10. Februar 2015
Mit Freuden kann berichtet werden, dass die zwei im August 2015 ausgewilderten Orang-Utan-Weibchen Sumeh und Jambi gesichtet wurden. Beide wurden mit ihrem Nachwuchs in die Freiheit entlassen.
Das sind einmal die achtjährige Sumeh mit der kleinen Gembira und ihrem Bruder Sawung. Und Jambi, die nur ein Junges, den sehr aktiven 18 Monate alten Jamartin, mit sich führt. Berichten zufolge verhielten sich Sumeh und ihre Jungen aber eher passiv und fraßen nur unregelmäßig. Da dies kein gutes Zeichen war, entschloss sich das Beobachter-Team, die drei genauer unter die Lupe zu nehmen.
Direkt am ersten Tag erhielt das Team einen guten Einblick in Sumehs Leben. Sie wurde dabei beobachtet, Futter zu suchen und war aktiver als im Vorfeld angenommen. Die beiden Jungen Gembira und Sawung befanden sich in sehr guter Verfassung und wirkten aktiv und glücklich.
Leider konnte man das von Jambi nicht behaupten. Sie saß fünf Stunden lang in ihrem Nest und tat nichts weiter, als sich zu kratzen und flüchtig zu ihren Beobachtern hinunter zu blicken. Jamartin schien seiner Mutter voraus zu sein, denn das kleine Männchen sprang aus seinem Nest, spielte mit sich selbst, hing und sprang zwischen den Ästen der Lianen hin und her.
Für Jambis Verhalten könnte es mehrere Gründe geben: Krankheit, Infektion oder Vergiftung durch falsche Nahrung. Wenn ein Orang-Utan sich so teilnahmslos wie Jambi verhält, kann ein Eingreifen durch Menschen erforderlich sein, besonders wenn sie abhänge Jungen mit führen. Jambi bekam erfolgreich eine Auswahl von Früchten und entwurmender Medizin angeboten – sie wurde dann auch von Tag zu Tag aktiver, verließ ihr Nest und bewegte sich mit Elan. Dennoch ging sie nicht allein auf Futtersuche, was eine ziemlich besorgniserregende Situation sowohl für sie als auch ihr Junges war.
An einem Nachmittag bekamen Jambi und Jamartin unerwartet Gäste: Sumeh und ihre Kinder. Zunächst verharrte Jambi ruhig und betrachtete die Ankömmlinge aus der Ferne. Ihr Gesichtsausdruck zeigte, dass sie die Besucher erkannte. Umgekehrt schien Sumeh Jambi und Jamartin ebenso zu erkennen. Sumeh entschied sich für eine Annäherung an Jambi und Jamartin. Das Monotoring-Team war etwas in Sorge, dass die beiden Mütter kämpfen und den Jungen im Tumult unabsichtlich Schaden zufügen würden. Doch dann kletterte Jamartin hoch und streckte Sumeh seine Hand entgegen. Es war als wollte er sich Sumeh und Sawung vorstellen. Sumeh erwiderte das Kontaktangebot.
Plötzlich war der Wald erfüllt vom Geräusch berstender Ästen, als Jambi nach oben kletterte, um gleichzeitig Jamartin zu packen und Sumeh wegzuscheuchen. Anscheinend schätzte es Jambi nicht, dass Sumeh mit ihrem kleinen Sohn kommunizierte. Diese Reaktion ist durchaus normal, denn für einen Orang-Utan, der wieder ausgewildert wurde, hat der aktuelle Kampf um Nahrung eine höhere Priorität als alte Freundschaft. Wahrscheinlich war sie weniger besorgt, dass Jamartin mit Sumeh kommunizierte, sondern ärgerte sich eher, dass Sumeh in ihr Territorium eingedrungen war.
Die beiden Mütter sind sich alllerdings nicht das letzte Mal begegnet. Einmal saßen nicht nur Jambi und Jamartin, sondern auch Sumeh, Sawung und Gembira in einem Baum und kamen sehr gut miteinander aus. Sie labten sich an unreifen Lunuk-Früchten – für menschliche Geschmacksnerven sehr sauer, für Orang-Utans aber offenbar genießbar. Jambi und Sumeh erlaubten ihren Jungen auch, miteinander zu spielen.
Es war deutlich zu sehen, dass Sawung trotzt seines jungen Alters besser im Futter suchen als Jamartin war. Wahrscheinlich weil Sawung von seiner aktiven Mutter Sumeh mehr gelernt hat, als Jamartin von seiner zu Anfang eher passiven Mutter Jambi. Jambi fing nun auch an, Lunuk-Früchte zu fressen. Es war, als ob sie nun von Sumeh und ihren Jungen lernte. Sie alle saßen im gleichen Baum und teilten sich friedlich das Angebot an Früchten.
Jambi machte nicht den Eindruck, krank zu sein, brauchte aber offenbar mehr Zuversicht bei der Futtersuche. Vielleicht waren ihr aber auch unbekömmliche Früchte untergekommen und sie hatte Bauchschmerzen. Orang-Utans müssen sehr viel über ihre Umwelt wissen.
Mit Sumeh und den Kindern in der Nähe gewann Jambi Mut und traute sich die Lunuk-Früchte zu probieren. Als ob Jamartin ihr mitteilte, dass diese Frucht essbar sei. Orang-Utans kommunizieren offenbar auch auf eine Weise miteinander, die sich unserer Wahrnehmung entzieht.
Einige Tage später konnten Jambi und Jamartin wieder gesichtet werden. Jambi bewegte sich diesmal sehr aktiv von Baum zu Baum und versorgte sich selbst mit Essen. Sumeh und Gembira müssen wohl weiter in den Wald hinein gezogen sein, da man von ihnen nichts mehr sah oder hörte.
In der sicheren Umgebung Nyaru Mentengs konnten sie grundlegende Erfahrungen gewinnen. Nun bietet ihnen die freie Natur eine mannigfaltige Umgebung, die sie bei Menschen niemals hätte finden können. Die Situationen, mit denen sie im Wald konfrontierte werden, sind stets unvorhersehbar. Orang-Utans mögen viele Dinge während ihrer Zeit auf den Vorbereitungs-Inseln lernen, doch im Wald ist alles noch viel anspruchsvoller.
Mögen Sumeh, Gembira, Sawung, Jambi und Jamartin zu echten wilden Orang-Utans werden!