Wenn unser Post Release Monitoring Team Orang-Utans erst Jahre nach ihrer Auswilderung wieder im Dschungel entdeckt, dann ist das etwas ganz Besonderes.
Der Kehje Sewen Forest ist ein geschütztes Gebiet mit dichtem Regenwald, durchzogen von lebensspendenden Flüssen. Hier wildern wir rehabilitierte Orang-Utans aus. Und hier befindet sich auch eins der Camps unseres Post Release Monitoring (PRM) Teams, das die Tiere in ihrem neuen wilden Leben weiter beobachtet – oder es zumindest versucht. Denn der Kehje Sewen ist weitläufig. Und natürlich ist es absolut gewollt, dass sich die ausgewilderten Orang-Utans von Menschen fern halten.
An einem Tag im Oktober 2022 macht sich eines unserer PRM Teams in einen weit vom Camp entfernten Teil des Waldes auf. Die letzte Patrouille im sogenannten Yosi Transekt, welcher an den Telen Soh Schutzwald angrenzt, liegt bereits rund zwei Jahre zurück.
Noch vor Tagesanbruch verlässt unser Team das Basislager Camp Lesik, denn es sind rund fünf Stunden Fußmarsch bis in den Yosi Transekt. Im Schein der Taschenlampen wandert die Gruppe auf schmalen Pfaden durch den anfangs noch stockdunklen Dschungel. Bis zur Mittagszeit wollen sie das Beobachtungsgebiet erreicht haben.
Die Ranger laufen jeweils mit einigen Metern Abstand und halten dabei Ausschau nach Spuren, die auf die Anwesenheit von Orang-Utans hinweisen könnten wie zum Beispiel Fraßspuren oder Schlafnester in den Bäumen. Immer Mal wieder ahmt ein Ranger den Ruf eines männlichen Orang-Utans nach, um Artgenossen anzulocken, die sich eventuell in der Nähe befinden.
Plötzlich antwortet ein Orang-Utan auf den Lockruf
Als das Team sich dem Yosi Transekt nähert, antwortet ein Orang-Utan auf den Ruf. So schnell und zugleich unauffällig wie möglich nähern sich die Ranger dem Geräusch und entdecken ein junges Männchen in einem Baum. Er beäugt die Menschen, die in seinen Lebensraum eindringen, und fühlt sich offensichtlich gestört, denn er beginnt, an den Ästen zu rütteln und unser Team mit Zweigen zu bewerfen.
Schnell holt einer der Ranger seine Kamera heraus und macht Fotos. Auf den ersten Blick erkennt keiner den Orang-Utan. Welcher unserer ehemaligen Schützlinge kann es nur sein?
Prächtig entwickelt seit der Auswilderung
Das Männchen bewegt sich von Baum zu Baum und zeigt dabei große Geschicklichkeit. Hin und wieder versteckt er sich im Blätterdach. Dabei entfernt er sich von unserem Team, das versucht, ihm möglichst weiter durch den dichten Regenwald zu folgen. Schließlich bewegt sich der Orang-Utan einen steilen Abhang hinunter. Das Terrain ist für unsere Ranger zu schwierig, so dass sie zurückbleiben müssen.
Aber es ist ihnen bis dahin gelungen, einige Fotos zu machen. Später, im Camp, identifiziert Senior Ranger Imam Ghozali, der schon lange für BOS arbeitet, den gesichteten Orang-Utan: Es handelt sich um Bajuri, den wir 2014 im Kehje Sewen Wald ausgewildert haben und der zuletzt 2015 von unserem Team gesichtet wurde. Seitdem hat er sich offensichtlich prächtig entwickelt und trägt inzwischen sogar Backenwülste – ein sehr gutes Zeichen für ein Orang-Utan-Männchen.
Dass Bajuri die Nähe von Menschen meidet, macht unseren Rangern die Arbeit zwar etwas schwerer — schließlich ist es ihre Aufgabe, Daten über die ausgewilderten Tiere zu sammeln – aber genau das wird hoffentlich künftige Mensch-Tier-Konflikte verhindern und ihm ein langes Leben bescheren!
Die Ranger treffen Sorgenkind Casey
Das Erfolgserlebnis im Yosi Transekt hat unser Team beflügelt, weitere “alte Bekannte” wiederzusehen. Ein paar Wochen später machte sich ein PRM Team auf zu einer Patrouille im Muara Soh, einem ebenfalls weit vom Basislager entfernten Teil des Waldes.
Zunächst schien das Glück die Gruppe verlassen zu haben. Kein Orang-Utan weit und breit! Es gab jedoch eindeutige Spuren wie Futterreste und ein verlassenes Schlafnest. Als die Gruppe rastete, spazierte ein Ranger ein kleines Stück in den Wald hinein und kam Minuten später zurück zum Team gesprintet: Er hatte einen Orang-Utan entdeckt!
Schnell und unauffällig begab sich das Team zum Fundort und wurde regelrecht euphorisch, als sie die Orang-Utan-Dame erkannten: Es war Casey, die seit einer kleinen Ewigkeit von niemandem mehr gesichtet wurde.
Die Orang-Utan-Dame klettert mit nur zwei Fingern
Bei ihrer Rettung im Alter von vier Jahren war Casey eines unserer Sorgenkinder, denn sie hatte während ihrer Haltung als illegales Haustier mehrere Finger verloren. Trotz dieser körperlichen Beeinträchtigung entwickelte sie sich jedoch in unserer Waldschule ganz wunderbar und lernte all die Fertigkeiten, die sie für ein freies Leben im Regenwald benötigen würde.
Casey wurde 2012 ausgewildert und von unserem Post Release Monitoring Team zuletzt 2015 — 2016 beobachtet. Damals war sie oft in der Nähe von der Orang-Utan-Mutter Lesan zu finden. Bei der Begegnung in Muara Soh im November 2022, zehn Jahre nach ihrer Auswilderung, erfreute sie sich augenscheinlich bester Gesundheit.
Und da auch sie kein Interesse an einer Begegnung mit Menschen hatte und sich zügig wieder von unserem Team entfernte, sind wir vorsichtig optimistisch, dass ihr noch ein langes und glückliches Leben in Freiheit bevorsteht.
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