6. März 2024
Ora g-Utan im Baum

Wie Orang-Utans Forschern helfen, Sprach­ent­wick­lung zu verstehen

Ein briti­sches Forschungs­team hat mithilfe von Orang-Utans heraus­ge­funden, wie sich die Stimm­bil­dung mögli­cher­weise vor Millionen von Jahren entwi­ckelt hat. Bislang war dies ein großes Rätsel der Wissen­schaft. Ihre Erkennt­nisse lassen neue Rück­schlüsse zu auf die Entwick­lung von Sprache, wie wir sie heute kennen.

Im Laufe der letzten 17 Millionen Jahren sind die dichten Wälder, die Eura­sien und Afrika einst bedeckten, immer weiter zurück­ge­gangen und haben Platz gemacht für weite, offene Ebenen. Wie sich die Bewohner dieser Land­schaft mitein­ander verstän­digen, hat sich im Laufe dieser Zeit eben­falls verän­dert: von über­wie­gend vokaler Kommu­ni­ka­tion hin zu Lauten, die stärker durch Konso­nanten geprägt waren. Bisher wusste man nur, dass es so ist: Doch aus welchen Gründen erfolgte diese Evolution?

Das Team von Char­lotte Gannon, Russel A. Hill und Adriano R. Lameira hat das wissen­schaft­liche Rätsel nun teil­weise lösen können, wie ihre im Dezember 2023 veröf­fent­lichte Studie zeigt.

Orang-Utan-Baby
Schon Orang-Utan-Babys kommu­ni­zieren durch Weinen und Schreien mit ihren Müttern

Der Schlüssel waren Expe­ri­mente mit Orang-Utans oder genauer gesagt, mit den Rufen von Orang-Utans, durch die diese mitein­ander kommu­ni­zieren. Denn die Menschen­affen sind uns und unseren Vorfahren so ähnlich, dass die Stimm- und Sprach­ex­pe­ri­mente valide Rück­schlüsse erlauben.

Mit diesen, ganz unter­schied­li­chen, Lauten kommu­ni­zieren Orang-Utans

Die Sprache von Orang-Utans umfasst sowohl vokal­ba­sierte Laute als auch solche, die Konso­nanten beinhalten. Hier könnt ihr euch die typi­schen Laut­äu­ße­rungen anhören, die von Grunzen und Prusten über Weinen und Schreien bis hin zu Kuss­ge­räu­schen und dem soge­nannten Long Call reichen. Im Regen­wald können Orang-Utans über eine Entfer­nung von bis zu 100 Meter mitein­ander kommunizieren.

Den Regeln der Akustik folgend, werden Töne in nied­riger Frequenz weniger gut über die Entfer­nung getragen als Töne mit hoher Frequenz. Da die vokal­ba­sierten Laute der Orang-Utans übli­cher­weise in einer tieferen Frequenz geäu­ßert werden, nahm das Forscher­team an, dass die konso­nanten-basierten Laute besser über weitere Entfer­nungen hörbar sein müssten.

Diese Annahme über­prüften die Forscher mit einem Expe­ri­ment in der südafri­ka­ni­schen Savanne.

Sie verwen­deten Aufnahmen der unter­schied­li­chen Orang-Utan-Laute, welche sie bei Indi­vi­duen verschie­dener Popu­la­tionen sowohl auf Sumatra als auch Borneo aufge­nommen hatten. Diese Laute wurden in 25-Meter-Schritten über eine wach­sende Entfer­nung von bis zu 400 Metern abge­spielt. Dabei wurde jeweils unter­sucht, wie gut sie (noch) hörbar sind.

Forscher im Feld
Als die Menschen ihren Lebens­raum in die Ebene verlegten, änderte sich ihre Kommunikation

Das Expe­ri­ment bestä­tigte die Annahme des Forschungs­teams: Tatsäch­lich waren die konso­nanten-basierten Laute im offenen Gelände besser über größere Entfer­nungen zu verstehen! Die vokal­ba­sierten Rufe waren bei Entfer­nungen von 125 Metern und mehr deut­lich schlechter hörbar als die konso­nan­ten­ba­sierten. Diese verloren erst nach 250 Metern etwas von ihrer Hörbar­keit. Bei einer Entfer­nung von 400 Metern waren noch 80 Prozent der konso­nan­ten­ba­sierten Rufe hörbar, jedoch nur noch 20 Prozent der vokalbasierten.

Ein ziem­lich eindeu­tiges Ergebnis – das weitere Sprach­for­schung ermög­li­chen wird

Die Erkennt­nisse des Forschungs­teams sind ein weiteres Puzzle­stück in der Erfor­schung der Entste­hung von Sprache, wie wir sie heute kennen. Bereits bekannt ist, dass Konso­nanten Worte und Sätze struk­tu­rieren und sie dadurch verständ­li­cher machen als die reine Anein­an­der­rei­hung von Vokalen. Bekannt ist außerdem, dass Konso­nanten eine wich­tige Rolle beim Erlernen von Sprache spielen: Das zeigen Beob­ach­tungen von Babys, die neue Wörter dadurch wieder­erkennen, dass sie sich auf die Konso­nanten darin konzentrieren.

Wir finden es jeden­falls ziem­lich cool, dass Orang-Utans gewis­ser­maßen zu Assis­tenten der Wissen­schaft geworden sind und bei der Erfor­schung eines Myste­riums mitge­holfen haben, das seit Millionen von Jahren unge­löst war.