6. April 2023
Orang-Utan Bajuri

Ein Wieder­sehen mit Bajuri und Casey

Wenn unser Post Release Moni­to­ring Team Orang-Utans erst Jahre nach ihrer Auswil­de­rung wieder im Dschungel entdeckt, dann ist das etwas ganz Besonderes.

Der Kehje Sewen Forest ist ein geschütztes Gebiet mit dichtem Regen­wald, durch­zogen von lebens­spen­denden Flüssen. Hier wildern wir reha­bi­li­tierte Orang-Utans aus. Und hier befindet sich auch eins der Camps unseres Post Release Moni­to­ring (PRM) Teams, das die Tiere in ihrem neuen wilden Leben weiter beob­achtet – oder es zumin­dest versucht. Denn der Kehje Sewen ist weit­läufig. Und natür­lich ist es absolut gewollt, dass sich die ausge­wil­derten Orang-Utans von Menschen fern halten.

An einem Tag im Oktober 2022 macht sich eines unserer PRM Teams in einen weit vom Camp entfernten Teil des Waldes auf. Die letzte Patrouille im soge­nannten Yosi Tran­sekt, welcher an den Telen Soh Schutz­wald angrenzt, liegt bereits rund zwei Jahre zurück.

Noch vor Tages­an­bruch verlässt unser Team das Basis­lager Camp Lesik, denn es sind rund fünf Stunden Fußmarsch bis in den Yosi Tran­sekt. Im Schein der Taschen­lampen wandert die Gruppe auf schmalen Pfaden durch den anfangs noch stock­dunklen Dschungel. Bis zur Mittags­zeit wollen sie das Beob­ach­tungs­ge­biet erreicht haben.

Die Ranger laufen jeweils mit einigen Metern Abstand und halten dabei Ausschau nach Spuren, die auf die Anwe­sen­heit von Orang-Utans hinweisen könnten wie zum Beispiel Fraß­spuren oder Schlaf­nester in den Bäumen. Immer Mal wieder ahmt ein Ranger den Ruf eines männ­li­chen Orang-Utans nach, um Artge­nossen anzu­lo­cken, die sich even­tuell in der Nähe befinden.

Plötz­lich antwortet ein Orang-Utan auf den Lockruf

Als das Team sich dem Yosi Tran­sekt nähert, antwortet ein Orang-Utan auf den Ruf. So schnell und zugleich unauf­fällig wie möglich nähern sich die Ranger dem Geräusch und entde­cken ein junges Männ­chen in einem Baum. Er beäugt die Menschen, die in seinen Lebens­raum eindringen, und fühlt sich offen­sicht­lich gestört, denn er beginnt, an den Ästen zu rütteln und unser Team mit Zweigen zu bewerfen.

Schnell holt einer der Ranger seine Kamera heraus und macht Fotos. Auf den ersten Blick erkennt keiner den Orang-Utan. Welcher unserer ehema­ligen Schütz­linge kann es nur sein?

Prächtig entwi­ckelt seit der Auswilderung

Das Männ­chen bewegt sich von Baum zu Baum und zeigt dabei große Geschick­lich­keit. Hin und wieder versteckt er sich im Blät­ter­dach. Dabei entfernt er sich von unserem Team, das versucht, ihm möglichst weiter durch den dichten Regen­wald zu folgen. Schließ­lich bewegt sich der Orang-Utan einen steilen Abhang hinunter. Das Terrain ist für unsere Ranger zu schwierig, so dass sie zurück­bleiben müssen.

Aber es ist ihnen bis dahin gelungen, einige Fotos zu machen. Später, im Camp, iden­ti­fi­ziert Senior Ranger Imam Ghozali, der schon lange für BOS arbeitet, den gesich­teten Orang-Utan: Es handelt sich um Bajuri, den wir 2014 im Kehje Sewen Wald ausge­wil­dert haben und der zuletzt 2015 von unserem Team gesichtet wurde. Seitdem hat er sich offen­sicht­lich prächtig entwi­ckelt und trägt inzwi­schen sogar Backen­wülste – ein sehr gutes Zeichen für ein Orang-Utan-Männchen.

Dass Bajuri die Nähe von Menschen meidet, macht unseren Rangern die Arbeit zwar etwas schwerer — schließ­lich ist es ihre Aufgabe, Daten über die ausge­wil­derten Tiere zu sammeln – aber genau das wird hoffent­lich künf­tige Mensch-Tier-Konflikte verhin­dern und ihm ein langes Leben bescheren!

Die Ranger treffen Sorgen­kind Casey

Das Erfolgs­er­lebnis im Yosi Tran­sekt hat unser Team beflü­gelt, weitere “alte Bekannte” wieder­zu­sehen. Ein paar Wochen später machte sich ein PRM Team auf zu einer Patrouille im Muara Soh, einem eben­falls weit vom Basis­lager entfernten Teil des Waldes.

Zunächst schien das Glück die Gruppe verlassen zu haben. Kein Orang-Utan weit und breit! Es gab jedoch eindeu­tige Spuren wie Futter­reste und ein verlas­senes Schlaf­nest. Als die Gruppe rastete, spazierte ein Ranger ein kleines Stück in den Wald hinein und kam Minuten später zurück zum Team gesprintet: Er hatte einen Orang-Utan entdeckt!

Schnell und unauf­fällig begab sich das Team zum Fundort und wurde regel­recht eupho­risch, als sie die Orang-Utan-Dame erkannten: Es war Casey, die seit einer kleinen Ewig­keit von niemandem mehr gesichtet wurde.

Die Orang-Utan-Dame klet­tert mit nur zwei Fingern

Bei ihrer Rettung im Alter von vier Jahren war Casey eines unserer Sorgen­kinder, denn sie hatte während ihrer Haltung als ille­gales Haus­tier mehrere Finger verloren. Trotz dieser körper­li­chen Beein­träch­ti­gung entwi­ckelte sie sich jedoch in unserer Wald­schule ganz wunderbar und lernte all die Fertig­keiten, die sie für ein freies Leben im Regen­wald benö­tigen würde.

Casey wurde 2012 ausge­wil­dert und von unserem Post Release Moni­to­ring Team zuletzt 2015 — 2016 beob­achtet. Damals war sie oft in der Nähe von der Orang-Utan-Mutter Lesan zu finden. Bei der Begeg­nung in Muara Soh im November 2022, zehn Jahre nach ihrer Auswil­de­rung, erfreute sie sich augen­schein­lich bester Gesundheit.

Und da auch sie kein Inter­esse an einer Begeg­nung mit Menschen hatte und sich zügig wieder von unserem Team entfernte, sind wir vorsichtig opti­mis­tisch, dass ihr noch ein langes und glück­li­ches Leben in Frei­heit bevorsteht.

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