeht

Dius und Jazzboy waren die ersten, die in eine leichte Narkose gelegt wurden, gefolgt von Itang und Sebangau. Dann wurden die vier in ihre Trans­port­boxen gelegt, in denen sie nun für längere Zeit ausharren mussten. 

In dieser Box geht es auf die lange Reise

Die Reise beginnt

Wir brachen am frühen Abend mit den Jeeps auf. Nach etwa acht Stunden Fahrt hatten wir gegen zwei Uhr morgens unser erstes Etap­pen­ziel – das Dorf Tumbang Hiran – erreicht. Am nächsten Morgen setzten wir die Reise in schmalen, langen Motor­booten auf dem Fluss fort. Und dieser Teil der Reise, für den wir einen weiteren Tag brauchten, wurde dann richtig abenteuerlich. 

Über den Fluss in Rich­tung Freiheit

Wir mussten Strom­schnellen meis­tern und immer wieder Felsen auswei­chen, was unseren erfah­renen Boots­füh­rern und unserem gesamten Team einiges abver­langte, um die Boote unbe­schadet ans Ziel zu bringen. Eine Stunde lang regnete es außerdem unun­ter­bro­chen, was zusätz­lich die Sicht einschränkte. Das hat uns ganz schön gefordert. 

Die Orang-Utans verfolgen alles, was um sie herum vor sich geht

Die Trans­port­boxen mit unserer wert­vollen Fracht sichern wir für die Fahrt auf dem Fluss übri­gens mit großen Schwimm­bojen. Denn schwimmen können Orang-Utans nicht. 

Sebangau und Dius kommen sich nach der Frei­las­sung direkt näher 

Endlich, nach mehr als 24 Stunden heraus­for­dernder Reise hatten wir unser Ziel im Bukit Baka Bukit Raya Natio­nal­park erreicht. 

Sebangau durfte als Erste in die Frei­heit stürmen. Und das tat sie auch. Kaum wurde ihre Trans­portbox geöffnet, da klet­terte die Elfjäh­rige schon auf einen hohen Baum, um sich auf dessen Ästen zu entspannen. 

Sebangau erklimmt sofort einen Baum

Der statt­liche Dius war als nächstes dran und folgte Sebangau auf ihren Baum. Wenig später konnte das Team sie in inniger Umar­mung beob­achten. Womög­lich wurde hier das nächste Orang-Utan-Baby gezeugt? 

Dius und Sebangau vereint

Anschlie­ßend erkun­deten die beiden die Umge­bung und futterten gemeinsam ein paar Ratt­an­sprossen. Der 18-jährige Dius baute ein Schlaf­nest in einem Rambu­tan­baum, von dessen Früchten sie sich noch einige gönnten, ehe sie Seite an Seite ihre erste Nacht im Regen­wald verbrachten. 

Itang baut sich ein Nest zum Ausruhen und Jazzboy randa­liert 

Ein Stück entfernt durften auch Itang und Jazzboy endlich ihre Trans­port­kisten verlassen. Itang (12) klet­terte sofort auf einen Baum und baute sich dort oben ein Nest. 

Itangs erster Schritt in Freiheit

Jazzboy hingegen klet­terte nicht sofort auf den nächsten Baum. Er drehte sich – zur Über­ra­schung aller – direkt zur Trans­portbox um, packte sie und warf sie zur Seite. Anschei­nend hatte sich bei dem 17-Jährigen eine Menge Frust über die lange Reise aufge­staut, die erstmal raus musste, ehe er sich seiner neuen Heimat zuwenden wollte. Doch auch er machte sich dann bald auf, den Natio­nal­park zu erobern. 

Jazzboy macht sich auf den Weg

Bei Sonnen­un­ter­gang hatten wir alle vier Orang-Utans frei­ge­lassen und star­teten mit den Booten ins eine Stunde entfernte Camp. Das gestal­tete sich noch schwie­riger als die Anreise, denn es wurde immer dunkler und durch die einge­schränkte Sicht war es noch heikler, die Strom­schnellen und Felsen unbe­schadet zu passieren. 

Glücks­ge­fühle, Adre­na­lin­schub und Erleich­te­rung: eine emotio­nale Reise 

An einer Stelle blieb das Boot – während wir gerade eine Passage mit gefähr­li­chen Strom­schnellen queren mussten – zwischen zwei großen Felsen stecken. Ich dachte, wir würden jeden Moment kentern. Wir ließen uns ins Wasser gleiten, um das Boot anzu­schieben. Schließ­lich gelang es uns, das Boot zu befreien. 

Das Boot hängt fest

Doch ehe wir endlich mitten in der Nacht das Camp erreichten, musste wir noch so einige weitere Strom­schnellen meis­tern. Die Boots­führer hatten wirk­lich einen harten Job zu erle­digen, um uns sicher ans Ziel zu bringen. Gut, dass sie den Fluss so gut kennen. 

Auf dieser Reise durch­lebte ich eine Achter­bahn der Gefühle. Als wir die vier Orang-Utans frei­ließen, durch­strömten mich über­wäl­ti­gende Glücks­ge­fühle. Kurze Zeit später war es zunächst ein Nerven­kitzel und schließ­lich große Angst, dass das Boot unter­gehen würde. 

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Aber es war jede Heraus­for­de­rung wert, die wir auf uns genommen haben! Ich bin glück­lich, dass wir diesen vier Orang-Utans die Möglich­keit geben konnten, in Frei­heit zu leben, sich hoffent­lich fort­zu­pflanzen und so zum Erhalt der Art beizu­tragen. Ich hoffe sehr, dass mein Bericht noch mehr Menschen inspi­riert, sich für Orang-Utans und die Umwelt zu inter­es­sieren und in ihrem tägli­chen Leben aktiv zu werden. 

Wir alle können unseren Teil dazu beitragen, die Orang-Utans zu retten! 

Autor: Andri Korne­lius, Kommu­ni­ka­ti­ons­team in Nyaru Menteng, Zentral-Kali­mantan 

Auch Sie können ein Orang-Utan-Retter werden!