Neben der Beobachtung ausgewilderter Orang-Utans, gehört es zu den Aufgaben der Post-Release-Monitoring-Teams (PRM), Daten zur Phänologie der Pflanzenarten im Orang-Utan-Lebensraum zu sammeln. Die Phänologie ist eine Methode der Biologie, bei der periodisch wiederkehrende Erscheinungen der Natur untersucht werden. Bei dieser wichtigen Forschungsarbeit treffen unsere PRM-Teams gelegentlich auch auf Orang-Utans. Und manchmal kann so eine Begegnung recht rätselhaft verlaufen. So auch vor einiger Zeit in unserem Auswilderungswald Kehje Sewen in Ost-Kalimantan.
Forschungsarbeit im Auswilderungswald
Etwa zwei Stunden Fußmarsch vom Camp Nles Mamse entfernt, in einem Gebiet, in dem viele natürliche Nahrungsquellen für Orang-Utans zu finden sind, führte eines der Teams phänologische Untersuchungen durch. Dabei entdeckte das Team schon auf dem Weg Spuren von Suli, auch bekannt als Etlingera sp. oder wildem Ingwer, die von einem kürzlich zurückliegenden Orang-Utan-Mahl zeugten.
Am Ziel des für diesen Tag geplanten Untersuchungsgebiets angekommen, machten sich die Kolleginnen und Kollegen an ihr Werk. Nach einer Stunde intensiver Forschungsarbeit, hörten sie ein Rascheln im Geäst. Zunächst dachten sie, das Geräusch käme von einem kleinen Affen oder einem Gibbon. Doch kurze Zeit später tauchte ein Orang-Utan aus dem Regenwald auf und kam immer näher. Das Orang-Utan-Weibchen kletterte von der Spitze eines Baumes Ast für Ast hinunter, während unser Team sie aufmerksam beobachtete, um sie zu identifizieren.
Als sie sich näherte, bemerkte unser Team, dass sie ziemlich groß war, gesund aussah und dichtes Haar hatte, aber ihr Gesicht war nicht gleich zu erkennen.
Wer wagt sich da in mein Gebiet?
Mit lauten Kuss-Geräuschen machte sie dem Team deutlich, dass sie die menschliche Gegenwart gar nicht mochte. Während sie auf einem Ast saß und darauf wartete, dass die menschlichen Eindringlinge wieder gingen, machten unsere Teammitglieder aus verschiedenen Blickwinkeln Fotos von ihrem Gesicht, um sie später im Camp zu identifizieren.
Dann setzte das PRM-Team die phänologische Untersuchung wie ursprünglich geplant fort. Doch der Orang-Utan beschattete sie. Auch als das Team seine Route in Richtung Flussufer änderte, blieb der Orang-Utan an ihnen dran. Das Weibchen schien entschlossen zu sein, die Menschen im Auge zu behalten, die sich unbefugt in seinem Teil des Waldes aufhielten.
Doch das Team musste noch eine ganze Zeit lang in dem Gebiet weiterarbeiten. So langsam kam die Sorge auf, dass sich der Orang-Utan zu sehr an die Menschen gewöhnen könnte. Darum beschlossen sie, das unidentifizierte Weibchen mit lauten Geräuschen und Schlägen auf den Stamm des Baumes, auf dem sie saß, zu vertreiben. Damit hatten sie schließlich Erfolg. Der neugierige Waldmensch zog sich endlich in die hohen Baumkronen zurück.
Nachdem das Team sein Tagewerk schließlich abgeschlossen hatten, eilten sie zurück ins Camp, um zu versuchen, den mysteriösen Orang-Utan zu identifizieren. Durch Vergleiche mit anderen Fotos fanden sie bald heraus, dass es sich bei dem Orang-Utan-Weibchen um Erina handelte, die 2018 ausgewildert worden war. Unseren Aufzeichnungen zufolge war Erina zuvor als neugieriges und verspieltes Tier bekannt.
Unser Team war hocherfreut, Erina in so guter Verfassung anzutreffen, nachdem es sie zuletzt im September 2021 gesehen hatte!
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