13. März 2023
Orang-Utan-Dame Erina

Ein Rätsel für unsere Phänologen

Neben der Beob­ach­tung ausge­wil­derter Orang-Utans, gehört es zu den Aufgaben der Post-Release-Moni­to­ring-Teams (PRM), Daten zur Phäno­logie der Pflan­zen­arten im Orang-Utan-Lebens­raum zu sammeln. Die Phäno­logie ist eine Methode der Biologie, bei der peri­odisch wieder­keh­rende Erschei­nungen der Natur unter­sucht werden. Bei dieser wich­tigen Forschungs­ar­beit treffen unsere PRM-Teams gele­gent­lich auch auf Orang-Utans. Und manchmal kann so eine Begeg­nung recht rätsel­haft verlaufen. So auch vor einiger Zeit in unserem Auswil­de­rungs­wald Kehje Sewen in Ost-Kalimantan.

Phänologie Pflanzen im Regenwald

Forschungs­ar­beit im Auswilderungswald

Etwa zwei Stunden Fußmarsch vom Camp Nles Mamse entfernt, in einem Gebiet, in dem viele natür­liche Nahrungs­quellen für Orang-Utans zu finden sind, führte eines der Teams phäno­lo­gi­sche Unter­su­chungen durch. Dabei entdeckte das Team schon auf dem Weg Spuren von Suli, auch bekannt als Etlin­gera sp. oder wildem Ingwer, die von einem kürz­lich zurück­lie­genden Orang-Utan-Mahl zeugten.

Am Ziel des für diesen Tag geplanten Unter­su­chungs­ge­biets ange­kommen, machten sich die Kolle­ginnen und Kollegen an ihr Werk. Nach einer Stunde inten­siver Forschungs­ar­beit, hörten sie ein Rascheln im Geäst. Zunächst dachten sie, das Geräusch käme von einem kleinen Affen oder einem Gibbon. Doch kurze Zeit später tauchte ein Orang-Utan aus dem Regen­wald auf und kam immer näher. Das Orang-Utan-Weib­chen klet­terte von der Spitze eines Baumes Ast für Ast hinunter, während unser Team sie aufmerksam beob­ach­tete, um sie zu identifizieren.

Orang-Utan-Dame Erina
Orang-Utan-Dame Erina

Als sie sich näherte, bemerkte unser Team, dass sie ziem­lich groß war, gesund aussah und dichtes Haar hatte, aber ihr Gesicht war nicht gleich zu erkennen.

Wer wagt sich da in mein Gebiet?

Mit lauten Kuss-Geräu­schen machte sie dem Team deut­lich, dass sie die mensch­liche Gegen­wart gar nicht mochte. Während sie auf einem Ast saß und darauf wartete, dass die mensch­li­chen Eindring­linge wieder gingen, machten unsere Team­mit­glieder aus verschie­denen Blick­win­keln Fotos von ihrem Gesicht, um sie später im Camp zu identifizieren.

Orang-Utan-Dame Erina

Dann setzte das PRM-Team die phäno­lo­gi­sche Unter­su­chung wie ursprüng­lich geplant fort. Doch der Orang-Utan beschat­tete sie. Auch als das Team seine Route in Rich­tung Fluss­ufer änderte, blieb der Orang-Utan an ihnen dran. Das Weib­chen schien entschlossen zu sein, die Menschen im Auge zu behalten, die sich unbe­fugt in seinem Teil des Waldes aufhielten.

Doch das Team musste noch eine ganze Zeit lang in dem Gebiet weiter­ar­beiten. So langsam kam die Sorge auf, dass sich der Orang-Utan zu sehr an die Menschen gewöhnen könnte. Darum beschlossen sie, das uniden­ti­fi­zierte Weib­chen mit lauten Geräu­schen und Schlägen auf den Stamm des Baumes, auf dem sie saß, zu vertreiben. Damit hatten sie schließ­lich Erfolg. Der neugie­rige Wald­mensch zog sich endlich in die hohen Baum­kronen zurück.

Orang-Utan-Dame Erina

Nachdem das Team sein Tage­werk schließ­lich abge­schlossen hatten, eilten sie zurück ins Camp, um zu versu­chen, den myste­riösen Orang-Utan zu iden­ti­fi­zieren. Durch Vergleiche mit anderen Fotos fanden sie bald heraus, dass es sich bei dem Orang-Utan-Weib­chen um Erina handelte, die 2018 ausge­wil­dert worden war. Unseren Aufzeich­nungen zufolge war Erina zuvor als neugie­riges und verspieltes Tier bekannt.
Unser Team war hoch­er­freut, Erina in so guter Verfas­sung anzu­treffen, nachdem es sie zuletzt im September 2021 gesehen hatte!

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