31. März 2022
Orang-Utan Miko

Gemein­samer Start in die Freiheit

Miko ist seit Ende letzten Jahres ein Neuer Wilder

Wenn es auf den letzten Schritt Rich­tung Unab­hän­gig­keit zugeht, steigt in den Rettungs­zen­tren die Aufre­gung bei Mensch und Tier. Ein letztes Mal unter­sucht der Tier­arzt die Orang-Utans (aktuell immer mit PCR-Test), ein Mini-GPS-Sender wird unter die Haut implan­tiert und die letzten Vorbe­rei­tungen rund um den Trans­port werden getroffen. Dass was im Gange ist, spüren auch die Orang-Utans. Manche bleiben ganz gelassen, bei anderen steigt das Stress­level spürbar an. Dann gibt es auch mal Zoff in der Orang-Utan-Familie. Was hilft da am besten? Genau, einfach mal durchamten… 

ALLEIN ODER ZU ZWEIT?

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Alle Auswil­de­rungen beginnen mit einer sorg­fäl­tigen Planung. Jeder Orang-Utan wird an einem für ihn extra ausge­suchten Platz im Regen­wald frei gelassen, der zu seinen Bedürf­nissen passt. Das hat was mit den Pflanzen und Früchten zu tun aber auch mit der indi­vi­du­ellen Persön­lich­keit der Tiere. Da Orang-Utans Einzel­gänger sind, werden sie meist allein in ihren poten­zi­ellen neuen Revieren ausge­wil­dert. Doch es kommt immer wieder auch vor, dass die Menschen­affen in ihrer gemein­samen Zeit auf der Voraus­wil­de­rungs­insel so etwas wie Freund­schaften schließen. So wie bei Miko und Pickle, die beide eher gutmütig sind und schon auf Salat Island viel gemeinsam unter­nommen haben. Als jetzt beide Tiere zusammen mit noch sechs anderen Ende letzten Jahres im Natio­nal­park Bukit Baka Bukit Raya in Zentral-Kali­mantan ausge­wil­dert wurden, entschied das Auswil­de­rungs­team, die Männ­chen am selben Ort frei­zu­lassen: an einem abge­le­genen Fluss­ufer, etwa eine Stunde nörd­lich des Post-Release-Monitoring-Camps.

Jede Auswil­de­rung ein Abenteuer

Obwohl unsere Teams vor Ort im Laufe der Jahre schon fast 500 Orang-Utans in den Regen­wäl­dern Borneos frei gelassen haben, ist es doch jedes Mal wieder ein aufre­gendes Ereignis – für alle Betei­ligten! Denn manchmal sind die Tiere verständ­li­cher­weise nicht sehr begeis­tert, dass sie so lange in ihrer engen Trans­portbox saßen und auf dem Weg zum Ziel ordent­lich durch­ge­rüt­telt wurden. So war es auch bei Miko. Als sich die Klappe seiner Trans­portbox öffnete, war er nicht sehr erfreut, als er seine mensch­li­chen Befreier entdeckte. Sie zogen sich schnell zurück und hielten sich in sicherem Abstand; auch um den Stress für Miko zu redu­zieren. Der ließ seinen Unmut derweil an der Trans­portbox aus. Dann erblickte er Pickle. Das Team hielt den Atem an. Bewährte sich die Freund­schaft der beiden Männ­chen? Oder waren sie von der Reise so aufge­putscht, dass es zu einem Kampf kommt? Pickle ist das domi­nan­tere Männ­chen, daher waren alle Augen auf ihn gerichtet. Doch er war ganz ruhig und auch Miko entspannte sich langsam. Während die eine Hälfte des Auswil­de­rungs­teams den sechs anderen Orang-Utans zur Beob­ach­tung in den Regen­wald folgte, blieb eine kleine Gruppe in sicherem Abstand bei den beiden Männ­chen. Pickle saß am Fluss­ufer und beob­ach­tete sowohl die Menschen als auch Miko.

DAS ALTE LEBEN HINTER SICH LASSEN

Miko hingegen hatte vor allem Augen für einen ganz bestimmten Menschen: Den Tier­arzt Dr. Arga Sawung Kusuma. Arga arbeitet seit über acht Jahren in Nyaru Menteng und Miko kennt ihn fast sein ganzes Leben lang. Das junge Männ­chen setzte sich Rich­tung Arga in Bewe­gung – offenbar wollte er ihm in dieser für ihn unge­wohnten Situa­tion nahe sein. Das ging natür­lich nicht. Das Team hatte keine andere Wahl, als Arga vorüber­ge­hend auf das Boot und damit außer Reich­weite für Miko zu verbannen.

FREUNDSCHAFT FÜRS LEBEN?

Miko blickte sich um und pflückte ein paar Bambus­blätter vom Baum, um sie zu essen. Dann näherte er sich Pickle. Das Beob­ach­tungs­team war ganz still und beob­ach­tete jede Bewe­gung. Die Männ­chen begannen ein leichtes Gerangel. Miko reagierte spie­le­risch auf Pickles domi­nante Gesten und kurze Zeit später spielten beide Orang-Utans ausge­lassen am Strand. Eine echte Premiere in der Geschichte der PRM-Beob­ach­tungen! Das Team atmete erleich­tert auf.

Etwa zwanzig Minuten und einige Spiel­runden später dämpfte ein plötz­li­cher und heftiger Regen­guss die Laune von Menschen und Orang-Utans. Pitsch­nass warteten alle auf dem Boden sitzend bis der Schauer vorüber war. Als sich der Himmel endlich wieder aufhellte, widmete sich Miko wieder genüss­lich den Bambus­blät­tern, während Pickle weiter im Sand spielte. Es wurde dunkler und Miko begann, aus alten Ästen ein Nest auf dem Boden zu bauen. Schließ­lich legte er sich für die Nacht schlafen.

Viel Glück im neuen Zuhause, Miko

Ein aufre­gender Tag für alle Betei­ligten. Manches lief anders als gedacht. Hätten wir es lieber gesehen, wenn Miko mehr Zeit mit der Nahrungs­suche und dem Nestbau in den Baum­kronen verbracht hätte? Ja, ganz bestimmt. Aber manchmal ist es eben wich­tiger, sich nach einem stres­sigen Tag zu entspannen. Das gilt für Orang-Utans genauso wie für uns Menschen. Wir freuen uns, dass die Bindung zwischen Pickle und Miko an ihrem ersten Tag im Wald noch stärker geworden ist. Und bei allem, was wir beob­achten konnten, sind wir sehr opti­mis­tisch, dass die beiden auch in ihre neue Rolle als wilde Orang-Utans hinein­wachsen werden. Wir werden berichten.