Miko ist seit Ende letzten Jahres ein Neuer Wilder
Wenn es auf den letzten Schritt Richtung Unabhängigkeit zugeht, steigt in den Rettungszentren die Aufregung bei Mensch und Tier. Ein letztes Mal untersucht der Tierarzt die Orang-Utans (aktuell immer mit PCR-Test), ein Mini-GPS-Sender wird unter die Haut implantiert und die letzten Vorbereitungen rund um den Transport werden getroffen. Dass was im Gange ist, spüren auch die Orang-Utans. Manche bleiben ganz gelassen, bei anderen steigt das Stresslevel spürbar an. Dann gibt es auch mal Zoff in der Orang-Utan-Familie. Was hilft da am besten? Genau, einfach mal durchamten…
ALLEIN ODER ZU ZWEIT?
Alle Auswilderungen beginnen mit einer sorgfältigen Planung. Jeder Orang-Utan wird an einem für ihn extra ausgesuchten Platz im Regenwald frei gelassen, der zu seinen Bedürfnissen passt. Das hat was mit den Pflanzen und Früchten zu tun aber auch mit der individuellen Persönlichkeit der Tiere. Da Orang-Utans Einzelgänger sind, werden sie meist allein in ihren potenziellen neuen Revieren ausgewildert. Doch es kommt immer wieder auch vor, dass die Menschenaffen in ihrer gemeinsamen Zeit auf der Vorauswilderungsinsel so etwas wie Freundschaften schließen. So wie bei Miko und Pickle, die beide eher gutmütig sind und schon auf Salat Island viel gemeinsam unternommen haben. Als jetzt beide Tiere zusammen mit noch sechs anderen Ende letzten Jahres im Nationalpark Bukit Baka Bukit Raya in Zentral-Kalimantan ausgewildert wurden, entschied das Auswilderungsteam, die Männchen am selben Ort freizulassen: an einem abgelegenen Flussufer, etwa eine Stunde nördlich des Post-Release-Monitoring-Camps.
Jede Auswilderung ein Abenteuer
Obwohl unsere Teams vor Ort im Laufe der Jahre schon fast 500 Orang-Utans in den Regenwäldern Borneos frei gelassen haben, ist es doch jedes Mal wieder ein aufregendes Ereignis – für alle Beteiligten! Denn manchmal sind die Tiere verständlicherweise nicht sehr begeistert, dass sie so lange in ihrer engen Transportbox saßen und auf dem Weg zum Ziel ordentlich durchgerüttelt wurden. So war es auch bei Miko. Als sich die Klappe seiner Transportbox öffnete, war er nicht sehr erfreut, als er seine menschlichen Befreier entdeckte. Sie zogen sich schnell zurück und hielten sich in sicherem Abstand; auch um den Stress für Miko zu reduzieren. Der ließ seinen Unmut derweil an der Transportbox aus. Dann erblickte er Pickle. Das Team hielt den Atem an. Bewährte sich die Freundschaft der beiden Männchen? Oder waren sie von der Reise so aufgeputscht, dass es zu einem Kampf kommt? Pickle ist das dominantere Männchen, daher waren alle Augen auf ihn gerichtet. Doch er war ganz ruhig und auch Miko entspannte sich langsam. Während die eine Hälfte des Auswilderungsteams den sechs anderen Orang-Utans zur Beobachtung in den Regenwald folgte, blieb eine kleine Gruppe in sicherem Abstand bei den beiden Männchen. Pickle saß am Flussufer und beobachtete sowohl die Menschen als auch Miko.
DAS ALTE LEBEN HINTER SICH LASSEN
Miko hingegen hatte vor allem Augen für einen ganz bestimmten Menschen: Den Tierarzt Dr. Arga Sawung Kusuma. Arga arbeitet seit über acht Jahren in Nyaru Menteng und Miko kennt ihn fast sein ganzes Leben lang. Das junge Männchen setzte sich Richtung Arga in Bewegung – offenbar wollte er ihm in dieser für ihn ungewohnten Situation nahe sein. Das ging natürlich nicht. Das Team hatte keine andere Wahl, als Arga vorübergehend auf das Boot und damit außer Reichweite für Miko zu verbannen.
FREUNDSCHAFT FÜRS LEBEN?
Miko blickte sich um und pflückte ein paar Bambusblätter vom Baum, um sie zu essen. Dann näherte er sich Pickle. Das Beobachtungsteam war ganz still und beobachtete jede Bewegung. Die Männchen begannen ein leichtes Gerangel. Miko reagierte spielerisch auf Pickles dominante Gesten und kurze Zeit später spielten beide Orang-Utans ausgelassen am Strand. Eine echte Premiere in der Geschichte der PRM-Beobachtungen! Das Team atmete erleichtert auf.
Etwa zwanzig Minuten und einige Spielrunden später dämpfte ein plötzlicher und heftiger Regenguss die Laune von Menschen und Orang-Utans. Pitschnass warteten alle auf dem Boden sitzend bis der Schauer vorüber war. Als sich der Himmel endlich wieder aufhellte, widmete sich Miko wieder genüsslich den Bambusblättern, während Pickle weiter im Sand spielte. Es wurde dunkler und Miko begann, aus alten Ästen ein Nest auf dem Boden zu bauen. Schließlich legte er sich für die Nacht schlafen.
Viel Glück im neuen Zuhause, Miko
Ein aufregender Tag für alle Beteiligten. Manches lief anders als gedacht. Hätten wir es lieber gesehen, wenn Miko mehr Zeit mit der Nahrungssuche und dem Nestbau in den Baumkronen verbracht hätte? Ja, ganz bestimmt. Aber manchmal ist es eben wichtiger, sich nach einem stressigen Tag zu entspannen. Das gilt für Orang-Utans genauso wie für uns Menschen. Wir freuen uns, dass die Bindung zwischen Pickle und Miko an ihrem ersten Tag im Wald noch stärker geworden ist. Und bei allem, was wir beobachten konnten, sind wir sehr optimistisch, dass die beiden auch in ihre neue Rolle als wilde Orang-Utans hineinwachsen werden. Wir werden berichten.